Austerlitz

Buch von W. G. Sebald

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Austerlitz

Wer ist Austerlitz? Ein rätselhafter Fremder, der immer wieder an den ungewöhnlichsten Orten auftaucht: am Bahnhof, am Handschuhmarkt, im Industriequartier ... Und jedes Mal erzählt er ein Stück mehr von seiner Lebensgeschichte, der Geschichte eines unermüdlichen Wanderers durch unsere Kultur und Architektur und der Geschichte eines Mannes, dem als Kind Heimat, Sprache und Name geraubt wurden.
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Bewertungen

Austerlitz wurde insgesamt 11 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,2 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Austerlitz

    […]
    Gemäss unten verlinktem Interviewband ist eine ausgiebige Recherche für W.G. Sebald unabdingbar für ein gutes Buch. Idealerweise sei man zuvor 10 Jahre als Reporter tätig, bevor man Schriftsteller wird – Joseph Roth sei ein prima Vorbild hierfür.
    Insofern stellt Sebald auch an sich selbst den Anspruch, keine reine Fiktion zu schreiben, sondern eben «Prosabücher unbestimmter Art». Diese Vermischung zwischen Text und Fotos, die den Inhalt «belegen» sollen, der erdachten Handlung einerseits und der ausgiebigen, informationsreichen «Berieselung» andererseits, sind wirklich ungewöhnlich und begeistern vielleicht nicht Jeden. Sicherlich ist sein Schreibstil ohnehin gewöhnungsbedürftig. Mir gefallen seine Formulierungen und seine Wortwahl sehr, ich habe manche Seiten mehrmals gelesen. Aber, und das las ich in einigen Rezensionen über seine Bücher häufiger, seine Sprache klingt leicht veraltet, wie aus der Zeit gefallen.
    In den Interviews erklärte er sich so, dass er eben seit vielen Jahren im Ausland lebt, die deutsche Sprache nicht «aktiv» lebt, und er sich mangels Erfahrung an «Alltagsdeutsch» auch ausserstande sieht, Dialoge zu schreiben.
    Dafür also dieser kaum endende Informationsfluss, scheinbar wahllos diverse Themen streifend. Auch hier verstehe ich, dass dieses Episodenhafte ermüden kann, dass man den roten Faden vermisst und sich zwischendurch fragt, was denn die Diskussion über bspw die Architektur von der Festung Breendonk soll. (In einem Interview meinte Sebald übrigens, die Festung stünde exemplarisch für den Wahnwitz der kollektiven Bemühungen bizarre Projekte zu entwickeln: geometrisch detailliert, aber doch wahnsinnig du so vom Designer nicht erkannt.)
    Allerdings wundere ich mich ein wenig über die beklagte Gefühlskälte im Roman. Sicherlich ist der Ich-Erzähler distanziert: er erzählt uns von lange zurück liegenden Treffen, bei denen ihm Austerlitz seine Recherchen und Erlebnisse schildert. Bei einem solchen Erzählaufbau (und ohne Dialoge) ist es tatsächlich schwieriger Emotionen zu vermitteln. Dennoch hat mich die Geschichte sehr angesprochen, womöglich mehr in dieser Form als durch direkt / offensichtlich adressierte Schicksalsbeschreibungen. Und tatsächlich bleiben die grossen Emotionen aus: Austerlitz wird bei seinen Recherchen und Erkenntnissen nicht glücklicher oder ein anderer, besserer (?) Mensch. Konsequent, dass der Roman ein wenig abrupt aufhört, auch wenn sich der Kreis etwas schliesst… Dennoch ist diese Lektüre eine für mich seltene Ausnahme, bei der das Buch nachwirkt und mit zeitlichem Abstand «gewinnt». Anfangs blieb ich etwas ratlos zurück, aber gedanklich liess mich das Buch nicht los und mir gefällt es nun noch besser als direkt nach dem Lesen.
    Ich habe den Eindruck, dass ich meine Gefühle zu dem Roman hier ein wenig unstrukturiert hinterlasse, aber auch nach Tagen kriege ich es nicht besser hin, will ich nicht dreimal soviel Text schreiben. Denn es gäbe noch soviel zum Roman selbst zu schreiben, als auch zu Parallelen zu Sebalds Leben und weiterer Sekundärliteratur.
    Daher möchte ich mit diesem Hinweis abschliessen:
    Der bereits erwähnte Interviewband enthält u.a. Gespräche zu «Austerlitz», in denen Sebald über den Sinn seiner Fotos spricht (Nahtstelle zwischen Leben und Tod), ob er sie selbst macht oder irgendwo findet (halb/halb), ob ein deutscher Autor über jüdische Biographien schreiben sollte (Austerlitz ist eine Verbindung aus zwei realen Vorbildern), weshalb er beim Thema Kindertransport auf Melodramatik verzichtet (es ginge sonst die ästhetische Authentizität verloren), und weshalb sein Protagonist überhaupt «Austerlitz» heisst (jeder denkt an die Stadt und die Schlacht Austerlitz, aber Fred Astaire wurde als Frederick Austerlitz geboren, dessen Vater hatte jüdische Wurzeln und stammt aus Österreich-Ungarn).
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  • Rezension zu Austerlitz

    Ein gesicht- und geschichtsloser Ich-Erzähler berichtet von den wiederholten, aber unregelmäßigen Begegnungen und Gesprächen mit dem gebildeten Herren Austerlitz, die über mehrere Jahrzehnte an unterschiedlichen Orten in Europa, oft zufällig, stattfanden. Bei den Gesprächen handelt es sich, so hat es den Anschein, fast mehr um erlauschte Erzählungen, als um einen gleichwertigen Austausch. Ein nicht endender Strom an interessanten und gebildeten Auslassungen über kulturwissenschaftliche und philosophische Themen (zum Beispiel über die Zeit) mit einem Schwerpunkt auf der Architektur von Prachtbauten, aber auch Gefängnissen und nicht zuletzt Bahnhöfen. Mit der Zeit schält sich ein weiteres Thema heraus: Die Spurensuche nach der eigenen Vergangenheit. Austerlitz, der unter anderem Namen als Sohn in einem calvinistischen Predigerhaushalt in England aufwuchs, aber tatsächlich im Vorschulalter während der Nazi-Besetzung von seiner Mutter aus der Tschechoslowakei nach England verschickt wurde. Die Mutter, die kurz darauf selber ins "Ghetto" Theresienstadt verbracht wurde und dort verstarb. Austerlitz recherchiert vor Ort und sucht unter anderem in einer Video-Kopie des NS-Propagandafilms "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" danach, ob er seine Mutter als Komparsin im Alltag des "Vorzeige-KZs" entdeckt.
    Der Gesprächsfluss an Themen reißt nie ab. Kaum mal gibt es einen Absatz (höchstens drei im ganzen Buch), manchmal Gedankenstriche, die eine Pause in der Gesprächssituation markieren. Am besten liest man das Buch in einem Rutsch durch. Es ist ein wenig wie eine anspruchsvolle Berieselung mit Kultur, Kunst, Soziologie, Geschichte und Philosophie. Ein Zuviel an Themen, fast ungreifbar, rutschen sie einem allzu leicht zwischen den Fingern weg. Die Figuren bleiben unnahbar. Das mag daran liegen, dass man es einzig und allein mit Gesprächen und Gesprächen über Gespräche zu tun bekommt. Handlungen und Taten finden nur in Form von Gesprächen statt. Eine - wenn man so will - substanzlose Anlage. Ein äußerst filigran aufgeschichteter Turm an Worten. Ein bewundernswert fließender Romanaufbau.
    Die Themen liegen mir alle und ich merke: "Das Buch ist genau etwas für mich", verlässliche Vor-Leser, auf deren Meinung ich etwas gebe, schätzen und empfehlen das Buch. Und doch lässt es mich erstaunlich kalt und bleibt nur schemenhaft im Gedächtnis. Gespräche über Gespräche verfangen nicht lange. Dabei drückt sich genau darin für mich der Clou des Buches aus: Da ist ein Mann, der sich seiner Heimat und sogar seiner Identität beraubt wiederfindet, der entwurzelt ist und sich seine eigene Geschichte erst wieder zusammensetzen muss. Lass es fünf Jahre seiner Kindheit sein, aber seither scheint er nichts anderes mehr tun zu können, als immer mehr Mosaiksteine zusammen zu sammeln. Um sich seines Selbst zu vergewissen. Eine ständiges Anreden gegen die eigene Heimatlosigkeit und Entwurzelung und familäre Katastrophe. Flüchtige Gespräche, die den Wesenskern eines beschädigten Lebens ersetzen sollen. Was der Krieg - in jungen Jahren - zerstört hat, braucht ein ganzes Leben, um es ansatzweise wieder zu kitten. Wenn überhaupt! Das zeigt der Roman überdeutlich.Austerlitz scheint es jedenfalls nicht abschließend zu gelingen. Dieses Lebensprojekt ist wahrscheinlich nie abgeschlossen. Fast ein wenig willkürlich ist der Roman nach vierhundert Seiten dann auch zu Ende. Auch wenn die Suche für Austerlitz nicht beendet ist. Ein Wundenschließen wird versucht mit soziologischen, geschichtlichen, kulturellen Ansätzen, aber das Reden wird weitergehen. Insofern gelingt es dem Roman, Bedeutung schon allein nur aus seiner Form zu erzählen: Was schon eine bemerkenswerte literarische Leistung ist. (Viele schaffen es ja nicht mal Inhaltlich etwas Wesentliches zu sagen!). Dennoch war mir der Roman, ähnlich wie @Buchkrümel, zu leblos und unwirklich kalt. Nicht verkopft, überhaupt nicht schwer zu lesen, interessant, anregend und unterhaltsam sogar über lange Strecken, aber auch zu unbeteiligt, gefühllos und nicht zu greifen: Viele Themen werden intellektuell ausgestellt und geschickt miteinander verwoben, rauschen aber durch, weil sie keinen Haltepunkt haben, um zu verfangen. Viel Geist, aber wenig Herz und Seele.
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  • Rezension zu Austerlitz

    Hallo Tanni!
    Sorry für die späte Reaktion, doch ich bin gerade erst aus dem Urlaub zurückgekommen...
    Wenn ich richtig zwischen Deinen Zeilen lese, glaube ich doch, dass Sebald Dir was sagen könnte, denn es geht - wie wohl bei Dir - zwar um eine uns ja allen eigene Ablehung gegnüber Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Shoah etc. und doch die absolute Notwendigkeit der Auseinandersetzung damit, und zwar aus mehreren Gründen: natürlich geht es erst einmal um "Gedenken" mit denen, die in diesen Wirren standen, uns teils nahestanden: Erinnerung als Pflicht auch, damit es nie wieder geschehe. Aber Sebald geht m.E. noch weiter: die Entdeckung der Verschlingung, der Verflochtenheit zwischen "äußerer" Geschichte und eigenem Werdegang macht es bei der Hauptperson Austerlitz unmöglich, zu sich selbst zu finden, wenn er vor der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ausweicht. Diese Suche nach der eigenen Vergangenheit mag übrigens sehr hart sein, doch ist zur Selbstfindung eventuell unausweichlich???!!!
    Nun liegt mein Lesen eine Weile zurück. Jeder empfindet Anspielungen oder Darstellungen aus dieser Zeit verschieden. Frage der Sensibilität. Doch ich finde, dass Sebald dabei nicht grob ist. Tatsächlich scheint es über einen langen ersten Teil hinweg nicht über dieses Thema zu gehen, bzw. man ist geneigt, es zu überlesen, fast nicht wahr zu nehmen. Erst im Nachhinein vielleicht erscheinen verschiedenste Komponenten als Puzzlestücke.
    Manchmal kann eine sehr harte Aussage auch in einer Anspielung liegen...
    Im Moment kann ich Dir dazu nicht mehr sagen. Ist das so genug?
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Ausgaben von Austerlitz

Taschenbuch

Seitenzahl: 432

Hardcover

Seitenzahl: 424

Austerlitz in anderen Sprachen

Besitzer des Buches 22

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