Sinnesdelirien: Die skurrile Pionierzeit der Psychiatrie

Buch von Claudia Amtmann-Chornitzer

  • Kurzmeinung

    Ambermoon
    Ein sehr kleiner, aber interessanter Einblick in die Geschichte der Psychiatrie. Eher etwas für Laien.

Bewertungen

Sinnesdelirien: Die skurrile Pionierzeit der Psychiatrie wurde bisher einmal bewertet.

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Meinungen

  • Ein sehr kleiner, aber interessanter Einblick in die Geschichte der Psychiatrie. Eher etwas für Laien.

    Ambermoon

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Sinnesdelirien: Die skurrile Pionierzeit der Psychiatrie

    Was ging in Graz vor sich - damals vor fast 150 Jahren, zu einer Zeit als Dr. Richard von Krafft-Ebing hier seine weltbekannte Psychopathia sexualis verfasste und in seinem renommierten Nervensanatorium in Mariagrün die Größen der damaligen Gesellschaft verkehrten? Konfrontiert mit aufgebrachten Witwen, unnatürlichen Gelüsten, schönen Hyterikerinnen, neurasthenischen Lumpen, philosophierenden Mathematikern und trunkenen Dichtern sah er sich einer Welt zwischen Genie und Wahnsinn gegenüber... (Klappentext)
    ♜♜♜♜♜
    "Es ist das traurige Vorrecht der Medizin und speziell der Psychiatrie, dass sie beständig die Kehrseite des Lebens, menschliche Schwäche und Armseligkeit schauen muss."
    (S. 20)
    Die Psychologie/Psychiatrie ist, im Gegensatz zu anderen Wissenschaften und Lehren im Bereich der Humanmedizin, noch eine relativ "junge" Wissenschaft. Die Bezeichnung "Psychologie" wurde erstmals im 16. Jahrhundert belegt und als eigenständiges Studium sogar erst Anfang des 19. Jahrhunderts möglich.
    Unter anderen sind vor allem Johann Christian Reil, Wilhelm Griesinger und auch Richard von Krafft-Ebing Pioniere der Psychiatrie. Von Letzterem handelt dieses Buch.
    Von Krafft-Ebing war ein deutsch-österreichischer Psychiater, Neurologe und Rechsmediziner. Er erforschte vor allem den Zusammenhang zwischen Psychiatrie und Strafrecht und eines seiner größten Werke war (und ist immer noch) "Grundzüge der Kriminalpsychologie".
    Sein bekanntestes Werk ist jedoch "Psychopathia sexualis", welches zum Standardlehrbuch der Sexualpathologie (heutige Bezeichnung: Sexualwissenschaft) des 19. Jahrhunderts wurde (und sich irgendwo in einer meiner Lehrbuch-Kisten befindet). Homosexualität war bei seinen Forschungen einer seiner Schwerpunkte und obwohl für ihn damals Homosexualität als angeborene Krankheit angesehen wurde, setzte er sich vehement für die Straffreiheit von Homosexualität ein.
    Weiters trat er gegen Antisemitismus ein und war einer der Gründungsmitglieder der Bertha von Suttners Friedensbewegung.
    "Er schrieb über Kriminalpsychologie, den Querulantenwahnsinn und menstruelles Irresein, über die Heilwirkung des galvanischen Stromes, das Zustandekommen der Wollustempfindung, die Vortäuschung multipler Sklerose und masturbatorische Verrücktheit. Er schrieb über trunkfällige Sinnestäuschung, Selbstanschuldigungen Geisteskranker und den Missbrauch einer Willenlosen."
    (S. 40)
    Der Begriff "Masochismus" wurde von ihm erfunden und stützt sich auf das Ehepaar Sacher-Masoch. Hier setzt dieses Buch auch an, welches ein dokumentarischer Roman ist.
    Da Psychologie eine empirische Wissenschaft ist, sprich - eine Sammlung von Daten, Erfahrungen und die daraus abgeleitete Erkenntnis, ist dieser "Roman" passend auf diese Weise aufgebaut ... in gewisser Weise.
    Man erhält Einblick in Notizen, Briefe und Patientenakten des Psychiaters Richard von Krafft-Ebing. Diese, sowie Originalzitate, werden in den Roman geschickt eingebaut und man erhält auf diese Art einen Einblick in die damalige Zeit und vor allem in die Pionierzeit der Psychiatrie.
    Nervenleiden, Fetischismus, Perversion, sexuelle Ausschweifungen und deren Behandlung sind ebenso Thema, wie auch damals übliche medizinische Praktiken, Theorien und Sichtweisen. Schockierend, interessant und humoristisch zugleich. Ja, über so manches musste ich wirklich herzlich lachen, während mir anderes den Ekel ins Gesicht trieb - vor allem so manche bornierte Sichtweise.
    "L., Tagelöhner, wurde verhaftet, weil er sich in einer öffentlichen Anlage ein großes Stück Haut vom linken Vorderarm mit einer Schere abschnitt. Er gesteht, dass er seit langer Zeit den Drang habe, ein Stück von der feinen weißen Haut eines jungen Mädchens herauszubeißen oder herauszuschneiden und dasselbe zu verzehren, dass er zu diesem Zweck mit dazu bereitgehaltener Schere ein solches Opfer verfolgt habe, aber bei der Aussichtslosigkeit dieses Vorhabens davon abgestanden sei und als Ersatz sich selbst geschnitten habe."
    (S. 21)
    Man diskutiert mit Peter Rosegger über die Schulreform, mit dem Physiker Boltzmann über die Liebe und mit einem Pfarrer über Gesundheits-Sekten. Ebenso wohnt man Hydrotherapien und Hypnosen bei und erfährt, dass Letztere auch durchaus Gefahren birgt und von so manchem Kollegen ausgenutzt wurde.
    "An körperlichen Folgen seines verwerflichen Treibens schien der Patient erstaunlicher Weise noch nicht zu leiden. Immerhin waren Masturbanten gewöhnlich nasennkrank, litten häufig an Rhinorrhagien und abnormen Geruchsempfindungen, Nervenschwäche oder Schlaflosigkeit. Dazu gesellten sich Rückenmarksleiden, Gehirnerweichung und Hypochondrie."
    (S. 63 - Also Frauen und Männer, die Hände immer schön über der Decke lassen, denn so wie es aussieht, habt Ihr dann sowas wie einen kleinen Schlaganfall XD)
    Viele, viele kleine Einblicke bedeuten hier, dass alles nur ein bisschen angerissen wird. Der Schreibstil ist stockend, der Erzählstil manchmal wirr und sprunghaft, was wohl daran liegen mag, dass man mit unglaublichem Tempo durch diese Pionierzeit fegt und dabei alles nur streift.
    Im Anschluß erhält man noch Kurzbiographien der wichtigsten Personen, ein paar Abbildungen und ein Quellenverzeichnis.
    "Wie hatte Boltzmann gesagt? Die Denkgewohnheiten würden sich ändern, und bald schon würde jeder Gebildete kaum mehr begreifen, wie man einmal so borniert sein konnte."
    (S. 155)
    Fazit:
    Ich mabe mir ehrlich gesagt mehr von diesem Buch erwartet. Mehr Informationen und tiefere Einblicke. Auch der Schreibstil war nicht ganz so meins. Da sind so manche Fach- und Sachbücher flüssiger und fesselnder geschrieben, als dieser dokumentarische Roman.
    Es war zwar durchaus interessant, auch schockierend und zum Schmunzeln, aber das gewisse Etwas hat mir dann doch gefehlt. Selbst für so ein dünnes Büchlein, war es von allem zu wenig.
    Vielleicht bin ich aber auch diesbezüglich kein Maßstab, da ich schon einiges von diesem Herrn wusste, Teile seiner Werke bereits gelesen habe und schon das ein odere andere Fachbuch gewälzt habe. Für Laien, bzw. für LeserInnen, welche einen kleinen Einblick in die Pionierzeit der Psychiatrie werfen möchten, jedoch durchaus zu empfehlen. Für alle anderen empfehle ich entsprechende Fach- und/oder Sachbücher zu lesen (wenn ich meine Lehrbuch-Kisten durchstöbert habe, werde ich im Anschluß ein paar Buchempfehlungen anhängen ... falls Interesse besteht).
    © Pink Anemone (inkl. Bilder, Leseprobe und Autoren-Info)
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Ausgaben von Sinnesdelirien: Die skurrile Pionierzeit der Psychiatrie

Hardcover

Seitenzahl: 192

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