Deutsches Haus

Buch von Annette Hess

  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Wäre die Autorin doch nur bei ihrem Hauptplot geblieben
  • Kurzmeinung

    serjena
    Schade die Autorin hat das Potential welche eine solche Geschichte anbietet viel zu wenig ausgeschöpft.
  • Kurzmeinung

    Mojoh
    Opulentes Familien- und Zeitpanorama aus der Zeit der ersten Auschwitz Prozesse Anfang der 60er Jahre.

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Deutsches Haus

Von der Erfinderin der TV-Serien Weissensee und Ku'damm 56 / 59 »Dieser Roman kommt genau zur richtigen Zeit.« Iris Berben  Frankfurt 1963. Eva, gelernte Dolmetscherin und jüngste Tochter der Wirtsleute Bruhns, steht kurz vor ihrer Verlobung. Unvorhergesehen wird sie gebeten, bei einem Prozess die Zeugenaussagen zu übersetzen. Ihre Eltern sind, wie ihr zukünftiger Verlobter, dagegen: Es ist der erste Auschwitz-Prozess, der in der Stadt gerade vorbereitet wird. Eva, die noch nie etwas von diesem Ort gehört hat, folgt ihrem Gefühl und widersetzt sich ihrer Familie. Sie nimmt die Herausforderung an, ohne zu ahnen, dass dieser Jahrhundertprozess nicht nur das Land, sondern auch ihr eigenes Leben unwiderruflich verändern wird.  
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Bewertungen

Deutsches Haus wurde insgesamt 34 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,1 Sternen.

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Meinungen

  • Wäre die Autorin doch nur bei ihrem Hauptplot geblieben

    Squirrel

  • Schade die Autorin hat das Potential welche eine solche Geschichte anbietet viel zu wenig ausgeschöpft.

    serjena

  • Opulentes Familien- und Zeitpanorama aus der Zeit der ersten Auschwitz Prozesse Anfang der 60er Jahre.

    Mojoh

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Deutsches Haus

    Annette Hess - Deutsches Haus
    "Sie wollen, dass wir sie trösten."
    Annette Hess beschreibt in diesem Roman den Auschwitz-Prozess in Frankfurt von 1963 bis … und die Emanzipation der Protagonistin Eva Bruhns. In diesem Roman entsteht vor den Augen der Leser*innen ein Blick auf das Jahr 1963 und die damalige Sicht der Deutschen auf das Leben und die Vergangenheit.
    Eva Bruhns ist eine naive junge Frau aus bürgerlichem Milieu, die Eltern haben ein Gasthaus, das "Deutsche Haus", sie selbst ist Dolmetscherin, ihr Ein und Alles ist Jürgen, der Verlobte, den sie bald heiraten möchte und der in ihren Augen gern bestimmen kann, was Madame tun darf. Furchtbar!!!
    Durch einen Zufall wird sie zur Dolmetscherin für Polnisch für den beginnenden Auschwitz-Prozess. Durch das in diesem Prozess verhandelte Geschehen im Konzentrationslager Auschwitz und den Massenmord an den Juden durch die Nationalsozialisten, die schockierenden Berichte der überlebenden Zeitzeugen beginnt Eva sich zu verändern. Sie beginnt zu verstehen und nachzufragen. Und mehr und mehr geht es in diesem Buch um die Schuldfrage der Deutschen. Wie hat diese Vernichtung eines Volkes funktionieren können? Und auch um dieses immer wieder zu hörende "Davon habe ich nichts gewusst." geht es. Dabei sollte es eher klingen: "Davon habe ich nichts wissen wollen, weil ich Angst hatte." oder leider auch "Davon habe ich gewusst und ich finde es gut". Aber wer ist schon so ehrlich?!? Immer wieder kommt die Handlung des Romans auch auf den latenten Fremdenhass der Deutschen in den 60er Jahren, ein Fremdenhass, der auch in heutiger Zeit noch zu finden ist, der gerade auch mit dem Blick in die Geschichte sehr betroffen macht. Dieses Buch erzeugt einen tiefen Blick auf das Tun der Zeitzeugen und auch die Reaktion der Nachkommenden und macht sehr deutlich, dass wir dieses Geschehen nie vergessen dürfen und aufpassen müssen, dass ähnlich Denkende nicht polemisieren und immer mehr Publikum bekommen. Dies ist aus der Geschichte heraus unsere Pflicht!
    Die Schreibe der Frau Hess fand ich gut zu lesen und auch sehr interessant und recht bestechend durch eine sehr lebendige Art. Am Anfang erschien mir der Schreibstil etwas flau, genau wie der gezeichnete Hauptcharakter Eva. Mit der Veränderung der Rolle der Eva verändert sich auch der Schreibstil, wird flüssiger und flotter und das Buch bekommt einen fühlbaren Sog.
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  • Rezension zu Deutsches Haus

    Arrangement mit dem Vergessen
    In Frankfurt am Main finden um 1963 von den Menschen zunächst wenig beachtet die Vorbereitungen für den ersten Auschwitz-Prozess statt. Auch für Eva Bruhns, die in einer Agentur als Dolmetscherin für Polnisch angestellt ist, hat dies keine Bedeutung, bis sie überraschend gebeten wird, bei der Staatsanwaltschaft die Aussage eines Mannes zu übersetzen. Während der eindringlichen Schilderung des Zeugen erfährt sie Unglaubliches, ja Unfassbares über Ereignisse im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz.
    Hat es dieses absurde und monströse Geschehen, dass Gefangene in dem Lager vergast wurden, tatsächlich gegeben? Durch die Beschreibungen sensibilisiert, entwickelt Eva eine besondere Nähe, so dass sie sich als Ersatz für den ausgefallenen Übersetzer im Prozess zur Verfügung stellt.
    Die unbedarfte junge Frau stammt aus gutbürgerlichem Haus und lebt mit ihrer älteren Schwester Annegret, einer auf der Neugeborenenstation tätigen Krankenschwester, und ihrem jüngeren Bruder Stefan noch bei ihren Eltern. Ludwig und Edith Bruhns betreiben das beliebte Lokal „Deutsches“ Haus“, in dem sie gutbürgerliche Küche auf den Tisch bringen. Der Vater kocht mit Leidenschaft, die Mutter bedient die Gäste.
    Als ihre Eltern von Evas Vorhaben erfahren, reagieren sie mit Ablehnung. Von ihrer Mutter Edith bekommt Eva zu hören: „Lass die Vergangenheit Vergangenheit sein, Eva. Das ist das Beste, glaub mir." (Seite 67) Für ihre Schwester ist unbegreiflich, auf was sie sich da einlassen will. Der Krieg liegt doch in weiter Ferne. Und so schlimm es auch gewesen sei, über das damalige Geschehen sei am besten der Mantel des Schweigens gezogen.
    Selbst ihr Verlobter Jürgen, dessen Vater einen erfolgreichen Versandhandel betreibt, ist vehement gegen Evas Vorhaben. Obwohl gerade auch Jürgens Vater als Kommunist von den Nazis verfolgt und eingekerkert wurde, vermeidet Jürgen den Rückblick in die Vergangenheit. Außerdem hat nach seiner Ansicht Eva als seine zukünftige Frau seinen Wünschen zu gehorchen, so dass er sie vor die Wahl stellt, entweder am Prozess teilzunehmen, oder die Beziehung zu beenden.
    Wenngleich Eva Gefahr läuft, die gute Partie, die sie mit Jürgen gemacht hat, zu verlieren, und sie sich nicht für willensstark und selbstsicher hält, regt sich in ihr ungeahnter Widerstand, sich dem gängigen Rollenbild von der gehorsamen (Ehe)Frau nicht zu fügen.
    Und so beeinflusst der Verlauf des Verfahrens nicht nur Eva und ihre Sicht auf das Leben. Während die Aussagen der Opfer und das damit verbundene Leid sich in Eva Kopf einbrennen, empört sie die augenfällige Uneinsichtigkeit, ja maßlose Überheblichkeit die Angeklagten, keinerlei Schuld zu tragen.
    Infolge des Prozesses verschlechtert sich nicht nur die Beziehung zu Jürgen, sondern auch ihre Eltern reagieren immer noch mit Ignoranz und Unverständnis. Eva kommt der ungeheuerliche Verdacht, dass sie etwas vor ihr verbergen. Und sie entdeckt, dass sich in ihrer eigenen Familie Abgründe auftun...
    Mit „Deutsches Haus“ hat die Drehbuchautorin Annette Hess ihren ersten Roman geschrieben, mit dem sie einen Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit leistet.
    Im Grundgerüst ist ihre Geschichte gut erzählt und wirkt in ihrem dramaturgischen und mit Wendungen versehenen Gesamtbild filmisch prägnant in Szene gesetzt. Besonders die Darstellung der Welt im Kleinen, des Alltags einer einfachen bürgerlichen Familie und die Beschreibung des damaligen Frauenbildes sowie des Loslösens aus einer vorgezeichneten Rolle gelingen der Autorin. Ebenso belegt die Schilderung der Ereignisse im Gerichtssaal des ersten Auschwitz-Prozesses eine aufwändige Recherche und erzeugt beim Lesen einen nachhaltigen Klang. Dabei gibt es Schicksale, die einem nahe gehen, beispielsweise das des jüdischen Ungarn Otto Cohn, der als Zeuge vor Gericht aussagt. Auch die Begegnungen in Auschwitz sind voller Kraft und Berührung.
    Leider erschließt sich der Hintergrund des von Annette Hess gewählten Handlungsstrangs bezüglich Evas Schwester Annegret nicht in Gänze. Zudem wird der Lesefluss durch einige unbeholfene Unebenheiten in sprachlichen Ausarbeitung gehemmt.
    Während Eva Bruhns mit einer glaubwürdigen Charakterisierung die Lesersympathie gewinnt, entwickeln sich bei anderen Protagonisten zum Teil gemischte, zweifelnde Empfindungen. Besonders David, der Rechtsreferendar, der unter einer eingebildeten Opferrolle leidet, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Daneben ist Jürgen, Evas kleingeistiger Verlobter, ebenfalls nicht wirklich greifbar, und seine Intention bleibt blass.
    Bedeutend hingegen ist die Auseinandersetzung der Autorin mit der zwanzig Jahre nach Beendigung des Krieges weiterhin vorhandenen Einstellung der Deutschen, sich nicht mehr mit der eigenen Vergangenheit beschäftigen zu wollen, das Geschehene zu verdrängen und damit ihre Kinder im Ungewissen zu lassen. Vor allem die Beschäftigung mit der Frage, ob die Behauptung, keine Wahl gehabt zu haben, nicht einfach nur Schönfärberei des eigenen Gewissens gewesen ist, ist nach so langer Zeit immer noch wichtig...
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  • Rezension zu Deutsches Haus

    Hätte sich die Autorin doch nur auf ihre Hauptgeschichte konzentriert, dann hätte es ein gutes Buch werden können. Aber sie verliert sich leider in so vielen Nebengeschichten und packt so viel Dramatik und noch mehr und ebenso schwierige Themen in dieses Buch hinein, dass für mich der Schuss ganz klar nach hinten losging. Die zentrale Geschichte - Fritz Bauers Auschwitz-Prozess mit all seinen Schwierigkeiten, dem Gegenwind den er erhielt, und die Begegnung einer jungen Frau mit der deutschen Geschichte, die auch Teil ihrer Familiengeschichte ist - hätte völlig ausgereicht für Dramatik und Spannung und die Autorin hätte die Chance gehabt, diesem Thema gerecht zu werden. So aber überfrachtet sie die Geschichte völlig unnötig, überzeichnet und überfrachtet die Protagonisten teilweise extrem und ich dachte mehr als einmal "was kommt denn jetzt noch hinein?". Hier wäre weniger eindeutig besser gewesen.
    Die Arbeit der Autorin in der Filmbranche merkt man dem Roman auch eindeutig an, da wird oft viel zu viel beschrieben, was für die Handlung völlig überflüssig ist. Aber das ist nur ein kleiner Effekt am Rande, der zwar auffällt, mich aber jetzt nicht sehr gestört hat. Man merkt es halt. Was mich sehr gestört hat sind die verwendeten Klischees und deren ständige Wiederholung. Es reicht völlig aus, wenn man den Hauptangeklagten einmal als "das alte Schimpansengesicht" bezeichnet. Das ist an sich schon völlig überflüssig. Aber das sowie andere "Bilder" zur Beschreibung von Personen dann auch noch ständig zu wiederholen ist mehr als überflüssig und spricht weder für die Geschichte noch für die Autorin. Ansonsten lässt sich die Geschichte leicht lesen, vielleicht manchmal zu leicht für dieses Thema. Über den ebenso klischeehaften Schluss verliere ich jetzt lieber kein Wort mehr....
    Für die richtige Geschichte zur passenden Zeit (auch wenn die Filmbranche schneller war und damit klar ist, woher die Autorin die Idee hatte) gebe ich gerne 5 Sterne. Für die Ausführung dagegen kann ich nur ganz runter gehen, weshalb ich dem Buch insgesamt nur geben kann. Sehr schade
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  • Rezension zu Deutsches Haus

    GEGEN DAS VERGESSEN
    »Dieser Roman kommt genau zur richtigen Zeit.« Iris Berben
    Die vielfach ausgezeichnete Annette Hess legt mit „Deutsches Haus“ ihren ersten Roman vor, der am 21.09.2018 im Ullstein-Verlag erschien. Sie ist vornehmlich als Drehbuchautorin tätig. Sehr erfolgreich liefen die Serien "Weissensee", "Ku'damm 56" und Ku`damm 59“ im Fernsehen, in denen Nachkriegsdeutschland schon das Thema war. Im Roman "Deutsches Haus" widmet sich die Autorin der westdeutschen Vergangenheitsbewältigung.
    Die überwiegende Handlung spielt in Frankfurt im Jahr 1963. Der erste Auschwitz-Prozess wird vorbereitet. Durch einen Zufall kommt die junge Eva Bruhns, eine gelernte Dolmetscherin, Übersetzerin für die polnische Sprache, zu der verantwortungsvollen Aufgabe, Zeugenaussagen zu übersetzen. Ihren Eltern, Inhaber einer Speisegaststätte, und ihrem Verlobten ist das gar nicht recht. Doch sie widersetzt sich und bringt damit ihre Zukunft mit dem reichen Versandhausbesitzer Jürgen Schoormann ins Wanken. Je tiefer Eva in die Materie der Gerichtsverhandlungen eindringt, je mehr sie von den Gräueltaten der Angeklagten erfährt, umso mehr nimmt sie wahr, wie sie sich an lange zurückliegende Ereignisse erinnert, an ihre frühe Kindheit...
    In vier Teilen ohne Kapiteleinteilung, aber mit deutlich abgegrenzten Leseabschnitten wird anschaulich und detailreich das Leben in der Bundesrepublik in den 60ern erzählt. Es wird hinter die Fassaden der anscheinend so heilen, intakten Welt geschaut. Es ist die Zeit des Wirtschaftsaufschwungs und 18 Jahre nach dem Ende des Krieges wollen viele nichts mehr von der Zeit vor 45 wissen. Eva, die durch ihren Geburtsjahrgang (1939) eigentlich gar nichts wissen kann, bekommt von einem jungen Mann (David Miller), der für die Staatsanwaltschaft in dem Auschwitzprozess arbeitet, ihr „Fett“ weg.
    „Ihr seid alle so ignorant...Für euch kamen ´33 die kleinen braunen Männchen in einem Raumschiff und landeten in Deutschland,...´45 haben sie sich dann wieder verzogen, nachdem sie euch armen Deutschen diesen Faschismus aufgezwungen hatten.“ [S. 33]
    „Sie sind eins von diesen Millionen dummen Fräuleins.“ [S. 34]
    Mich beeindruckt bei dem Roman die Authenzität, die Emotionalität. Es gibt viele erschreckende Momente, die mich tief erschüttert haben. Hier bemerkte ich deutlich das Handwerkszeug der Drehbuchautorin. Die Bilder stellten sich wie von selbst ein.
    Annette Hess ist es hervorragend gelungen, in ihrer sorgsam eindringlichen, detailgetreuen Darstellung der Ereignisse im Gerichtsprozeß, im Umgang mit den Angeklagten und Zeugen, in den Lebensumständen der Familien Bruhns und Schoormann, die Brisanz darzustellen. Die Älteren schleppen ihre schlimmen Erinnerungen mit sich, die einerseits verdrängt (die Eltern Bruhns) und anderseits als Teil des Krankheitsbildes (Walter Schoormann) immer wieder gegenwärtig werden.
    Das Buch besticht durch seine lebendige Erzählung. Die Ausdrucksweise und Lebensart ist originalgetreu wie in den 60ern. Mit „Evas Ungehorsam“ wird auch die Rolle der Frau in dieser Zeit thematisiert. Die Sprache der Autorin empfand ich oft als bildhaft und ausdrucksstark („Der Hellblonde“, „Die Bestie“, „Schimpansengesicht“). Vielleicht hätte es die Figur der Kinderkrankenschwester Annegret (die ältere Schwester Evas) nicht unbedingt bedurft. Dieser Charakter ist sehr problembeladen und verdichtet nochmals das ohnehin sehr emotional packende Thema der Massenvernichtung von Menschen. Ja, und was aus David Miller geworden ist, hätte ich gern noch erfahren! Sein Schicksal bleibt ungeklärt.
    „Deutsches Haus“ empfinde ich als gelungenes Romandebüt. Es ist ein Buch, das die Fragen der persönlichen und der kollektiven Schuld thematisiert. Ein Buch gegen die Verdrängung, gegen das Vergessen der größten Massenmorde in der Geschichte der Menschheit. Ein Buch gegen die Vorspiegelung falscher Tatsachen.
    Von mir gibt es fünf von fünf Sternen und eine bedingungslose Kauf-/Leseempfehlung.
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  • Rezension zu Deutsches Haus

    Ein Stück Zeitgeschichte
    Deutsches Haus, Roman von Annette Hess, 368 Seiten, erschienen im Ullstein-Verlag.
    Die junge Dolmetscherin Eva erlebt beim ersten Auschwitz-Prozess 1963 in Frankfurt, wie die Gräuel der Nazi-Zeit ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden.
    Eva Bruhns wird als Dolmetscherin zu einem Auftrag in das Büro des Generalstaatsanwalts gerufen. Eigentlich übersetzt Eva üblicherweise Wirtschaftstexte aus dem Polnischen. Obwohl sie am Anfang Schwierigkeiten hat, wird sie als Dolmetscherin zum ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt hinzugezogen. Trotzdem ihr Verlobter und ihre Eltern dagegen sind nimmt Eva diese Herausforderung an. Durch das im Prozess erlangte Wissen, verändert sich Evas Bewusstsein und sie bekommt eine Ahnung vom Umfang der Verbrechen. Und sie erkennt, dass ihre Eltern etwas verbergen.
    Das Buch gliedert sich in 4 Teile, zwar ohne Kapiteleinteilung aber dennoch in überschaubare Leseabschnitte aufgeteilt. Schlagfertige Dialoge und ein Gebet in hebräischer Schrift lockern die Lektüre auf, machten das Gelesene lebendig. Die Zeugenaussagen im Buch sind aus den Protokollen der Ausschwitz-Prozesse übernommen worden. Die Geschichte flüssig zu erzählen ist der Autorin sehr gut gelungen, da sie als Stilmittel die auktoriale Erzählweise wählt, dadurch kann sich der Leser stets der Sichtweise der einzelnen Charaktere bewusst werden, sie hat es ausgezeichnet geschafft in ihrem Buch Fakten und Fiktion zu verweben. Die Handlung ist flüssig und logisch aufgebaut. Eines kommt zum anderen, nichts wirkt gesucht oder konstruiert, die Botschaft ist tiefgründig und berührt die Seele. Dieses emotionale Buch hatte ich schnell gelesen und ich fühlte mich niveauvoll unterhalten, gut gemacht. Da es sich hier nicht unbedingt um leichte Kost handelt, musste ich das Buch einige Male erschüttert aus der Hand legen. Annette Hess ist bekannt als Drehbuchautorin durch ihre Erfolgsserien Weißensee und Ku‘damm 56 und 59. Auch als Romanautorin konnte sie mich mit vorliegendem Werk überzeugen.
    Meine Lieblingsfigur natürlich die Protagonistin Eva, sie machte in dieser Geschichte die größte Charakterveränderung durch. Ihre Entwicklung vom ahnungslosen Mädchen zur selbstbestimmten Frau, hat mir gut gefallen. Wie sie sich von der Bevormundung ihrer Eltern und ihrem Verlobten gelöst hat und ihren eigenen Weg ging, fordert mir unbedingten Respekt ab. Eine unangenehme Person fand ich ihre Schwester Annegret, die vermutlich unter dem erweiterten Münchhausen-Syndrom leidet, dass für sie in der Geschichte ein versöhnliches Ende herausspringt hat sie überhaupt nicht verdient. Ihr Verhalten zeigt m.E., dass die Erlebnisse in der Kindheit, die sie als die Ältere wohl bewusster wahrgenommen hat, sicher nicht spurlos an ihr vorüber gegangen sind. Die Eltern, renommierte Wirtsleute, die das „Deutsche Haus“ führen, handeln aus meiner Sicht, vermutlich aus Verdrängung oder Scham. Z.B. auf S. 39 sagt die Mutter: „ Das ist alles schlimm, was da war. Im Krieg. Aber man möchte das doch gar nicht mehr wissen. Dabei spiegelt sich auch der „Zeitgeist“, denn ein Zeitungsartikel aus dieser Zeit lautete: 70 Prozent der Deutschen wollen den Prozess nicht! (S.65). Die furchtbare Kriegszeit und die schlechte Zeit danach ist vorbei, das Wirtschaftswunder ist in vollem Gange. Mir hat auch sehr gut gefallen, wie die Autorin das Familienleben in den frühen 60igerJahren eingefangen hat. Gänsebraten, Frankfurter Kranz und Radioprogramm am Sonntagnachmittag 1963, der junge Mann, der seinen Antrittsbesuch bei den zukünftigen Schwiegereltern absolviert, die deutsche Gemütlichkeit dieser Zeit. Leider aber auch die Abhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern damals. Sogar ein Verlobter konnte seiner Braut verbieten zu arbeiten, das kann man sich heutzutage kaum mehr vorstellen. Jürgen Schoormann, Evas Zukünftiger, Sohn eines Unternehmers, war für mich auch nicht unbedingt ganz normal. Er wollte eine Frau die wie ein Hündchen gehorcht. Da kann ich gut nachvollziehen, dass Eva ihn zwar liebt, ihn aber nicht versteht. Mich hätte auch noch interessiert was aus David Miller geworden ist.
    Ich kann Iris Berben nur zustimmen: „Dieser Roman kommt genau zur richtigen Zeit.“
    Ich finde es ist wichtig, dass dieses Buch viele Leser findet und möchte eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen. Natürlich auch volle Punktzahl 5 Sterne.
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  • Rezension zu Deutsches Haus

    Opulentes Zeitpanorama der ersten Ausschwitzprozesse
    Wir befinden uns im Jahr 1963 in Frankfurt am Main. Es ist eine Zeit, in der das Wirtschaftswunder die Gesellschaft bestimmt. Der Krieg ist seit fast 20 Jahren vorbei, es wird vermieden darüber zu sprechen und Fragen werden erst recht keine gestellt. Getreu dem Motto: Worüber wir nicht sprechen ist auch nicht so geschehen.
    Die 24jährige Dolmetscherin für Polnisch Eva, Tochter der Wirtsleute Bruhns, Inhaber der Gaststätte Deutsches Haus, rutscht durch Zufall in die Kreise der unmittelbaren Vorbereitungen des ersten Auschwitzprozesses. In diesem stehen 22 Angeklagte aufgrund der verschiedensten Posten, die sie im Vernichtungslager Auschwitz innehatten im sogenannten „ersten Ausschwitzprozess“ vor Gericht.
    Nach und nach entblättert sich vor der Protagonistin ein Gebilde von unvorstellbarem Grauen, jedes Blatt des Wegschauens und Verschweigens, des Leugnens, der Scham einerseits und der schmerzvollen Erinnerung andererseits die entfernt werden um die Vergangenheit zu enthüllen machen Eva zu schaffen. Zu Wort kommen Zeugen, Opfer wie Täter, Mitläufer und Wegschauer, sie alle tragen im Laufe der Zeit zur eindrucksvollen Entwicklung der Hauptperson bei. Aber nicht nur der im Vordergrund stehende Prozess spielt eine Rolle, auch andere Entwicklungsaufgaben der Zeit werden angerissen: Das klassische Familienbild bekommt erste Risse durch zarte Selbstbehauptungsversuche von Eva gegenüber ihrem Verlobten Jürgen. In der gleichen Konstellation wird eine Klassenhierarchie zwischen dem Sohn aus reichem Hause und der bürgerlichen Tochter der Wirtsleute am Rande behandelt. Der Antisemitismus, der sich unter anderem jetzt neue Opfer in den Reihen erster Gastarbeiter sucht, Opfer, die zu Tätern werden, Rollenerwartungen und deren psychischen Folgen für die, die sie nicht erfüllen am Beispiel von Annegret, Evas älterer Schwester – all das kommt zur Sprache und wird leicht, nebeher und am Rande behandelt.
    Das wäre auch mein einziger Kritikpunkt am Romandebut der Autorin, eventuell hat sie sich zu viel vorgenommen, um alles differenziert und mit der gebotenen Tiefe zu behandeln. Die Intention ist klar: Sie versuchte ein Panorama der Zeit zu entwerfen und alle gegebenen Problemfelder zu bespielen. Ganz leicht merkt man, dass sie aus der Drehbuchsparte kommt, in der sie unter anderem für genau diese Serien wie Weißensee und Kuhdamm 56/59 verantwortlich zeichnet. In Schriftform hätte sie eventuell einige Seiten mehr benötigt, um ein ähnliches Ergebnis zu erzielen.
    Andererseits hat sie ihre Erzählform in der Regel sehr dicht an Eva gewählt, was mir ausgesprochen gut gefallen hat. Obwohl manche Dinge schon früh zu ahnen waren, hat sie immer wieder kleine Twists eingefügt, die mich überrascht haben. Und durch die Kürze des Buches wurde es an keiner Stelle langweilig oder langatmig.
    Insgesamt vergebe ich gute 4 Sterne, ich hatte ein solches Buch erwartet, nachdenklich machend, in einem hohen Tempo erzählt. Ein aufrüttelnder Apell gegen das Vergessen und gleichzeitig eine die schwierige Frage der moralischen Verantwortung stellend. Die Autorin malt nicht nur schwarz und weiß sondern gerade durch die Vielfalt der gewählten Farben fällt es dem Leser nicht einfach, zu einem eindeutigen Urteil über das handelnde Personal zu kommen.
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Ausgaben von Deutsches Haus

Hardcover

Seitenzahl: 368

Taschenbuch

Seitenzahl: 368

E-Book

Seitenzahl: 369

Hörbuch

Laufzeit: 00:08:55h

Besitzer des Buches 57

Update: