Er starb mit offenen Augen

Buch von Derek Raymond

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Er starb mit offenen Augen

Im London der 1980er ermittelt der namenlose Detective Sergeant des A14 – Letzteres besser bekannt als »die Factory« – im Mordfall eines erfolglosen Schriftstellers und nimmt dabei weder Rücksicht auf Vorgesetzte noch auf sein Privatleben. Er kriecht förmlich in den Kopf seines Opfers, spürt dessen Exfrauen, Kollegen, Zechkumpane und ehemalige Feinde in tristen Pubs und Mietskasernen auf – so in Acacia Circus, einem Block, der von arbeitslosen Skinheads und Schwarzen bevölkert wird. Voller Idealismus und die Forderung nach Gerechtigkeit verinnerlicht, begibt sich der namenlose Detective Sergeant selbst in allergrößte Gefahr … Mit seinen existentiellen, im England der Thatcher Ära angesiedelten Factory-Romanen schuf Derek Raymond faszinierende Noir-Hybride, die zunächst wie gewöhnliche Polizei-Romane daherkommen, um dann die Form zu wechseln und die Leiden der Opfer und das Leben selbst in den Mittelpunkt zu stellen.
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Serieninfos zu Er starb mit offenen Augen

Er starb mit offenen Augen ist der 1. Band der Factory Reihe. Diese umfasst 5 Teile und startete im Jahr 1984. Der letzte bzw. neueste Teil der Serie stammt aus dem Jahr 1993.

Bewertungen

Er starb mit offenen Augen wurde insgesamt 4 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,6 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Er starb mit offenen Augen

    Der Autor (anhand Wikipedia und dem Nachwort von Thomas Wörtche): Hinter dem Pseudonym Derek Raymond verbirgt sich der britische Schriftsteller Robin William Arthur Cook, bekannt vor allem als Autor von Noir-Romanen und ein Säulenheiliger des British Noir. Sein literarischer Stil und seine schwarzen Visionen einer Gesellschaft im Verfall lassen Zuordnungsversuche zur gängigen Kriminalliteratur zwangsläufig problematisch werden. Am meisten bekannt ist er für seine fünf FACTORY-Romane, dessen vierter „Ich war Dora Suarez“ unter anderem 1991 den Deutschen Krimi-Preis erhielt.
    Der 1931 in London als ältester Sohn eines reichen Textilunternehmers geborene Schriftsteller besuchte ab 1944 die Eliteschule Eton. Weil er feststellte, dort nichts von wirklichem Interesse lernen zu können, brach er mit 17 Jahren die Schule ab, und trieb sich in London unter Gangstern, Huren und Spielern herum. In den 1950er-Jahren ging er nach zwei Jahren beim Militär auf Wanderschaft rund um die Welt: Für vier Jahre ins Spanien der Franco-Zeit, wo er auch im Gefängnis saß, aber nicht wegen seinem Umgang mit gestohlenen Ölgemälden, sondern weil er in einer Bar über den spanischen Diktator herzog. 1960 kehrte er nach England zurück und veröffentlichte zwei Jahre später mit „The Crust on its Uppers“ einen Roman über die Londoner Unterwelt. Dort arbeitete er unter anderem auch als Glücksspielveranstalter, Pornoproduzent und als Journalist für den Londoner „Standard“, für den er 1961 auch als Berichterstatter aus dem Algerien-Krieg diente. Er lebte außerdem sechs Jahre in einer anarchistischen Kommune in Italien als Wein- und Ölbauer, ging ein Jahr in die USA, wo er als Kellner und Herausgeber einer spanischsprachigen Zeitschrift arbeitete, für zwei Jahre nach Paris, wo er im „Beat Hotel“ in der Nachbarschaft von William S. Burroughs und Allen Ginsberg lebte, eineinhalb Jahre nach Tanger, wieder zwei Jahre nach London als Taxifahrer der Nachtschicht und zwei Monate auf Einladung der Regierung nach Russland, bevor er sich schließlich in den 1970er-Jahren für fast zwei Jahrzehnte in Frankreich niederließ, wo er seinen Lebensunterhalt als Arbeiter in einem Weinberg im Massif Centrale und als Autor von französischsprachigen Romanen verdiente. Den literarischen Durchbruch schaffte Derek Raymond in den 1980er-Jahren mit seiner FACTORY-Reihe um einen namenlosen Sergeant der Abteilung A14 der Londoner Polizei, genannt die FACTORY. Derek Raymond war fünfmal verheiratet und geschieden und starb als Vater zweier Kinder im Juli 1994 in London an Krebs.
    Werke: The Crust on its Uppers (1962 als Robin Cook), Bombe Surprise (1963 als Robin Cook),The Legacy of the Stiff Upper Lip (1966 als Robin Cook), Public Parts and Private Places (1967 als Robin Cook), A State of Denmark (1970 als Robin Cook), The Tenants of Dirt Street (1971 als Robin Cook), Le Soleil Qui S'Eteint (1983 als Robin Cook), He Died with His Eyes Open (1984, dt. Er starb mit offenen Augen), The Devil's Home on Leave (1985, dt. Der Teufel hat Heimaturlaub), How the Dead Live (1986 dt. Wie die Toten leben), Cauchemar Dans La Rue (1988 als Robin Cook, dt. Alptraum in den Straßen), I Was Dora Suarez (1990, dt. Ich war Dora Suarez), The Hidden Files (1992, dt. Die verdeckten Dateien), Dead Man Upright (1993, dt. Profil eines Serienmörders [als Robin Cook]), Not Till the Red Fog Rises (1994, dt. Roter Nebel).
    Inhalt (Klappentext): Der namenlose Sergeant arbeitet für die „Fabrik“, die schäbigste Abteilung im großen Scotland Yard, bei der nur die dubiosen Fälle landen: ungeklärte Todesfälle, für die sich sonst niemand interessiert. Bei seinem ersten Auftreten muss er den Mord an einem erfolglosen Schriftsteller untersuchen. Doch im Verlaufe seiner Nachforschungen gerät er immer mehr in den Bann des Toten – bis er so weit ist, dass auch ihm dessen Schicksal droht ...
    Erster Band der FACTORY-Reihe, die in den Achtzigern das Polizeigenre revolutionierte. Diese Reihe ist mit das Düsterste, was man im Krimibereich lesen kann. Derek Raymonds Welt ist ein hoffnungs- und mitleidloser Ort, bevölkert von Unglücklichen, von teilnahmslosen Psychopathen, Schlägern und Schwächlingen, Günstlingen und Egoisten. Es sind Romane voller geschliffener Dialoge und absolut lebensechter Figuren. Raymonds eigene Erfahrungen mit der Halbwelt befeuern seinen authentischen, schonungslosen Blick, den er auf die Schattenseite der Großstädte und die Niedertracht der Menschen wirft.
    Die englische Originalausgabe "He Died with His Eyes Open" erschien 1984, in deutscher Übersetzung von Jörn Ingwersen als "Er starb mit offenen Augen" 1989 als Bastei-Lübbe-Taschenbuch mit einem Nachwort von Thomas Wörtche, aber mit äußerst unpassendem Coverfoto (es erinnert zu sehr an einen melodramatischen Horrorfilm der legendären englischen Produktionsgesellschaft "Hammer Films").
    Die Leiche eines 50- bis 60-jährigen Mannes mit Trinkernase und schütterem Haar wird gefunden, für dessen Verbleib sich offensichtlich niemand interessiert. Dennoch legen es seine sterblichen Überreste nahe, dass ihn jemand sehr gehasst haben muss, wurden doch Arme, Beine, Kniescheiben, Rippen und Finger mehrmals gebrochen, ein Auge mit Schlägen gefoltert, der Körper mit Fußtritten traktiert und mit Messer geschnitten und beworfen, bevor ihm irgendwann ein gnädiger Schlag von der Schwere eines Maurerhammer den Schädel brach.
    Der Tote stellt sich als der erfolglose Schriftsteller Charles Staniland heraus, in dessen Wohnung die Polizei einen ungeordneten Haufen bespielter Audiokassetten findet, auf denen er tagebuchartig seine Eindrücke, Gedanken und Erlebnisse festhielt. Wie der namenlose Detective Sergeant, der im Gegensatz zu der Mehrheit seiner Kollegen nur an Gerechtigkeit und nicht am eigenen Vorankommen interessiert ist, das Schicksal dieses zu Tode geprügelten armen Sünders anhand dieses Tonbandtagebuchs rekonstruiert, ist wirklich oft nur schwer zu ertragen. Wo der Sergeant auch auftaucht, legt er die verrotteten Seiten der britischen Gesellschaft bloß. Bezahlen wird er das mit dem Frieden seiner Seele. Die Empathie der Hauptfigur mit dem Toten bringt ihn schon in diesem ersten Roman der Reihe an den Rand des eigenen Untergangs, lässt er sich doch in selbstvergessen sträflicher Weise mit den gleichen asozialen Kräften ein, die Staniland das Leben kosteten.
    Wie kann es sein, dass ein Leben so den Bach runtergeht? Dass ein Mensch, einst ein liebes kleines Kind und mit guten Vorsätzen ins Leben gestartet, offensichtlich allen seinen Mitmenschen nur aufgrund seines persönlichen Wesens auf die Nerven geht? Wie kann jemand so freundlich und mitfühlend sein, dass ihn seine Umwelt vernichtet sehen will? Verletzt, schikaniert, ausradiert, aus dem Leben gemobbt?
    Im Verlauf seiner Ermittlungen stößt der Detective Sergeant auf eine Exfrau, mit der Staniland in der Rückschau vergleichsweise schöne Jahre in Frankreich verbrachte – dass sie ihn mit ihrer gemeinsamen Tochter einst verlassen hat, bedauert sie inzwischen einigermaßen -, auf den eigennützigen, feigen Bruder des Ermordeten und dessen geldgierige Frau, die Staniland überheblich jede Hilfe versagt und um Geld geprellt haben, seinen ebenfalls geldgierigen und drogensüchtigen Stiefsohn, der die Freigiebigkeit und Hilfsbereitschaft Stanilands schamlos ausnutzte und keine Skrupel kannte, seinen Stiefvater in die Hände des Bösen zu treiben, und schließlich auf Barbara, die letzte Frau, mit der Staniland zusammen gewesen ist, beide verbunden in einer Art Hassliebe, wobei er sie vielleicht geliebt, aber sie ihn eigentlich nur verachtet hat für seine Unterwürfigkeit, seine intellektuelle Nachdenklichkeit, für seine Gefühle und Gedanken, die er oft ungefragt mit anderen teilen musste. Dieser mitteilsame Gefühlsmensch, als Versager und Schwätzer belächelt von den brutalen Trinkern und Frauenhassern in den Kaschemmen, in denen er seiner Alkoholsucht nachkam, erniedrigt von seiner Frau, die ihn vor aller Augen schließlich mit einem widerlichen Schläger betrügen wird. Keiner kann verstehen, dass er sie nicht verlässt, dass er immer wieder zurückkehrt in die Trinkergemeinschaft, in der er im Grunde nur belächelt, niemals akzeptiert wird. So als könne er, der ständige Außenseiter, einfach nicht glauben, dass Menschen grundlos so niederträchtig sein können. Sein eigenes bespucktes Leben als Beweis für die Bösartigkeit des Menschen, der Sündenbock, der seine Umgebung so lange irritiert, bis sie zum Schlag ausholt. Mit offenen Augen in den Untergang.
    Bei aller psychotischer Überdrehtheit der Bösewichte sind es eben nicht originelle Einzeltäter oder kriminelle Sonderfälle, die diesen Roman bevölkern, die quasi nur überführt werden müssen, auf dass die Gesellschaft, nun wo das Böse ausgemerzt ist, wieder ihren geordneten Gang gehen könne und die Leserspießer wieder ruhig schlafen, mit einem leichten Gruseln im Bauch und selbstgefälligem Schmunzeln, was es nicht doch für schreckliche Dinge gibt auf der Welt. Die Handlungen der Täter und des Opfers sind keine gewitzten Unikate oder Ausrutscher, sondern haben ihren Urgrund in der Abgestumpftheit, Asozialität und Gewaltbereitschaft der Gesellschaft. Jede Hoffnung, dass die Ermittlung der Täter und des Tathergangs Linderung böte, dass nach einem gütlichen Abschluss des Falles alles wieder so werden würde wie zuvor, bevor das Böse wie ein Blitz herniederging und wieder verschwand, dass dann Verständnis herrsche und die Menschen aus den bösen Taten etwas gelernt hätten, kann man getrost fahrenlassen. Es gibt keine Gnade und keine Besserung, höchstens unversöhnliche Gerechtigkeit für jeden einzelnen Toten: Kein Toter ist irrelevant! Und Gerechtigkeit, nicht für die Gesellschaft, sondern nur für den letzten Menschen, der noch des Mitleids und der Anteilnahme fähig ist.
    Dieser Roman ist ein Schock, obszön, unversöhnlich und menschlich berührend, das absolute Gegenteil jedes britischen Häkelkrimis. Luft abschnürend. Ein düsteres Spiegelbild der verkommenen britischen Gesellschaft aus der Zeit des Thatcherismus. Und, ja, weit darüberhinaus. Ein Tritt ins Gesicht des guten Geschmacks, elegant und mit hehren Absichten ausgeführt.
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Ausgaben von Er starb mit offenen Augen

Taschenbuch

Seitenzahl: 270

E-Book

Seitenzahl: 228

Er starb mit offenen Augen in anderen Sprachen

  • Deutsch: Er starb mit offenen Augen (Details)
  • Englisch: He Died with His Eyes Open (Details)

Besitzer des Buches 4

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