Theodora Bauer - Chikago

  • Der Verlag über das Buch
    Drei Auswanderer im Chicago der zwanziger Jahre und ihr Streben nach dem persönlichen Glück.
    Feri und Katica leben Anfang der 1920-er Jahre in einem Gebiet des Aufruhrs und des Umbruchs und vor allem der Armut: an der noch jungen ungarisch-österreichischen Grenze. Die große Hoffnung heißt "Amerika", vor allem für Feri, der die schwangere Katica mitnehmen will. Ein Unglück und das beherzte Eingreifen von Katicas Schwester Anica lassen die Auswandererpläne zur Flucht werden, nun sind sie zu dritt. Doch das Leben in Amerika ist nicht so gut zu den drei Auswanderern wie erhofft: Katica stirbt bei der Geburt ihres Kindes, Feri wird zum Säufer und Tagedieb, und bald muss Anica die Verantwortung für den kleinen Josip übernehmen ...
    Theodora Bauer verleiht ihren Protagonisten Seele, ihrer Geschichte Realismus, ihrem Schicksal Tragik und Schönheit: Ein großer Roman über die Sehnsucht nach einem besseren Leben.


    Der Verlag über die Autorin
    Theodora Bauer, geboren 1990 in Wien, lebt im Burgenland, studiert Publizistik und Philosophie in Wien.
    Publikationen in Anthologien sowie im Radio.
    Außerdem Essays, z. B. "Cosi fanno i filosofi" (über zwei der bekanntesten Mozart-Opern) sowie Theaterstücke, z. B. das preisgekrönte "papier.waren.pospischil" (Verlag Schultz & Schirm).
    Im Picus Verlag erschien 2014 ihr erster Roman "Das Fell der Tante Meri", 2017 folgte "Chikago".


    Wie es mir gefallen hat
    Von der ersten Seite an konnte ich mich in die Geschichte, die die Autorin zu erzählen hat, sehr gut hineinfühlen, vor allem war es die ungewöhnliche Sprache, ein Stil mit Wiedererkennungswert, der mich sogleich in seinen Bann gezogen hat.
    Der Roman erstreckt sich von 1921 bis 1937, beginnt im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet, führt "ins" Amerika und endet wieder an seinem Ausgangsort unter ganz anderen Vorzeichen. Der gut aussehende, schüchterne Feri hat einen großen Traum, fort aus der Enge seiner Heimat, in der es auch nach Kriegsende nichts gibt außer Armut und Hoffnungslosigkeit. Ausgerechnet auf ihn hat die hübsche Katica ein Auge geworfen, deren Verführungskünsten er nicht widerstehen kann. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse, und plötzlich ist Feri tatsächlich in Amerika, aber nicht alleine, sondern mit seiner schwangeren Braut und deren Schwester Anica. Im "gelobten Land" ist jedoch alles ganz anders, als es sich der junge Mann vorgestellt hat. Großartig versteht die Autorin das Scheitern Feris in der Fremde darzustellen; seine Enttäuschung über das Ausbleiben des großen Glücks wie des großen Geldes treibt ihn schließlich in eine schwere Depression und dem Untergang entgegen.
    Eine relativ blasse Figur bleibt Katica, während mir ihre vermeintliche Schwester Ana schon in der Heimat sehr gut gefallen hat. Ihre Gedanken über das Ziehen der neuen Grenzen nach dem Untergang der Donaumonarchie fand ich sehr originell und lesenswert. Und auch in Amerika lässt sich Ana von den tragischen Ereignissen in ihrem familiären Umfeld nicht in die Knie zwingen.
    Etwas zu abrupt empfand ich hingegen den Zeitsprung von 1922 ins Jahr 1937, als Anas Neffe Josip bereits 15 Jahre alt ist. Als er erfährt, dass er nicht das leibliche Kind seiner Eltern ist, findet der Jugendliche keinen Halt in dieser für ihn schwierigen Situation. Ein folgenschwerer Fehler bringt ihn zurück in die alte Heimat seiner Vorfahren. Sehr einfühlsam und eindringlich schildert Theodora Bauer die seelische Notlage Josips, der, fremd und entwurzelt, umso williger der Ideologie der nationalsozialistischen Partei folgt. Hier findet er Antwort auf seine Fragen, hier erhält sein Leben Struktur und Ordnung. Wie schrecklich sich diese Neuorientierung auf das Leben seiner Tante auswirken sollte, deutet die Autorin nur mehr an, und lässt den Leser mit einem beklemmenden Gefühl zurück.
    "In der Kürze liegt die Würze" - dieser Ausspruch mag oft seine Berechtigung haben, bei manchen Autoren sehnt man sich geradezu danach, nicht aber im Falle dieser jungen österreichischen Autorin, die zu großen Hoffnungen Anlass gibt. Die 224 eBook-Seiten waren nicht nur für die Geschichte einer Auswanderung viel zu wenig, auch die Ausarbeitung der Charaktere hat darunter gelitten. Dabei hat Theodora Bauer großartige Figuren geschaffen, die sich nicht über ihren Erfolg, sondern über ihre zu hohen Erwartungen und ihr Scheitern definieren. Feri, Katica, Ana und vor allem Josip hätten noch so viel mehr Potential in sich getragen, dass sich die Seitenzahl zumindest verdoppeln, wenn nicht verdreifachen hätte lassen.
    Mein einziger Trost besteht darin, dass Frau Bauer noch sehr jung ist, und den Höhepunkt ihrer Schaffenskraft längst nicht erreicht hat. Am letzten Tag des Jahres 2017 darf ich sie als meine ganz persönliche literarische Neuentdeckung vorstellen, und möchte für diesen Roman eine ganz besondere Leseempfehlung aussprechen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: gibt es nur deshalb, weil mir von allem zu wenig war, von der Geschichte, den Protagonisten, und es einfach noch ganz viel Luft nach oben gibt.

  • Danke, Sylli!


    Ich poste auch, weil meine erste Assoziation woanders hinging: nicht also zu verwechseln mit dem gleichnamigen Buch von Alaa-Al-Aswany: