Will Eisner - Dropsie Avenue

  • Teilzitat aus amazon.de:


    Der dritte Teil der "Vertrag-mit-Gott"Erzählungen erzählt die Geschichte der Sropsie Avenue ab ihrer Entstehung zur Zeit der holländischen Kolo-nisation. Da ärgert sich die namengebende Familie über den Zuzug von immer mehr englischen Siedlern, die noch dazu erfolgreicher arbeiten, als die Dropsies. Von da an entwickelt sich der Ort immer weiter und immer wieder kommen neue Menschen in die Gegend, die von den schon dort Lebenden als Störfaktoren oder Gefahren gesehen werden. Die Engländer ärgern sich über die Iren, die Iren sehr schnell über die osteuropäischen und deutschen Juden, die Juden dann über die Italiener, die Italiener über die Hispanics und dann kommen sogar ganz dunkelhäutige Leute.


    Es ist ein Hin und Her an Idealismus und Xenophobie, an großer moralischer Integrität und Korrupti-on und es zeigt, wie sehr sich in einem Einwanderungsland die Dinge immer wieder nach dem glei-chen, altvertrauten Muster entwickeln. Einige Äußerungen könnte man heute so in jeder beliebigen amerikanischen Talkshow hören.


    Sehr menschliche Geschichten in sehr eindringlichen Bildern erzählt – und sie sind alle schwarz-weiß. Ein Meilenstern nicht nur der Comic-, sondern jeder Literatur. :thumleft::thumleft::study:


    Es gibt auch einen wunderbar ausgearbeiteten Sammelband, der alle drei Dropsie-Avenue-Titel zusammenbringt.

  • Hier eine deutsche Ausgabe, 1999 bei Egmont erschienen.

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (189/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • Ein ganz wundervoller Comicroman! :thumleft: Sowas habe ich - in dieser Verknappung - noch nicht gelesen: Wie hier auf 170 Seiten und anhand einer fiktiven Nachbarschaft ein ganzes Jahrhundert Stadtgeschichte mit sozialen Verdrängungen, Rassismus und politischen Machtspielchen erzählt wird, ist nichts weniger als ein Meisterwerk. Trotz aller Zeitsprünge wie aus einem Guss. Und soziologisch scharf geschossen! :wink: In einander übergehende Schicksale verweben sich, einige Figuren tauchen immer wieder auf. Wie die Handlung über das frei fließende Seitenlayout und absolut stimmig verknappte Bilder erzählt wird, ist ein Hochgenuss.
    Die Leser sind doch immer froh, wenn der Buchmarkt literarische Klassiker der Moderne (wie John Williams und Richard Yates) wieder ausgräbt. Dabei sind solche Schätzchen wie dieser Comicroman die ganze Zeit frei erhältlich. Will Eisner ist auf einer Höhe mit den großen amerikanischen Klassikern. Eine Unterscheidung zwischen Comic und "hoher Literatur" wird hier endgültig albern und sinnlos. Unbedingte Leseempfehlung! :thumleft:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (189/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • Will Eisner wird bei uns leider unterschätzt. So wie bei uns Comics generell immer noch unterschätzt werden.
    Von wegen lustige Kinderliteratur!
    Das soziale Elend, das er zeigt, erinnert mich stark an Dickens-Romane. "Victims of the hard time" nennt er die
    Opfer (ich glaube im Kapitel "Street Singer").
    Ich finde Eisners Werk auch vom Zeichnerischen her enorm. Das Verhältnis von Schrift und Bild, die unterschiedlichen
    Panel-Größen und -formen, mit denen er Bedeutung, zeitliche Abläufe und dergleichen gestaltet, die Einstellungsgrößen,
    oder wie er Handlungsräume erweitert und die Perspektiven verändert -
    also ich höre jetzt auf. Wenn ein Fan ins Erzählen gerät, ist kein Ende abzusehen.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich finde Eisners Werk auch vom Zeichnerischen her enorm. Das Verhältnis von Schrift und Bild, die unterschiedlichen
    Panel-Größen und -formen, mit denen er Bedeutung, zeitliche Abläufe und dergleichen gestaltet, die Einstellungsgrößen,
    oder wie er Handlungsräume erweitert und die Perspektiven verändert -

    Oh ja! Man ist es ja schon gewöhnt, dass Comiczeichner mit der Panelgröße spielen. Aber oftmals "ist dann halt mal eins größer und ein anders kleiner". Eher, weil es schick aussieht. Aber bei Eisner dienen solche grafischen Spielereien immer dem Fluss der Geschichte, um kleine Story-Bestandteile in größeren Zusammenhängen einzubetten, oder um die Geschwindigkeit der Erzählung anzuziehen. Ganz vortrefflich! :pray:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (189/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • Aber bei Eisner dienen solche grafischen Spielereien immer dem Fluss der Geschichte,

    Ja genau das meinte ich, Du kannst das besser ausdrücken.
    Es hat Sinn und Verstand bei ihm.
    Und das bewundere ich auch so bei Art Spiegelman.
    Das Medium Comic wird meiner Meinung nach immer noch unterschätzt, obwohl wir doch im visuellen Zeitalter
    leben - allerdings gibt es in den letzten Jahren zunehmend Fachliteratur dazu, da scheint Bewegung in die
    Sache zu kommen.
    Schön, dass hier von "Comic" und nicht von "graphic novel" gesprochen wird!

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Schön, dass hier von "Comic" und nicht von "graphic novel" gesprochen wird!

    :thumleft: Ich versuchs mir jedenfalls gerade anzugewöhnen. Graphic Novel ist doch zu sehr ein Marketingausdruck für Bildungsbürger, die Comics sonst nicht mit Asbesthandschuhen anfassen würden. So im Sinne: Graphic Novel hui, Comic pfui. Aber hey, es ist alles Comic! :batman:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (189/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • Graphic Novel hui, Comic pfui

    :D
    Das hast Du richtig gut auf den Punkt gebracht, finde ich! Und
    genau so meinte ich das auch.
    So eine Art Versuch, den Comic salonfähig zu machen und ihn an die "Höhenkammliteratur" (den Begriff kann ich auch nicht
    leiden) anzunähern.
    Bzw. ihn anzubiedern.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).