Michael Berndt / Rainer Schäfer - 100 Länder, 100 Frauen, 100 Räusche

  • EIN JUNGER SACHSE EROBERT DIE WELT AUF SEINE WEISE

    „100 Länder, 100 Frauen, 100 Räusche“ von Michael Berndt, das ist ein Reisebericht der anderen Art. Das deutet schon der Titel an. Das Buch macht den Leser bekannt mit einem jungen, provinziellen Sachsen, der sich entschließt aus einer
    „Endlosschleife aus Arbeit, kleinkarierter Muffigkeit und Suff“
    auszubrechen, und mit wenig Geld, ohne Fremdsprachenkenntnisse und totaler Unerfahrenheit allein nach Australien fliegt.
    Wie er sich mit nur 23 Jahren den unbekannten Situationen stellt und wie er sich zu helfen weiß, das ist beachtlich. Seine Courage, seine Entschlossenheit bewundere ich. Ich glaube, dass er sich letztendlich immer wieder durchboxte, ist seinem flexiblen, anpassungsfähigen Wesen zuzuschreiben. Michael scheute sich vor keiner Arbeit, nimmt die schwersten Tätigkeiten auf sich. So beginnt seine abenteuerliche Reise um die Welt in „Down under“ und viele Länder folgen.
    Heftige Schilderungen erwarten den Leser u. a. in den Ländern Asiens. Mir gab es besondere Einblicke in den Stand der Zivilisation. Diese krassen Unterschiede!
    Vor allem, die Reihenfolge seiner Reisen: von Japan (hochtechnisiert, geordnetes Leben), dann Korea (das geteilte Land mit seinen Extremen in allen Bereichen) über China (Leben wie im Mittelalter in den Dörfern gegenüber dem schon modernen Leben in den Städten). Beeindruckend wie der junge Sachse neben seinen doch teilweise sehr heftigen, sexuellen Erlebnissen die Gewohnheiten, Traditionen, Lebensumstände, die Eßkultur in Vietnam, Thailand, Laos, Kambodscha beschreibt. Einiges war mir bekannt, aber das mit dem Schlangenblut habe ich noch nie gehört!
    In Afrika kommt bei Michael erneut sein natürliches, unvoreingenommenes Wesen zum Ausdruck. Sein Pragmatismus ist hier scheinbar sehr nützlich. Wenn es so nicht geht, dann eben auf anderem Weg. Irgendwie muss eine Lösung her. Und der junge Globetrotter wird belohnt mit wunderbaren Augenblicken:
    der Kilimandscharo, die Erlebnisse auf Sansibar mit den zutraulichen Delphinen...
    Einfach beneidenswert! Solche Dinge vergißt man sein Lebtag nie.


    Fazit:
    Für mich war „100 Länder, 100 Frauen, 100 Räusche“ ein lesenswerter, vor allem authentischer Reisebericht mit aufschlussreichen, unterhaltsamen Einblicken abseits der touristisch erschlossenen Pfade. Für viele sind sicherlich Michaels sexuelle Erlebnisse sehr provokant. Daher ist dieses Buch keine Lektüre für Moralapostel und verklemmte Typen!
    So eine Reise um die Welt in 8 Jahren, wie er sie machte ist einzigartig, weil sie ganz individuell auf seine Bedürfnisse ausgerichtet war. Ich habe die fast 250 Seiten (teilweise bebildert) mit großem Interesse verfolgt und bin ein über das andere Mal erstaunt gewesen, wie selbstverständlich der junge Mann sich die Welt eroberte. Das ist ein Privileg der Jugend und im späteren Leben so nicht mehr nachzuholen.
    Von mir gibt es fünf von fünf Lesesternchen und eine unbedingte Lese-/Kaufempfehlung! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Das Buch habe ich neulich bei Thalia gesehen und dachte mir, wie plakativ ein Cover bzw. ein Titel inzwischen sein müssen, um aus dem Überangebot der täglich neu auf die Grabbeltische geworfenen Bücher herauszustechen. Gerade im Reisereportagen - Bereich ist die schiere Masse unglaublich. Es mag damit zusammen hängen, dass heute scheinbar jeder zweite nach dem Schulabschluss die Welt, oder zumindest die halbe, bereist. Menschen, die mit ihren Kindern von Nord nach Süd fahren, drängen sich neben Arbeitnehmern, die den Job zugunsten eines Trips in ferne Länder geschmissen haben und Personen, die wahlweise mit Giraffen oder Elefanten frühstücken.
    Das ist per se ja nichts Schlimmes, allerdings scheint es (da bin ich wieder bei diesem Buch) will man heutzutage eine solche Reise vermarkten, muss man vermeintlich provozieren. Und wer will schon gerne ein Moralapostel sein :wink: .

  • @SiriNYC, gut, dass Du es sagst.
    Ich finde den Titel so unangenehm und abstoßend, das Buch würde ich niemals lesen, geschweige denn kaufen, ganz gleich, wie gut es noch besprochen wird. Möglicherweise tue ich dem Autor Unrecht, aber er klingt nach Konsum. Von Alkohol, von Frauen und von dem, was man sieht und erlebt.
    Fremde Länder und Menschen eines persönlichen Konsums wegen kennenzulernen, hat in meinen Augen etwas Unmoralisches. Als wäre die Erde ein Zoo.
    Für diese Einstellung lasse ich mir gern den Begriff des Moralapostels überstülpen. :thumleft:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich bin auch über den Titel gestolpert und habe mir deswegen die Rezension durchgelesen. Bei mir hat also
    die Vermarktungsstrategie durchaus gewirkt :-)


    "1oo Länder 100 Frauen 100 Räusche":
    Heißt das jetzt pro Land ein Rausch und eine Frau?
    Merkwürdige Einstellung. Merkwürdiger Sinn für Ordnung.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Da ich ebenfalls, mit einiger Verwunderung wegen des Titels, die Rezension gelesen habe, wollte ich zusätzlich über den Autor näheres erfahren.
    Dazu habe ich folgende Seite gefunden. SZ-Online daraus ein kurzes Zitat

    Zitat von Michael Berndt

    Ich hatte mir übrigens vorgenommen, dass ich in jedem Land, das ich bereise, mindestens eine Frau habe“, schmunzelt er. Und er setzte es natürlich in die Tat um. „Ok. – Saudi Arabien war schwierig“, gibt er zu.

    Schade, eine gute Gelegenheit verpasst, eine tolles Buch geschrieben zu haben, und persönlich finde ich es abstossend.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Gibt es diese 0815 Reise Bücher nicht überall? Da kann man den lonley Planet nehmen und lesen wie toll alles ist. Ich feier das Buch. Da steht mal die Wahrheit geschrieben. Auf Reisen geht's halt mal zur Sache, weiß ich aus persönlicher Erfahrung :)
    Musste auf jeden Fall viel lachen beim Buch und hat mir neue Reiseziele gegeben.
    Für die Moral Aposteln unter euch. Es geht nicht nur um das Thema Sex und Drogen. Eher von Kultur und Land der jeweiligen Länder