Jean-Paul Didierlaurent - Der unerhörte Wunsch des Monsieur Dinsky / Le reste de leur vie

  • Klappentext:
    Ambroise Lanier, Ende zwanzig, hat seine Berufung gefunden: Er möchte dem Menschen seine Würde bewahren und arbeitet darum als ? Leichenpräparator. Auch Manelle Flandin liegt die Würde ihrer Mitmenschen am Herzen. Rührend kümmert sich die junge Angestellte eines ambulanten Pflegedienstes um Senioren. Vermutlich hätten sich die Wege der beiden nie gekreuzt, wäre da nicht Samuel Dinsky: Als der 82-Jährige eine niederschmetternde Diagnose erhält, will er eine letzte Reise unternehmen. Zusammen mit Manelle und Ambroise. Durch einen wundersamen Zufall wird es eine Reise zurück ins pralle Leben.


    Meine Meinung:
    Diese Roadstory von Jean-Paul Didierlaurent erinnerte mich ein wenig an "Rosmarintage" von Silke Schütz.


    Der Roman beginnt mit einer Schilderung von Manelles Arbeitsalltag. Sie betreut verschiedene Senioren; leider sind nicht alle sind so nett wie der umgängliche Samuel Dinsky. Marcel Mauvignier will Manelle stehlen sehen und versteckt Geld in der Wohnung. Doch Manelle tut ihm den Gefallen einfach nicht.
    In einer anderen Ecke der Stadt stellt Ambroise seine Koffer ab und begutachtet seinen neuen Kunden, der bereits mausetot ist. Ambroise Lanier hat einen anderen Lebensweg gewählt als sein berühmter Mediziner-Vater. Ambroise ist Leichenpräparator, hat deswegen einen eher einsamen Job. Er wohnt bei seiner Grossmutter Beth, die gerne bäckt. Eines Tages bekommt er einen ungewöhnlichen Auftrag. Er soll mit einem älteren Mann, Samuel Dinsky, nach Genf fahren um dort dessen verstorbenen Zwillingsbruder abzuholen. Dabei lernt er Manelle Flandin kennen, die plötzlich recht resolute Haushaltshilfe von Samuel. Im Dialog schenken sie sich nichts, merken aber, dass beide das Wohl von Samuel verbindet.


    Der Autor hat wie bisher in allen seinen Geschichten seinen Figuren ungewöhnliche Berufe verliehen. Schon alleine deshalb lesen sich seine Storys anders. Doch auch Didierlaurents Fähigkeit, ernste und tragische Themen (wie Altersgebrechen, Tod, Leiden und Einsamkeit) mit einem leichten und optimistischen Schleier zu ummanteln, ist einzigartig.


    Fast alle seine Charaktere sind selbstlos und kommen mit liebenswerten Schwächen daher, die den Leser unweigerlich zum Schmunzeln bringen. Die schöne Geschichte sorgt für die eine und andere Überraschung.


    Um es mit Ambroise einziger lebender Kundin, Isabelle de Morbieux, zu sagen: "Ich habe nie einen Roman gelesen, der besser wäre. Eine dichte Handlung, Fantastik, böse Figuren, gute Figuren, da ist alles drin."


    Fazit:
    Dieser wundervolle Roman ist ein französischer, lebensbejahender Charmebolzen, der zart berührt und gleichzeitig auch sehr lustig ist. Une histoire magnifique!
    4.5 Punkte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • @talisha Danke für die Rezi!
    Ich hab das Buch schon in der onleihe entdeckt und werde es mir zu Jahresbeginn - Dank Deiner schönen Vorstellung - jetzt ganz sicher ausborgen.

  • Antoine Laurin, Gilles Legardinier, Gregoire Delacourt und der Autor dieses Romans haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind französische zeitgenössische Schriftsteller. Und sie schreiben über gewichtige Schicksalsschläge, Alltagsprobleme und –sorgen Romane, die wie weichgespült wirken.


    „Die Sehnsucht des Vorlesers“ hatte mich vor zwei Jahren wider Erwarten gepackt, und diesmal war es umgekehrt. Voller Vorfreude, wieder in eine emotionale Geschichte abzutauchen, bleibe ich enttäuscht zurück. Ein leichtes Leseerlebnis ohne Tiefe, das sich den Anschein einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem gewichtigen Thema der Sterbehilfe gibt, aber nur eine nette Geschichte erzählt.


    Einige Fehler durch ungenaue Wortwahl lassen sich finden, z.B. sind „Altersheim“ und „Hospiz“ unterschiedliche Einrichtungen und als Begriffe nicht synonym zu verwenden (S. 75).

    Seine Patienten mit „Wir“ anzusprechen stärkt die Bindung Arzt-Patient - so lautet Didierlaurent zufolge ein Ergebnis der neuesten medizinischen Forschung. :-s (S. 115) (Hat nicht schon Cäsar gesagt: Die spinnen, die Gallier?:-,)


    Unverständlich bleibt, dass die größte Widersinnigkeit des Buches nicht aufgelöst, ja, nicht einmal thematisiert wird. Die eigentliche Tragik, die hinter der Entwicklung am Ende steht, verpufft belanglos unter FriedeFreudeEierkuchen. Erschreckend, falls der Autor nicht gemerkt hat, was er seinem Monsieur Dinsky antut.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)