Jeanette Winterson - Wunderweiße Tage / Christmas Days

  • Kurzmeinung

    Kapo
    Ganz wunderbare, abwechslungsreiche, unkitschige Weihnachtsgeschichten.
  • Kurzmeinung

    cardamomma
    Knackiger Humor, Lebensweisheit, Konsumkritik und ein großes Herz für Weihnachten. Ich liebe ihren Stil.
  • Wunderweiße Tage
    Zwölf winterliche Geschichten
    Autorin: Jeanette Winterson
    Verlag: Wunderraum (16.10.17)
    ISBN-10: 3336547857
    Seiten: 352


    Inhalt:
    Im Vorwort erzählt Jeannette Winterson wie das mit Weihnachten in früheren Jahrhunderten war und wann welche Bräuche wie übernommen wurden.


    "Man stellt sich vor: Die meisten Menschen können weder lesen noch schreiben, doch ihre Gedanken sind voll von Geschichten und Bildern. Bilder sind mehr als Illustrationen einer Geschichte - sie sind die Geschichte."
    Es folgen 12 winterliche Geschichten, rund um das Wunder.


    Schneemänner, die durch die Liebe der Kinder lebendig werden.
    Ein kleiner Streuner, der auf einer Charity-Party für reiche Kids landet.
    Menschen, die nicht mehr an Weihnachten und die Liebe glauben und von einem Wunder überrascht werden.
    Waisenkinder, die sehr unter der Hausmutter leiden und plötzlich unerwartet Hilfe bekommen.


    Nach jedem Kapitel gibt es ein Rezept, das wiederum in eine ganz persönliche Geschichte von Jeanette Winterson eingebunden wurde.


    Meine Meinung:
    Was für ein wunderschönes Buch!!
    Die Geschichten sind so ganz anders, als die üblichen Weihnachtsgeschichten.
    Ich war wirklich verzaubert.
    Meine Lieblingsgeschichte ist die, mit den Schneemännern bzw der Schneefrau. In ihr steckt so viel Herzenswärme und Liebe drin, dass man sich so sehr wünscht, es möge real sein.
    Bei anderen Geschichten habe ich mich unglaublich für die Protagonisten gefreut, wenn sie wieder Hoffnung gefunden haben.
    Es gab nur eine Geschichte, die ich mir nicht ganz so gut gefallen hat.
    Alleine das Vorwort ist schon sehr interessant.
    Weihnachten hat eigentlich ziemlich heidnische Ursprünge.


    Auch die Geschichten um die Rezepte herum haben mich berührt.
    Man erfährt dabei eine ganze Menge über die Autorin.
    So war ihre Adoptivmutter fanatisch religiös und wartete Jahr für Jahr auf Armageddon und hielt Winterson für den Teufel, weil sie homosexuell ist.
    Doch Winterson scheint das verarbeitet zu haben, denn ihre Energie beim Erzählen ist nicht negativ. Im Gegenteil, sie scheint voll Liebe und Hoffnung zu sein. Das ist beeindruckend, wenn man ahnt, wie schwer sie es gehabt hat.
    Es wird sicher nicht das letzte Buch sein, dass ich von ihr gelesen habe.
    Es gibt britische/amerikansiche Rezepte, wie den Mince Pies oder den New Yorker Custard, aufwendigerer Rezepte, wie Truthahn oder Lachs und ganz simple Dinge, wie Glühwein oder Käsekräcker.
    Ich bin ja nicht so die große Köchin und habe die meisten Rezepte links liegen lassen. Doch die Geschichten drum rum haben mir sehr gefallen und die Käsekräcker werde ich auf jeden Fall mal ausprobieren.


    Zitate:
    " "Ihr müsst aufeinander aufpassen", sagte die SchneeMama. "Sonst es es bei euch immer kalt und traurig, sogar im Sommer."
    "Eigentlich sollten doch die Eltern auf die Kinder aufpassen", sagte Jerry.
    "Das Leben ist, wie es ist", sagte die SchneeMama."


    "Die Leuchtschrift war nicht zu übersehen. Noch furchterregender als die anderen, die laufend die wachsende Staatsverschuldung anzeigte, verkündete sie: "NOCH 27 EINKAUFSTAGE BIS WEIHNACHTEN."
    Genauso gut hätte da stehen können: "NOCH 27 TAGE BIS AMAGEDDON". Der Wahnsinn war der gleiche - die fieberhafte Hektik, möglichst viele Sachen einzukaufen, die man nicht brauchte und sich nicht leisten konnte. Unerwünschtes Zeug, das sich nur als Geschenk eignete. Geschenk -. ein seltsames Wort, es bedeutet "eine Enttäuschung, die man in der Hand halten kann."


    "Manche [Erinnerungen] allerdings verändern sich anscheinend überhaupt nicht. Sie sind so schmerzhaft, dass sie an uns haften bleiben. Und auch wenn wir uns nicht an sie erinnern wollen, scheinen sie sich doch an uns zu erinnern. Wir können ihre Wirkung nicht abschütteln.
    Dafür gibt es einen wunderbaren Ausdruck: die allgegenwärtige Vergangenheit. Vergangenes ist vergangen, sitzt aber jeden Tag neben uns auf dem Beifahrersitz."


    Aufmachung:
    Wunderraum ist ein neuer Verlag von Random House und seine Bücher sind alle unheimlich schön gestaltet. Jedes Buch ist am Rücken in Leinen gebunden und das Lesebändchen beschriftet.


    5 :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Weihnachtsgeschichtenbücher gibt es wie Sand am Meer, und die Spreu vom Weizen zu trennen ist angesichts dieser Fülle gar nicht so einfach. Jeanette Winterson hat mit dieser Sammlung von 12 Geschichten und 12 Rezepten, angelehnt an die englische Tradition der "Twelve Days of Christmas", allerdings komplett meinen Nerv getroffen.


    Ihre Kurzgeschichten sind weihnachtlich, anrührend, gefühlvoll und haben das eine oder andere Tränchen hervorgelockt, aber die Realität hat in allen ihren Geschichten ihren festen Platz. Sie handeln von Menschen, die einsam sind, die sich von der Welt zurückgezogen haben, die einer zerbrochenen Beziehung oder einem verstorbenen Menschen nachtrauern, von vernachlässigten Kindern und zynisch gewordenen Erwachsenen. Umso schöner, wenn dann von unerwarteter Seite her ein Fünkchen Hoffnung, Freude oder Weihnachtszauber in der häufig tristen Welt der Protagonisten aufblitzt.


    Insofern stehen die Erzählungen tatsächlich in der Tradition von Dickens und Co., auch wenn die meisten in der Gegenwart spielen und nur zwei einen märchenhaft-historischen Anhauch haben, sie sind jedoch nicht so süßlich-kitschig, zumal auch der Humor seinen Platz findet, und manchmal wird es sogar ein wenig gruselig oder auf andere Weise hübsch böse.


    Mindestens so gut wie die Geschichten selbst haben mir die immer dazwischen eingestreuten Rezepte gefallen. Eigentlich geht es dabei gar nicht so sehr um die Rezepte an sich, sondern darum, was Winterson mit dem jeweiligen Gericht verbindet. Zu den meisten wurde sie von einem bestimmten Menschen inspiriert und teilt mit der Leserschaft ihre Erinnerungen daran.


    Ein sehr gelungenes Weihnachtsbuch für unsere Zeit, das ich bestimmt nicht zum letzten Mal gelesen habe.

  • Ich kann mich Magdalena nur anschließen mit ihrer Rezension und mich auch gleich nochmals bei ihr bedanken für den wunderbaren Tipp als ich Weihnachtsbücher gesucht habe, denn der kam glaub ich auch von ihr. Genau so etwas habe ich gesucht. Bezaubernde Geschichten, sehr weihnachtlich, aber doch so richtig ohne Kitsch. Es ist sehr viel Liebe dabei, aber auf eine sehr angenehme und manchmal auch sehr schmerzliche Art und Weise. Was mich noch sehr beeindruckt hat, dass das ganze sehr homogen wirkt und trotzdem jede Geschichte so völlig anders war: Liebesgeschichten, Märchen, Dramen, Historisches, Grusel....nahezu jedes Genre wird bedient. Die persönlichen Rezepte incl. deren Bedeutung für die Autorin, sozusagen ein Zwischenspiel nach jeder Geschichte, machten das Buch zusätzlich noch ganz besonders. Auf die habe ich mich immer besonders gefreut. Eine nahezu perfekte Zusammenstellung.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

  • Kapo: es freut mich ungemein, dass Dir das Buch auch so gut gefällt. Eine ganz besondere Sammlung, die sich immer mal wieder lesen lässt. Gerade die Rezepte und damit verbundenen Erinnerungen fand ich ja auch so schön.


    Dieses Jahr werde ich zwar vermutlich nicht dazu kommen, aber vielleicht nehme ich es mir für 2023 mal wieder vor.