J. W. Goethe – Die Zauberflöte II

  • J. W. Goethe – Die Zauberflöte II (Leselibretto)

    Das ist der "kleine Faust" – Thomas Mann über Goethes "Zauberflöte II"


    Die Anfangshandlung


    Mit Goethes Fortsetzung zu Mozarts "Zauberflöte" möchte ich wieder einmal zwei meiner exzentrischeren Lieblingsthemen besprechen: Oper und Mysterienkultur. Und dennoch kann ich Euch damit diesmal einen kleinen Geheimtipp vorstellen, den der eine oder die andere vielleicht sogar schon bei sich zu Hause im Regal stehen hat – also bei Interesse nur noch rauszukramen bräuchte. Denn diese "Zauberflöten"-Fortsetzung findet sich in den meisten Goethe-Werkausgaben.


    Wie schon die von mir bereits vorgestellte erste "Zauberflöte" von Mozart, ist auch Goethes "Zauberflöte II" ein ganz besonderer Fall, zu dem es wieder viel zu sagen und interpretieren gebe. Diesmal möchte ich mich aber mal möglichst kurz fassen und nur einige wichtige und interessante Punkte nennen.


    Da wäre zunächst die Verbindung von Goethe und Mozart.


    Verbindung von Goethe und Mozart


    Als Theaterdirektor in Weimar war Goethe sehr vertraut mit Mozarts Opern und im besonderen mit der "Zauberflöte", welche unter Goethes Leitung die meist gespielte Oper und überhaupt das erfolgreichste und beliebteste Bühnenstück war. Doch es ging Goethe bei der "Zauberflöte" (den Aufführungen in Weimar und seinem eigenen zweiten Teil) nicht nur um einen sicheren kommerziellen Erfolg, sondern Goethe war auch mit dem Inhalt der "Zauberflöte" sehr innig verbunden. Beispielsweise verband Goethe mit Mozart die Liebe zur Freimaurerei – beides waren nämlich enthusiastische Freimaurer. Und die "Zauberflöten"-Oper selbst gilt noch dazu als die "Freimaurer-Oper", da in ihr viele Botschaften und Symbole der Freimaurerei verwoben sind. Auch ist bemerkenswert, dass Goethe die künstlerische Intention seiner "Faust"-Dichtung mit der "Zauberflöte" verglichen hat:


    "Wenn es nur so ist, dass die Menge der Zuschauer Freude an der Erscheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der höhere Sinn nicht entgehen, wie es ja auch bei der 'Zauberflöte' und andern Dingen der Fall ist."(1)


    Bei diesen höchstinteressanten Verbindungen von Mozarts "Zauberflöte" und Goethes "Faust"-Dichtung wäre aber auch noch ein eher schwieriger Punkt anzusprechen – nämlich die sonderbare Form von Goethes "Zauberflöte"-Fortsetzung.


    Goethes bruchstückhaftes "Zauberflöten"-Libretto ein "kleiner Faust"?


    Da Goethe äußerst hohen Idealvorstellungen für seine eigene Opernkreation nachhing, die ja auch immerhin in die Fußstapfen von Mozart treten sollte, zogen sich seine Arbeiten an der "Zauberflöte II" schier endlos in die Länge. Schließlich hatte Goethe die Motive, die er in seiner "Zauberflöte II" entwickelt hatte, auch in andere Werke übertragen (bspw. "Faust II"), diese Werke abgeschlossen und auch die "Zauberflöten II"-Motive in diesen anderen Werken größtenteils ausgeschöpft. Aus gutem Grunde nannte Thomas Mann Goethes "Zauberflöte" den "kleinen Faust":


    "Das ist der >kleine Faust<, – die >Zauberflöte<, wo Homunculus und der Sohn noch Eines sind im leuchtenden Kästchen . . ."(2)


    Nun aber vor dem Hintergrund seiner hohen Idealvorstellungen und der bereits ausgeschöpften Motive rückte Goethe schließlich von seinen Plänen für die Oper ab, und übergab "Die Zauberflöte II" an seine Leserschaft als ein in Teilen noch skizzenhaft anmutendes Leselibretto. So sind einige Passagen nicht mehr dramatisch ausgeführt worden, sondern lesen sich eben wie eine Regieanweisung für den Regisseur. Auch das Ende mag dem heutigen Leser zunächst etwas wunderlich vorkommen und Goethe hatte in seinen ursprünglichen Opernskizzen wohl auch noch Pläne parat, die für einen ganzen weiteren Akt gereicht hätten; andererseits endigt Goethes Leselibretto in einer Weise, die der typischen Operntradition der Zeit entspricht und schließt auf symbolischer Ebene ein freimaurerisches Mysterien-Thema ab.


    Liebe, Action und viel Witz


    Also dieser in Teilen noch skizzenhafte, regietypische Aspekt von Goethes "Zauberflöte II" ist auf jeden Fall eine kleine Besonderheit, die vielleicht nicht jedem Leser zusagen wird. Doch auf der anderen Seite bietet Goethes "Zauberflöte II" auch lockere, witzige Unterhaltung mit ein bisschen Liebe und Action – also schon mal alles was ein Unterhaltungsstück braucht. Für mich als "Zauberflöten"-Liebhaber sowieso ein Lesevergnügen. Und darüber hinaus bietet Goethes "Zauberflöte II" natürlich Tiefgang und Möglichkeiten tiefer in die Ideen- und Motivwelt von Goethes Gesamtwerk zu tauchen, und gerade was die Motive angeht bspw. "Faust II"-Motive in ihrem Ursprung, aus ihrer Entwicklung heraus zu betrachten und so womöglich besser zu verstehen. Oder auch was die Ideenwelt angeht, kommt bspw. die freimaurerische Mysterienbetrachtung wohl in wenigen anderen Werken Goethes so zentral und so deutlich zur Geltung wie hier in seiner "Zauberflöte II".



    Fazit


    + für Liebhaber von Mozarts "Zauberflöte" geeigneter Lesenachschub und lohnt es sich auf jeden Fall dieser Fortsetzung aus der Feder Goethes eine Chance zu geben
    + lässt sich als leichte Unterhaltung lesen, die vor allem humorvoll ist und Spannung bietet mit ein bisschen Liebe und Action
    + bietet zugleich Möglichkeiten für eine tiefergehende Auseinandersetzung durch die symbolische Ebene und durch die Verbindungen zu Goethes Gesamtwerk bzw. auch Mozarts "Zauberflöte"


    - in einigen Teilen nur skizzenhaft wie eine Regieanweisung und dann nicht dramatisch ausgeführt


    => Unter dem Strich kann ich nur empfehlen Goethes "Zauberflöte II" eine Chance zu geben. Der Text findet sich ohnehin in den meisten Werkausgaben und muss von daher meist nur noch zu Hause oder zur Not in der Bibliothek gesucht werden. Die Monographie "Die Zauberflöte II" von George Cebadal könnte aber andererseits ganz hilfreich sein, wenn man auch versuchen möchte die Symbole zu entdecken oder allgemein tiefer in die Materie eindringen möchte, bspw. die literarischen Verbindungen von "Faust" und "Zauberflöte".



    (1) Johann Peter Eckermann "Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens"


    (2) Thomas Mann "Lotte in Weimar"