Andreas D. Binder – Extender

  • Klappentext:


    Funktionieren? Oder das Leben am Rande? Es ist deine Entscheidung. Vielleicht.


    Ein namenloser Staat der Zukunft: Implantate machen aus Menschen perfekte Leistungserbringer. Verweigerer werden in abgesonderte Ghettos gepfercht. Artem und Liv, zwei Minderjährige, wollen eigentlich nichts als helfen, doch sie geraten an die Ränder des Systems und weit darüber hinaus ... (Quelle: Klappentext)



    Meine Eindrücke:


    Ganz am Anfang war ich ein wenig skeptisch. Das Cover ist nicht professionell gestaltet, und der Schreibstil produziert zwar etliche Stilblüten, ist aber nicht immer ganz einfach zu lesen. Doch das verflog schnell …


    Schon die Einleitung lässt erahnen, dass dieses Buch in der Breite des Science-Fiction etwas Besonderes ist, kamen die Extender doch „nach gescheiterten Versuchen mit Robotern, Klonen und genetisch veränderten Wunderkindern“ (Quelle: Buchtext). Der Autor nutzt dieses Spiel mit den Lesererwartungen immer wieder. Das Buch ist kein klassischer Science-Fiction, es spielt fast ausschließlich in einer Stadtkulisse, und wenn dann doch einmal geschossen wird, werden die Geschehnisse nicht aus der Perspektive von Kriegern oder Übermenschen geschildert, sondern von Jugendlichen, die wie reale Stadtmenschen wirken, völlig überfordert mit diesen plötzlichen Einbrüchen einer zwar beängstigenden, aber doch mehr oder minder geordneten Welt, mit den Blicken hinter eine scheinbar unüberwindbare Fassade, die doch gleich am Anfang als solche enttarnt wird. Dieses sehr persönliche Bild wird durch den Stil der Geschichte, eine Ich-Erzählung im Rückblick (kenne keine ähnliche), genial umgesetzt und im Verlauf immer wieder benutzt. Eine Pointe entsteht in dem Moment, als Artem (die Hauptfigur) scheinbar gerettet wurde und sich in einer völlig fremden Umgebung wiederfindet: Aufgewachsen in der Enge seiner Stadt ist er mit einem Mal unsicher, ob er überhaupt fähig ist, frei zu sein – nachdem er jahrelang mit kleinen Rebellionen gegen das System nach ebendieser Freiheit gesucht hat. Und die wilde Natur, in der er und Liv (die zweite Hauptfigur) sich unvermittelt wiederfinden überfordert sie, nachdem sie ihr Leben lang in der Stadt verbracht haben, fast genauso wie die vorherigen Kämpfe.


    Die Darstellung der Hauptfiguren (und auch ihrer Beziehung zueinander) ist neben der Grundkonstellation aus Leistungserbringern (Extender), Implantatverweigerern (Simps) und Minderjährigen, die sich für eine Alternative entscheiden müssen, die wohl größte Stärke des Buches. Im Mittelteil (nach der scheinbaren Rettung von Artem und Liv, s.o.) entstehen ein paar Längen, die aber durch die tolle zweite Hälfte mehr als ausgeglichen werden, in der Artem und Liv in die Stadt zurückmüssen und damit eine lange Reise antreten, die sie doch nur an den Ausgangspunkt zurückführt.



    Fazit:


    Das Buch mag wegen des teils etwas sperrigen Schreibstils noch kein Meisterwerk sein, gehört aber definitiv zu den besten Debüts, die ich gelesen habe. Bodenständig, fiktional und doch realitätsnah – ein echter Höhepunkt unter den Werken über Perfektionismus und ausufernde Leistungsgesellschaften!



    Bewertung:


    4,5 Sterne – 5 mit Debütbonus!