Klappentext:
Eine blitzgescheite Studentin, eine zu Exzessen neigende Tänzerin und eine füllige Bäckersfrau stürzen den Erzähler in schwere Turbulenzen. Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse ist physisch und logistisch kaum zu meistern, doch trotz aller moralischen Skrupel geht es ihm so gut wie lange nicht.
Am Anfang stand eine Kindheit auf dem Anstaltsgelände einer riesigen Psychiatrie mit speziellen Freundschaften zu einigen Insassen und der großen Frage, wer eigentlich die Normalen sind. Danach verschlug es den Helden für ein Austauschjahr nach Laramie in Wyoming. Fremd und bizarr brach die Welt in den Rocky Mountains über ihn herein. Kaum zurück bekam er einen Platz auf der hochangesehenen, aber völlig verstörenden Otto-Falckenberg-Schule, und nur die Großeltern, bei denen er Unterschlupf gefunden hatte, konnten ihn durch allerlei Getränke und ihren großbürgerlichen Lebensstil vor größerem Unglück bewahren.
Nun ist der fragile und stabil erfolglose Jungschauspieler in der Provinz gelandet und begegnet dort Hanna, einer ehrgeizigen und überintelligenten Studentin. Es ist die erste große Liebe seines Lebens. Wenige Wochen später tritt Franka in Erscheinung, eine Tänzerin mit unwiderstehlichem Hang, die Nächte durchzufeiern und sich massieren zu lassen. Das kann er wie kein Zweiter, da es der eigentliche Schwerpunkt der Schauspielschule war. Und dann ist da auch noch Ilse, eine Bäckersfrau, in deren Backstube er sich so glücklich fühlt wie sonst nirgends. Die Frage ist: Kann das gut gehen? Die Antwort ist: nein. (KiWi-Verlagsseite)
Zum Autor:
Joachim Meyerhoff, geboren 1967 in Homburg/Saar, aufgewachsen in Schleswig, ist seit 2005 Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. In seinem sechsteiligen Zyklus »Alle Toten fliegen hoch« trat er als Erzähler auf die Bühne und wurde zum Theatertreffen 2009 eingeladen. 2007 wurde er zum Schauspieler des Jahres gewählt. Für seinen Debütroman wurde er 2011 mit dem Franz-Tumler-Literaturpreis und 2012 mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Im September 2016 erhielt er den Nicolas-Born-Debütpreis, den Euregio-Schüler-Literaturpreis, im Januar 2017 die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz. Im Mai 2017 wurde Joachim Meyerhoff in der Sektion Darstellende Kunst in die Akademie der Künste aufgenommen und von der Fachzeitschrift Theater heute im September zum Schauspieler des Jahres 2017 gewählt. (KiWi-Verlagsseite)
Allgemeine Informationen:
4. Teil der autobiographischen Reihe „Alle Toten fliegen hoch“
Ich-Erzählung
31 Kapitel auf 416 Seiten
Meine Meinung:
Nach den Bänden über Kindheit, Jugendzeit mit besonderem Augenmerk auf ein Jahr in Amerika und Schauspielschule liegt nun der an- und abschließende Teil von und über Meyerhoffs erste Berufs- und Liebesjahre vor.
Das Leben eines Jungschauspielers ist kein Zuckerschlecken, weder als Anfänger im Theaterensemble noch als Neuling in Sachen Liebe. Ganz schlimm wird’s, wenn man nicht mit sich selbst einig wird: Ist dies tatsächlich der Beruf, den ich mir gewünscht, für den ich gearbeitet habe, oder will ich vielleicht etwas völlig anderes, und wenn ja, was? Liebe ich Hanna in Bielefeld oder Franka in Dortmund, oder ist es möglich, dass ich unfähig zur Liebe bin?
Es ist nicht nur eine logistische Meisterleistung, seine beiden Leben unter einen Hut zu bringen, sondern auch eine ständige Selbstkontrolle. Zwischen seinen beiden Lebensgefährtinnen und den Theaterproben und –aufführungen werden Bäckerin Ilse und ihre Puddingbrezeln sein Refugium.
Meyerhoffs Sprachstil, seine flapsigen Sätze und die selbstironischen Äußerungen machen dem Leser, der sich daran schon dreimal erfreut hat, auch beim vierten Mal Spaß. Trotzdem schrammt das Buch nur haarscharf an dem vorbei, was Promi-Autobiographien mitunter unerträglich macht: Das Ich als Zentrum eines Beifalls, den es sich selbst spendet. Meyerhoff scheint diese Klippe zu kennen und setzt Übertreibung und Spöttelei ein, um sie zu umschiffen. Dass er Wirklichkeit und Fiktion verwebt, weiß man aus den vorherigen Bänden.
Meine Begeisterung über diesen Band hielt sich also in Grenzen. Bis zur letzten Szene des letzten Kapitels, als er seine Toten alle plötzlich wiedersieht. Bisher prägte Verdrängung seine Trauer, und er schleppte das Andenken an Bruder, Vater und Großeltern durch sein Leben. Jetzt weiß er, dass er die Toten weggeschoben hat statt sie loszulassen. Er lässt los, und jetzt fliegen alle Toten hoch.
Diese Schluss-Szene ist schlichtweg großartig, so einfach, so klar, so ruhig.
Der Schluss-Satz greift den Titel der Reihe auf. Nun weiß man den ungewöhnlichen Satz anzusiedeln.