Halldór Laxness - Am Gletscher / Kristnihald undir Jökli

  • Autor: Halldór Laxness
    Titel: Am Gletscher, aus dem Isländischen übersetzt von Bruno Kress
    Originaltitel: Kristnihald undir Jökli, erschien erstmals 1968
    Seiten: 192 Seiten unterteilt in 45 Kapitel
    Verlag: Steidl Verlag
    ISBN: 9783869304069


    Der Autor: (der Laxness-Museumshomepage entnommen, gekürzt)
    Halldór Laxness (1902-1998) überragt alle übrigen isländischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Über einen langen Zeitraum hinweg war er äußerst produktiv, verfaßte dreizehn umfangreiche Romane, fünf Theaterstücke und die Dramatisierung eines seiner Bücher und veröffentlichte zusätzlich Sammlungen von Kurzgeschichten und kürzeren Artikeln sowie seine Memoiren. Seine Bücher wurden in dreiundvierzig Sprachen übersetzt und erschienen in mehr als fünfhundert Ausgaben weltweit. Seine Entwicklung als Schriftsteller ist einzigartig, die Vielseitigkeit seiner Werke hat kaum ihresgleichen, und man darf sagen, mit jedem Buch habe er seine Leser aus einer unerwarteten Richtung überrascht. 1955 bekam er den Nobelpreis für Literatur. (...)
    Halldór Laxness trat früh zum Katholizismus über, wurde dann Sozialist und rückte später von allen Ideologien, bis vielleicht auf den Taoismus, wieder ab. In seinen Büchern aber kehren bestimmte grundlegende Züge immer wieder. Er sah die Dinge aus einem eigenen Blickwinkel, formulierte oft sehr scharf und kritisch, konnte seinen Figuren und ihren Handlungen jedoch immer auch komische Seiten abgewinnen und stand stets auf der Seite der Schwachen.


    Inhalt: (Klappentext)
    Im äußersten Westen Islands liegt der Snæfellsgletscher, an seinem Fuße versieht Pfarrer Jon Primus sein Amt. Doch die Seelsorge, die ihr den Menschen (und Tieren) angedeihen lässt, ist von ganz eigener Art. Was dem Bischof davon zu Ohren kommt, gibt Anlaß zur Besorgnis: der Mann repariere die Kirche nicht, taufe die Kinder nicht, beerdige die Toten nicht. Und was hat es mit der Leiche auf sich, die auf den Gletscher geschafft worden sein soll?
    All dies zu erkunden ist keine leichte Aufgabe für den jungen Theologen, der sich als Vertreter des Bischofs - kurz „Vebi“ - mit Tonbandgerät und Stenoblock in die Abgeschiedenheit des Gletschers begibt. Er macht skurrile Bekanntschaften, hört sagenhafte Erzählungen und wird in krude Dispute verwickelt. Und er trifft auf eine „Wahrheit“, die sich nicht protokollieren läßt.


    Meinung:
    Dies war mein zweites Buch von Laxness nach „Sein eigener Herr“, und es ließ sich deutlich einfacher, flüssiger lesen als der umfangreichere „Bauernroman“. Das lag wohl an den „handlichen“, kurzen Kapiteln, aber viel deutlicher am ironischen Grundton des Buches. Der überwiegende Teil des Romans ist wie ein Protokoll aufgebaut: der vom Bischof entsandte Theologe spricht von sich selbst stets in der dritten Person als der „Unterzeichnende“, bemüht sich redlich alles Absurde, was er so antrifft, möglichst wertfrei zu beschreiben. Er beurteilt nicht, kommentiert wenig, beobachtet aber scharfsinnig. Denn was er dort, nahezu am Ende der Welt, vorfindet, ist befremdlich und folgt seiner eigenen Logik. Mythische Erzählungen vermischen sich mit philosophischen Gesprächen, das Christentum hat den ähnlichen Stellenwert wie Fabeln aus den isländischen Sagas, und als dann Spiralnebel, Protomerie, Dysexelixis, Epigenetik und Biodynamik auf den Plan treten, wird dann wirklich alles – bis hin zum Kapitalismus – in einer wundersamen Erzählung parodiert.
    Am Ende weiss man nicht mehr so recht, was man glauben soll. Realität, Christentum und Aberglaube vermischen sich, und mir dreht sich der Kopf wegen der vielen Motive, Deutungsmöglichkeiten und Absurditäten. Ein geeignetes Buch für eine MLR – da gäbe es ausreichend zu diskutieren, aber auch ein geeigneter Einstieg in das Werk von Laxness.

  • Danke, Nungesser, für die Rezi. Das Buch liegt gefühlte Hundert Jahre auf meinem SUB... Naja, wie viele andere!


    Der Autor: (der Laxness-Museumshomepage entnommen, gekürzt)
    Halldór Laxness (1902-1998) überragt alle übrigen isländischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.


    Hier allerdings könnte man durchaus auf Gunnar Gunnarsson verweisen, der mir persönlich sehr gut gefällt. Laxness, wie Du selbst schreibst, wirkt schärfer, polemischer, kritischer. Aneckender? Damit dient Gunnarsson weniger: er schreibt naturverbundener, "schlicht"... Wäre eine Entdeckung wert für manchen BT'ler. Übrigens stand er auch als Nobelpreiskandidat wiederholt auf den Listen, doch mit Laxness zur gleichen Zeit, wollten die Schweden diesem kleinen Land wohl nicht die Ehre so schnell noch einmal zukommen lassen...

  • Hier allerdings könnte man durchaus auf Gunnar Gunnarsson verweisen, der mir persönlich sehr gut gefällt.

    Das stimmt, und Gunnarssons "Schwarze Vögel" liegt bei mir schon seit langer Zeit auf dem SUB. Natürlich hebt das Museum "ihren" Laxness auf das höchste Podest, dabei bietet Island erstaunlich viele sehr gute Schriftsteller und Geschichten...

  • Wir haben auch eine Reihe von ihm: Das freie Volk

    Vielen Dank für den Hinweis, wobei ich allerdings bemerken möchte, dass es sich dabei nicht um eine Reihe im Sinne einer fortschreitenden Erzählung handelt.
    Halldór Laxness hat einige seiner Romane in Teilen veröffentlicht, hauptsächlich aus Geldmangel, um zwischenzeitlich einen Vorschuss zu erhalten, in den Zeitungen erwähnt zu werden, um bei den Verlagen regelmässig etwas vorweisen zu können. Der grosse Weber von Kaschmir, Salka Valka, Sein eigener Herr, Weltlicht, usw wurden von ihm von Beginn an jeweils als ganzheitlicher Roman konzipiert, und werden eigentlich nur noch als Komplettwerk verlegt.


    Die hier angegebene Reihe "Das freie Volk" besteht aus "Der Freisasse" - das sind die ersten beiden (von fünf Abschnitten), die Laxness vorab veröffentlichte, und "Unabhängige Menschen", welches den gleichen Inhalt und Umfang wie "Sein eigener Herr" hat, ist lediglich eine frühere Übersetzung. ("Sjálfstætt fólk" wurde zunächst als "Unabhängige Menschen" von Thyra Dorenburg übersetzt, später hat Bruno Kress eine weitere Übersetzung besorgt und den Titel "Sein eigener Herr" vergeben)