Erri de Luca – Den Himmel finden/La natura esposta

  • Original : Italienisch, 2016


    INHALT :
    Ein kleines Bergdorf in Italien. Hier lebt der namenlose Erzähler recht unbehelligt als Bildhauer, Restaurator und Bergführer, bis er eines Tages einen ungewöhnlichen Auftrag übernimmt: Er soll die lebensgroße Statue eines gekreuzigten Jesus „entkleiden“. Dem in Marmor gehauenen Gottessohn wurde nachträglich ein Lendenschurz übergestülpt, nun soll er wieder in seiner ganzen Nacktheit erscheinen. Der selbst nicht sehr gläubige Erzähler ist ratlos – handelt es sich um einen Akt der Blasphemie? Er wendet sich an den Bischof, spricht mit einem Rabbiner und einem muslimischen Arbeiter, sucht Antworten auf die Frage nach den Grenzen von Leben und Kunst in der Religion.
    Eindrucksvoll und sprachmächtig schildert De Luca, wie sich dem Bildhauer während seiner Arbeit die Erfahrung des Glaubens immer tiefer erschließt.


    BEMERKUNGEN :
    Recht unbehelligt lebt er ? Nun, eben nicht als nämlich offenbar wird, dass der sechzigjährige Grenzüberschreiter den geführten Flüchtlingen das Entgeld auf der anderen Seite der Berge wieder zurück in die Hand legt. Er erwartet keinen Dank, will daraus keine Story machen. Als aber ein afrikanischer Schriftsteller davon erzählt ist es für den Erzähler in seinem Dorf gelaufen : den anderen Bergführern und Dorfleuten erscheint er wie ein Scheinheiliger, und ein Broterwerbsverhinderer, einer, der sich auf einen Sockel stellen will!


    So also landet er im Meeresstädtchen, sucht sich neue Arbeit und soll also eine « verhüllte » Christusstatue entkleiden. Aber eben nicht nur das ! Da das Geschlecht bei dieser Nacktdarstellung des Gekreuzigten unter dem Wegbrechen des marmornen Lendenschurzes abbricht soll er nun eben auch dieses nachbilden. Und in seinem Versuch des Nachbildens, ja, der « Imitation » in der eigenen Person, kommt dieser Künstler « ohne Glauben » zu tiefsten Entdeckungen und schreibt also diese, wie er es nennt, « theologische Schilderung ». Denn er hört sich um, um besser zu verstehen, wie der Bildhauer gearbeitet hat, welche Nachrichten in diesem oder jenem Detail stecken. Er spricht mit einem Priester, einem Rabbiner, einem Muslim.


    Hört sich seltsam an, was?, ist aber beeindruckend. Und wie De Luca hier also die Ader seines einfachen Erzählens mit biblischen und zutiefst spirituellen Überlegungen anspickt ist manchem deutschen Leser neu. Dabei hat er (im Italienischen) schon mehrere Bücher herausgebracht, in denen dieser Sich-Nicht Bekennen-Könnender Schriftsteller auf seltsam beeindruckende Weise und sehr überzeugend über Grundwahrheiten schreibt. Einige habe ich hier schon unter dem italienischen Titel rezensiert.


    Der italienische Titel von der « dargestellten Natur » spielt zwar auf das enthüllte Geschlecht an, ist aber im Buche durchaus mehrsinnig zu verstehen : Wo sind wir unverhüllt tätig ? Was passiert im Verborgenen ? Wo wird die Zurschaustellung zur Demütigung, zur Verletzlichkeit, absoluten Preisgabe seiner Selbst? Wie « versteckt leben » (Epikur) ?… Wo berühren sich Profanes und das Heilige ?


    So wird die Arbeit des Künstlers nicht nur zu einer professionellen Tätigkeit, sondern zu einem Weg zu sich selbst.


    Ein schönes Buch, in dem circa zehn Seiten gegen Ende (nicht am Ende) mir etwas querlaufend erscheinen.


    AUTOR :
    Erri De Luca, geb. 1950 in Neapel. Mit achtzehn Jahren geht er 1968 nach Rom, um sich an der außerparlamentarischen Bewegung Lotta Continua (dt.: Ständiger Kampf) zu beteiligen. In den 1970er-Jahren wird er einer ihrer führenden Köpfe.


    Danach arbeitet er in zahlreichen Berufen in und außerhalb Italiens: Als Facharbeiter bei Fiat, Kraftfahrer, Lagerist und Maurer. Während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien engagiert er sich als Kraftfahrer von Hilfslieferungen für die Bevölkerung. Er bringt sich selbst als Autodidakt verschiedene Sprachen bei, darunter auch Althebräisch, was ihm die Übersetzung einiger Bücher der Bibel ins Italienische ermöglicht.


    Erst im Alter von 39 Jahren veröffentlicht er 1989 sein erstes Buch Non ora, non qui (Nicht hier und nicht jetzt), in dem er seine Kindheit in Neapel in Erinnerung ruft.


    Heute zählt er zu den meistgelesenen, nicht immer unwidersprochenen, Schriftstellern Italiens. Seine Romane haben Kultstatus und sind auch in Israel und Frankreich Bestseller. In Deutschland wurde 'Der Tag vor dem Glück' in der Presse begeistert gefeiert. 2010 erhielt Erri De Luca den Petrarca-Preis.


    2015 wurde De Luca von einem Turiner Gericht angeklagt, im Herbst 2013 in zwei Zeitungsinterviews zur „Sabotage“ des Mont-Cenis-Basistunnels, des Eisenbahntunnel-Projekts zwischen Lyon und Turin, aufgerufen zu haben; die Staatsanwaltschaft sah darin eine Anstiftung zu „konkreten und ungesetzlichen Taten.“ Das Gericht sprach ihn am 19. Oktober „für ihn überraschend“ frei.
    (Quelle : Amazon und wikipedia)


    Gebundene Ausgabe: 125 Seiten
    Verlag: List Hardcover (11. Mai 2018)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 347135171X
    ISBN-13: 978-3471351710
    Erscheint ebenfalls im Mai 2018 als eBook !!!

  • Hier die Verlinkung zum italienischen Original:


    Copertina flessibile: 123 pagine
    Editore: Feltrinelli; 01 edizione (1 settembre 2016)
    Collana: I narratori
    Lingua: Italiano
    ISBN-10: 880703199X
    ISBN-13: 978-8807031991

  • Die deutsche Fassung erscheint ja erst im Mai, ist also noch derweil ein gutes halbes Jahr bis dahin... Und den meisten wird das Italienische auch nicht zusagen. Hier noch die französische Fassung, inder ich es auch gelesen habe, "La nature exposée":


    Broché: 176 pages
    Editeur : Gallimard (2 mars 2017)
    Collection : Du monde entier
    Langue : Français
    ISBN-10: 2072697913
    ISBN-13: 978-2072697913