Kieran McLeod – Die Kinder des Windes

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    Die Welt der Elementarsturm-Chroniken ist unglaublich komplex und strotzt nur so vor originellen Einfällen abseits der Fantasyklischees. Elfen, Orks und Zwerge sucht man hier vergebens, dafür gibt es mehrere eigens erdachte Völker, die jeweils eine lange Geschichte, eigene Herrschaftssysteme, eigene Religionen und einzigartige Formen der Magie mitbringen. Da kann einem schon mal der Kopf schwirren, und bei der Vielzahl der handelnden Charaktere war ich dankbar für das Personenverzeichnis am Anfang des Buches! Manchmal fiel es mir dennoch schwer, den Überblick zu behalten, gerade weil sich die Geschichte nicht nur über zwei Welten, sondern auch jeweils über zwei Zeitebenen erstreckt.


    Aber ich war sehr beeindruckt von der Vielfalt und dem Reichtum an bunten Details, die sich stimmig ins Gesamtbild fügen. Besonders das interessante Magiesystem hatte es mir angetan!


    Viele Szenen sind sehr cineastisch geschrieben, mit rasantem Tempo und viel Action. Das liest sich spannend und unterhaltsam, ist in meinen Augen allerdings nicht immer hundertprozentig logisch und glaubwürdig und enthält auch ein paar typische Filmklischees – zum Beispiel rast ein aufgemotzter Oldtimer mit 200 Sachen in eine Kurve, und der Fahrer bringt das Auto scheinbar mühelos noch in der Kurve zum Stehen. Das überspannte für mich gelegentlich ein wenig den Bogen!


    In manchen Szenen fand ich den Schreibstil großartig, mit einer dichten, lebendigen Atmosphäre, so dass man alles wirklich vor sich sehen und miterleben kann. Dann gab es wieder Passagen, in denen mir der Schreibstil eher flach erschien, mit relativ kurzen Sätzen


    Ein paar Dinge hätten sich meines Erachtens mit einem guten Lektorat / Korrektorat vermeiden lassen, wie zum Beispiel zahlreiche Wiederholungen von Wörtern und Phrasen, Rechtschreib- und Kommafehler oder verwirrende Perspektivwechsel innerhalb einer Szene oder sogar eines Abschnitts. Auch inhaltlich fielen mir ein paar Entwicklungen störend auf, wie zum Beispiel völlig überzogene Missverständnisse, die die Geschichte eher forciert in eine bestimmte Richtung lenken.


    Die wichtigsten Charakter wirkten auf mich überwiegend sehr gut geschrieben, stimmig, authentisch und glaubhaft. Einige davon habe ich ins Herz geschlossen und mit ihnen mitgefiebert und mitgelitten, manchmal auch über ihre Schrullen und Eigenheiten gelacht.


    Allerdings muss ich auch hier leichte Abstriche machen.


    Die emotionalen Reaktionen waren für mich zum Teil nicht angemessen. Einige Charaktere reagieren auch auf drastische und dramatische Entwicklungen seltsam gelassen: so stirbt in einer Szene ein Charakter plötzlich und unerwartet vor den Augen des Mannes, der seit über 700 Jahren (!!) sein Geliebter war, und der reißt sich innerhalb eines Absatzes, gefühlt innerhalb weniger Minuten, zusammen. Gut, die Situation ist prekär und erfordert rasches Handeln, aber dennoch... Nur ein paar Szenen später wird sein Gesichtsausdruck als ruhig und entspannt beschrieben.


    Besonders die weiblichen Charaktere sind meines Empfindens klischeebehaftet, und das fängt bei ihrer Kleidung an: die eine trägt martialische schwarze Lederunterwäsche (wie genau sieht martialische Unterwäsche aus?!), die andere eine hautenge Rüstung, die scheinbar einen tiefen Ausschnitt hat... Also typische Filmrüstung – Xena und Co. lassen grüßen!


    Es gibt eine Liebesgeschichte, die für mich völlig aus dem Nichts kam. Die beiden Charaktere haben weder Zeit noch Muße, sich kennenzulernen, aber die starke Kriegerprinzessin verwandelt sich plötzlich in ein Mädchen, das errötet und quiekt (!!) und natürlich auch bald schon auf seinen starken Armen davongetragen werden muss. Schade, denn die weiblichen Charaktere hätten das Potential, wirklich starke Charaktere zu sein.


    Abschließend möchte ich sagen, dass der Autor erfreulicherweise offen für Kritik ist und der zweite Sammelband auf jeden Fall ein Lektorat erhalten wird. Nach meinen letzten Informationen ist auch im Gespräch, den ersten Sammelband noch einmal zu überarbeiten.


    Fazit:
    Die großen Pluspunkte des Buches sind für mich die komplexe Welt und die vielen originellen Ideen, die der Autor in seine Geschichte einfließen lässt, auch wenn es dadurch manchmal schwer ist, den Überblick zu behalten. Der Schreibstil hat zahlreiche großartige Momente, die Charaktere haben alle viel Potential – jedoch beides mit Abstrichen. Für mein Empfinden liest sich die Geschichte zum Teil zu sehr wie ein Film, inklusive der üblichen Filmklischees, und der Schreibstil verläuft streckenweise etwas holprig. Gerade die weiblichen Charaktere werden in meinen Augen zu sehr auf Klischees reduziert, obwohl die männlichen zum Teil sehr glaubhaft und überzeugend wirken.


    Aber im Großen und Ganzen hat mich das Buch gut unterhalten und auch neugierig auf die Fortsetzung gemacht, für die ein Lektorat geplant ist, das hoffentlich ein paar der Kritikpunkte ausbügeln wird.