Axel Hacke - Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen

  • Kurzmeinung

    Lavendel
    Interessante Beleuchtung des Begriffs "Anstand" und unserer heutigen Gesellschaft. Hätte ruhig ausführlicher sein können
  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Konfus und ohne roten Faden, ich hatte mir mehr versprochen
  • Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen
    Autor: Axel Hacke
    Verlag: Antje Kunstmann (30.08.2017)
    ISBN-10: 3956142004
    Seiten: 192


    Inhalt:
    Wir leben in schwierigen Zeiten.
    Jeder von uns kennt Situation, wo er selber oder andere völlig unangemessen angepöbelt werden, mit einer Aggressivität, die uns die Sprache verschlägt.


    Axel Hacke nimmt sich in diesem Buch der schwierigen Frage über den Anstand an.
    Erstmal muss überhaupt geklärt werden, was ist denn Anstand?


    Seine Erläuterungen, Gedanken und Analysen kleidet er in ein Gespräch mit einem Freund.


    Was für Auswirkungen hat die Globalisierung und das Internet auf den Menschen?
    Gab es nicht schon immer Leute, die Parolen rausgehauen haben? Was hat sich verändert, das wir es plötzlich so deutlich und überall mitbekommen?
    Warum sind die Pöbler wie sie sind? Warum hauen sie mit einer solchen Aggressivität um sich?
    Und was können wir gegen all das tun? So wohl im Internet als auch ganz allgemein?


    Meine Meinung:
    Ein ganz wunderbares Buch, das erklärt und nachdenklich macht.


    Mir persönlich hat es sehr geholfen, den Frust- und Wutbürger besser zu verstehen. Ja, ich möchte sogar sagen, es hat mir geholfen, Mitgefühl zu entwickeln. Generell bin ich ja ein sehr empathischer Mensch, aber auf Intoleranz habe ich bisher immer nur mit Intoleranz reagiert. Das hat sich verändert. Ich denke jetzt eher: "Du arme Socke!".


    Unteranderem haben mir dabei zwei Aspekte des Buches gut geholfen.


    "Weil wir, ich sag`s schon wieder, in einer komplizierten Welt leben, in der im Riesenraum des Internets und der Globalisierung dauernd Dinge zusammenstoßen, die andernfalls irgendwie easy aneinander vorbeischweben würden. Und weil es eben ein Unterschied ist, ob man sich gegenüber sitzt und sich die Dinge ins Gesicht sagen muss oder man über seine Computertastatur gebeugt mal eben etwas in den Raum hinauströtet, und dann Kaffee kochen geht und die Sache vergisst, während der andere einen Eisbeutel auf die Beule legt, die ihm mit der erwähnten Rassismus-Keule geschlagen worden ist, oder wutschäumend eine Antwort verfasst, die der erste aber schon nicht mehr liest, weil er, wie gesagt, Kaffee kocht und dann seine Mutter anrufen muss.Und aus dem Baumarkt muss er ja auch noch was besorgen."


    Zusammen mit Axel Hackes Erläuterungen, warum Menschen ihre Keule mal in die Runde werfen, ziehe ich für mich die Schlussfolgerung daraus: Lass den anderen wüten, er meint nicht mich. Und wenn die Keule angeflogen kommt, gehe einfach einen Schritt zu Seite. Den er sitzt eh schon nicht mehr hinter dem PC.
    (Als Anmerkung: Die Rede ist von dem einfach Wutbürger, nicht von waschechten Nazis, die Asylantenheime abfackeln.)


    Der zweite Aspekt, der mir geholfen hat, hat ebenfalls mit meinem gewachsenem Verständnis zu tun, warum manche Menschen aggressiv sind.
    Viele sind überfordert mit unsere neuen Welt, fühlen sich verunsichert und ausgeliefert. Da es mir nicht so geht, kann ich es mir doch eigentlich leisten, etwas Nachsicht zu üben, wenn ich beim Bäcker angerempelt werde, statt gleich zurück zu meckern.


    " "Ich meine nicht nur >in Notsituationen<, ich meine ganz grundsätzlich: immer erst einmal den Menschen freundlich begegnen."
    "Warum sollte man das tun?"
    "Vielleicht, weil es der einzige Weg ist, die Welt wirklich zum Positiven hin zu verändern. Du wirst scheitern, wenn du versuchst, andere Menschen zu ändern, denn der einzige Mensch, den du wirklich ändern kannst, bist du selbst. Und wenn du selbst der Welt freundlicher entgegentrittst, hast du die möglicherweiße schon ein wenig gebessert."
    [....]
    "Freundlichkeit wird ausgenutzt."
    "Ich habe ja nicht gesagt, dass du blöd sein sollst." "


    In seinen Gedanken des Wutbürgers gegenüber wirkt er keinesfalls arrogant, sondern er versucht zu verstehen. Das war mir sehr sympathisch, denn ich hatte vorher schon arrogant Gedanken.


    Einziger Kritikpunkt ist, dass alles in einem durchgeschrieben ist. Ich hätte mir Kapitel gewünscht, in denen man doch schneller mal nachschlagen kann. Aber es lässt sich trotzdem leicht lesen und es ist sehr verständlich geschrieben.


    Für mich ein must-have Buch.
    Neben "Die Macht der Geographie" von Tim Marshall ist dieses Werk mein Sachbuch des Jahres.
    5 :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Leider kann ich mich Smartie in ihrer Bewertung des Buches nicht anschließen. Ich fand Hackes Ausführungen zu konfus, zu sprunghaft, ohne roten Faden durch seine Gedanken hindurch. Die Idee, das Gespräch mit einem Freund als Ausgangspunkt zu nehmen, ist zwar gut. Doch das Gespräch taucht sprunghaft auf, oft ohne an den vorherigen Gedanken anzuschließen, und genauso oft springt Hacke danach zu einem ganz anderen Aspekt seiner Gedanken und lässt das Gesagte mit dem Kommentar "dazu kommen wir später" einfach im Raum hängen.


    Sicherlich ist es schwierig, der Frage des Anstandes in unserer heutigen Zeit logisch und konsequent nachzugehen ohne sich zu sehr in Nebenschauplätzen zu verlieren. Doch meiner Meinung nach ist Axel Hacke genau das passiert: zu viel auf zu wenig Seiten, lose verknüpft, doch nicht logisch verknüpft für mein Empfinden. Nur in einem gehe ich mit Smartie konform: seine Unterscheidung zwischen dem "einfachen Wutbürger" und den militanten Rechten ist sehr gelungen und regt zum Nachdenken an, wie man mit den Menschen umgeht, die aus dem Moment heraus die falsche Haltung nach außen tragen. Aber insgesamt hat mich das Buch eher enttäuscht, leider.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Ich hatte das Buch Ende 2017 gelesen. Es hat mich enttäuscht, weil ich Axel Hacke als treffsicheren und pointierten Erzähler kenne, der auf eine ganz eigene skurrile Art Alltägliches betrachtet. Meist kleidet er seine Ansichten, Ideen und kritischen Äußerungen in kleine lockere Geschichten. Das Buch hier ist anders, und ich habe es nicht als zusammenhängendes Ganzes erlebt, sondern als Hin und Her zwischen verschiedenen Gedanken und Überlegungen, obwohl vieles von dem, was Hacke schreibt, durchaus bedenkenswert ist.


    Was Squirrel sagt, kann ich hundertprozentig unterschreiben. Ich war bisher leider nur zu faul, um einen Kommentar zu schreiben. :uups:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich war bisher leider nur zu faul, um einen Kommentar zu schreiben.

    wobei Du irgendwo im Forum damals einen entsprechenden Kommentar abgegeben hast, ich hab ihn nur nicht wiedergefunden. :wink:

    treffsicheren und pointierten Erzähler kenne, der auf eine ganz eigene skurrile Art Alltägliches betrachtet. Meist kleidet er seine Ansichten, Ideen und kritischen Äußerungen in kleine lockere Geschichten.

    Vielleicht ist das ja seine Stärke, die in dem Versuch, einen längeren Essay zum Thema zu schreiben, leider nicht zum Tragen kam.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Squirrel , oder hatten wir darüber gesprochen, denn ich hatte das Buch erst kurz bevor wir uns im Dezember trafen gelesen?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Squirrel , oder hatten wir darüber gesprochen, denn ich hatte das Buch erst kurz bevor wir uns im Dezember trafen gelesen?

    nee, hab zumindest den einen Kommentar wiedergefunden - schau mal hier. Wobei ich dachte, Du hättest noch mehr gesagt, aber da kann die Erinnerung täuschen. Jedenfalls warst Du schon während des Lesens nicht begeistert.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

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  • Du liest immer so interessante Bücher, Smartie. :loool: Cool finde ich auch, dass du, Squirrel, einen großen Gegenpunkt aufbaust. Das bietet einen guten Einblick ins Buch. Zumal ich auch finde, dass momentan und schon seit einiger Zeit lokaler Ärger zu schnell in die Ecke Wutbürger und rechter Populismus gedrängt wird.

  • Cool finde ich auch, dass du, Squirrel, einen großen Gegenpunkt aufbaust.

    naja, aufbauen in dem Sinn wollte ich gar nichts. Es ist einfach nur mein Empfinden, dass ich hier zum Ausdruck gebracht habe. Und leider wurde ich ja in meiner positiven Erwartungshaltung enttäuscht obwohl ich mich noch genau erinnere, wie ich das Buch kaufte mit dem Gedanken "endlich packt mal jemand dieses Thema an".

    viele Grüße vom Squirrel



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