Edna O'Brien - Das Mädchen mit den grünen Augen/The Lonely Girl/Girl with Green Eyes

  • Caithleen stammt aus einem kleinen Dörfchen in Irland. Seit einiger Zeit lebt sie mit ihrer Freundin Baba in Dublin, die beiden wohnen zur Untermiete bei einem älteren Ehepaar und versuchen, mit den bescheidenen Mitteln, die sie haben, das Leben zu genießen. Ihre Vergangenheit hat Caithleen hinter sich zu lassen versucht, nur widerwillig kehrt sie manchmal zu einem Besuch in ihr verwahrlostes Elternhaus zurück, in dem ihr trunksüchtiger Vater zusammen mit ihrer Tante wohnt. Die Mutter ist schon Jahre zuvor ums Leben gekommen.


    Eines Tages lernen sie und Baba den Dokumentarfilmer Eugene Gaillard kennen, einen weltgewandten, eleganten Mann, der Caithleen fasziniert. Nur zu gerne lässt sie sich auf eine Liebelei mit ihm ein, ist über beide Ohren verliebt, kann das nächste Zusammentreffen, auf das sie in der Anfangsphase oft länger warten muss, kaum erwarten.


    An dieser schwindelerregenden Verliebtheit gibt es nur einen Haken: Eugene ist verheiratet. Auch wenn er momentan von seiner Frau getrennt lebt, ist das im erzkonservativen, katholischen Irland ein unerhörter Skandal, und als die Affäre ans Licht kommt, kann Caithleen bei niemandem auf Verständnis hoffen.


    Der Roman entstand in der Zeit, in der er spielt, und dürfte somit ziemlich akkurat die damaligen Verhältnisse wiedergeben. Die moralische Entrüstung über Caithleens Verhalten ist groß, jeder fühlt sich berufen, seinen Senf dazuzugeben, und ihr Vater mit dem Alkoholproblem scheut auch nicht vor der Drohung zurück, notfalls die Fäuste einzusetzen.


    Eine fürchterliche Zwangslage, in der Caithleen steckt, denn mit der Zeit beginnt sie selbst an der Beziehung zu Eugene zu zweifeln, weil sie fast mehr unterscheidet als verbindet und er sie oft herablassend behandelt, was manchmal sogar an Demütigung grenzt. Was sie sich vor lauter Verliebtheit alles von ihm gefallen lässt, liest sich besonders für moderne Leser(innen) schauderhaft.


    Ich habe das Buch als recht bedrückend wahrgenommen. Es tut fast weh beim Lesen, wie Caithleen, die aus ihrer engen kleinen Welt ausbrechen will, zunächst sinnvolle Schritte unternimmt, wie nach Dublin zu ziehen und dort zu arbeiten, und sich dann sie auf diese Affäre einlässt, die ihr, eventuelle moralische Skrupel mal ganz beiseite, nicht guttun wird. Die Entwicklung, die sie dabei durchmacht, ist am Ende aber doch eine positive, und so schließt das Buch für mich dann auch mit einer versöhnlichen Note.


    Ein wenig schwergetan habe ich mich mit der Übersetzung von Margaret Carroux, der man das Alter deutlich anmerkt. Andererseits sorgt gerade dieser altbackene Touch für eine gewisse Authentizität. Ich hätte dennoch lieber das Original gelesen, weil ich annehme, dass die Sprache da weniger angestaubt klingt.

  • Das Original erscheint inzwischen unter dem Titel "Girl with Green Eyes", ursprünglich hieß das Buch im Original "The Lonely Girl", aber da finde ich mal wieder keine verlinkbare Ausgabe.

  • Ich habe das Buch vor über 10 Jahren kurz nach meinem ersten Irland-Aufenthalt gelesen, und ich erinnere mich vage an ein unbehagliches Gefühl wegen der dargestellten Doppel-Moral. Damals hatte ich auch über die Autorin nachgelesen und habe eben eine Information wieder gefunden, die mich schon damals fassungslos machte:


    O’Briens erster Roman war The Country Girls, 1960 (deutsch: Die Fünfzehnjährigen, 1961). Dieses Buch und zwei Fortsetzungen, The Lonely Girl (1962), und Girls in Their Married Bliss (1964), machten in Irland solche Furore, dass sie verboten und die Exemplare verbrannt wurden. Von Wikipedia kopiert
    Das ist mal gerade 50 Jahre her! :shock:


    Ich habe "The lonely Girl" als Audiobuch gefunden.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe das Buch vor über 10 Jahren kurz nach meinem ersten Irland-Aufenthalt gelesen, und ich erinnere mich vage an ein unbehagliches Gefühl wegen der dargestellten Doppel-Moral.

    Das ging mir genauso. Neben dem Verhalten der konservativen Leute aus Caithleens Dorf hat mich auch tierisch aufgeregt, wie Eugene mit ihr umgegangen ist, sie dauernd als doofes Landei hingestellt und belächelt hat, statt sie an die Hand zu nehmen und ihr einfach mal ein paar Dinge des raffinierteren Lebens beizubringen.


    O’Briens erster Roman war The Country Girls, 1960 (deutsch: Die Fünfzehnjährigen, 1961). Dieses Buch und zwei Fortsetzungen, The Lonely Girl (1962), und Girls in Their Married Bliss (1964), machten in Irland solche Furore, dass sie verboten und die Exemplare verbrannt wurden. Von Wikipedia kopiert

    Das ist ja heftig. Danke für diese Info, das wusste ich nicht. Unfassbar, sowas. Aber klar, für die damalige Zeit war das schon sehr skandalös, was in dem Buch abgelaufen ist.