Volkmar Sigusch - Neosexualitäten

  • Volkmar Sigusch: Neosexualitäten Über den kulturellen Wandel von Liebe und Perversion; Campus Verlag Frankfurt / Main 2005; 225 Seiten; ISBN: 3-593-37724-1


    Ganz egal, ob Cybersex oder Viagra zur Steigerung der Potenz - in unseren Tagen gibt es eine Fülle neuer sexueller Praktigen. Neosexualitäten und neue Lebensweisen gehen damit einher. Dieses Buch möchte einen Einblick in die neuen sexuellen Welten bieten.


    Sigusch ist dafür bestens geeignet. Er gilt nicht nur als Pionier der deutschen Sexualmedizin. Er ist auch Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft der Universität Frankfurt am Main.


    Inhaltlich bietet das Buch zweierlei und könnte daher als formal zweigeteilt angesehen werden.


    Im ersten Teil gibt es eine (sexual-)wissenschaftliche und gesellschaftliche Einführung in die Thematik. Wie arbeitet moderne Sexualwissenschaft? Worin unterscheidet sich von medizinischen, theologischen, politischen und anderen Fragestellungen? Auf welches Datenmaterial kann sie zurückgreifen?


    Die Ausführungen sind eher allgemeiner Natur. Die Veränderungen im kulturellen Bereich werden anhand von Texten und Schwarzweißfotographien herausgearbeitet.


    Als zweiten Teil könnte man das folgende Glossar bezeichnen. Auch hier gibt es einen alternativen Ansatz. Es werden nicht plump Begriffe aufgelistet und erklärt, die in der allgemeinen Öffentlichkeit als interessant und erregend erscheinen. Es wird schon als bekannt vorausgesetzt, was Cybersex und Viagra, Transsexualität und Zissexulität sind. Vielmehr werden Begriffe wie Politische Pornographie, Vorlust, Verklemmung oder Fetischcharakter der Liebe aufgeführt und gesellschaftlich eingeordnet.


    Auf den ersten Blick enttäuscht das Buch. Es enthält keine plumpe Pornographie. Themenbereiche wie Psychologie, Jura, Erziehungswissenschaften oder Medizin / Biologie fehlen völlig; eine deutlichere Beschäftigung damit hätte das inhaltliche Bild durchaus abgerundet.


    Beim zweiten Blick gefällt das Werk trotzdem. Jenseits aller Sensationsgeilheit regt es zum Nachdenken an. Brauchen wir wirklich Viagra? Wie steht es um Sexualität im Alter? Welche Bedeutung haben Ehe und Familie? Ist auch alles sinnvoll, sinnstiftend und sinngebend, was erlaubt und möglich ist? Ersetzt der Computer bald den Menschen? Solchen Fragen mögen hier nicht direkt gestellt werden. Indirekt aber schon. Die dazugehörigen Antworten liefern dann die Leser.