Daniel Kehlmann - Tyll

  • Danke, @Hirilvorgul, dass Du Dir die Arbeit gemacht hast. :thumleft: Schade, dass man nicht mehrmals "gefällt mir" klicken kann. :(


    Ich gehe davon aus, dass Du es hier vermeldest, falls Kehlmann sich bei Dir meldet?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich gehe davon aus, dass Du es hier vermeldest, falls Kehlmann sich bei Dir meldet?

    Auf jeden Fall.
    Und es war keine Mühe - eher eine neue Erfahrung. Ich hab noch nie bei einem Autoreninterview mitgeschrieben. Ich war erstaunt, dass ich das wirklich noch alles entziffern konnte, was ich da so schnell hingekritzelt hatte. :totlach:

    Gelesen in 2024: 7 - Gehört in 2024: 5 - SUB: 598


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Auf jeden Fall.Und es war keine Mühe - eher eine neue Erfahrung. Ich hab noch nie bei einem Autoreninterview mitgeschrieben. Ich war erstaunt, dass ich das wirklich noch alles entziffern konnte, was ich da so schnell hingekritzelt hatte. :totlach:

    und es hat sich für uns gelohnt, dass Du so eifrig mitgeschrieben hast, danke schön :friends: Interessante Einsichten und Aspekte. Tyll hab ich ja selbst als Klammer um die Geschichte empfunden, als den Teil, der die einzelnen Fragmente der Erzählungen zusammenhält. Da lag ich ja gar nicht so verkehrt. Der Eifer des Marketing hat in mir dann die falsche Erwartung geweckt - so wie der Titel bei Dir. Er war für mich insofern "der Protagonist" als er als einzige Figur so kontinuierlich überall auftauchte, auch wenn Liz auch recht präsent war. Aber trotzdem hab ich sie weniger in dieser Funktion gesehen, obwohl sie in weiten Teilen eine Rolle spielt. Es ist doch immer spannend, wie unterschiedlich wir alles wahrnehmen und was der Autor eigentlich in seinem Roman sieht, was er schreiben und ausdrücken wollte. Soviel zu unseren Interpretationen :loool:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Danke für Deine Mitschrift! Das fand ich wirklich interessant, wie sich unsere eigenen Eindrücke mit denen des Autors decken oder auch nicht. Mit hat der Begriff "Dämon"
    gut gefallen, und da fällt mir gleich wieder das "Irrlicht" ein, das @Klaus V. nannte - das passt so gut.


    Ich will nicht langweilen, aber würde gerne zu diesem Detail noch etwas sagen:

    Allein die Recherche über die Hexenprozesse hat DK beinahe ein Jahr lang aufgehalten, weil er immer tiefer darin eingetaucht ist. Er hat dabei – bei aller Grausamkeit – ein Verständnis für die Täter entwickelt, die doch aus tiefster Überzeugung gehandelt haben. Sie waren in ihrer Sicht das letzte Bollwerk gegen das übermächtige Böse, dem sie sich allein mit ihrem Glauben entgegen gestellt haben. Interessante Sichtweise des Autors, wie ich finde.

    Ich hatte beruflich einmal mit den Akten eines solchen Prozesses in Köln zu tun. Eine entsetzliche Geschichte, was Menschen aneinander antun. Aber es ließ sich, zumindest in diesem Fall, nicht abstreiten, dass die "Täter" grundsätzlich von guten Absichten getrieben wurden. Das hat mich sehr aufgewühlt. Und irgendwie freut es mich, dass Kehlmann diese Sache auch nicht schwarz-weiß, sondern differenzierter sieht.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • dass die "Täter" grundsätzlich von guten Absichten getrieben wurden.

    Davon war ich nie so ganz überzeugt. Das mag für Viele gegolten haben, aber sicher nicht für Alle. Ich könnte mir schon einge geistliche Verhör"spezialisten" als sexuelle Sadisten vorstellen, die dort ihre unterdrückten Gelüste ausgelebt haben. Des Weiteren spielte sicher auch die Tatsache, dass die Hinterbliebenen der Hingerichteten nichts erbten, sondern das Vermögen der Stadtkasse anheim fiel, eine Rolle.


    Und für manche Menschen war die "Besagung" (Denunziation) vielleicht auch eine gute Möglichkeit, missliebige Nachbarn oder Konkurrenten loszuwerden. Eine Ausschaltung der Konkurrenz durch die Taxis-Post habe ich im Fall der als Hexe hingerichteten Kölner Postmeisterin Katharina Henot schon immer vermutet.
    Allerdings gehöre ich auch nicht zu denjenigen, die an das Gute im Menschen glauben. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich gehe davon aus, dass sich jeder Mensch für gut hält. Auch wenn er die schrecklichsten Sachen tut, er wird es für sich so begründen können, dass es für ihn nicht (mehr) böse ist.
    In meiner Zeit als Psychotherapeut und aus meiner Zeit im Knast in Köln kann ich sagen, dass jeder fand, dass er so handeln musste wie er es getan hat. Das heißt nicht, dass nicht persönliches Interesse bis zu Gier im Spiele ist. Aber jeder glaubt, er habe abgewogen.
    Und um das Unsägliche zu sagen: Auch viele Nazigrößen waren bis zum Schluss der festen Überzeugung, Gutes für die Menschheit zu leisten.
    Die Leute, die sich selbst böse nennen, tun es meist als Attitüde, bzw. um eine Opferrolle zu verbrämen, oder indem sie eine spezielle böse Gruppe als Alternative verstehen, die mindestens für die Mitglieder eben wieder gut ist.

  • dass jeder fand, dass er so handeln musste wie er es getan hat.

    Dafür ist Heinrich VIII von England das beste Beispiel. Der hat sich alles schöngeredet und noch Gott als Alibi dafür genommen. Der Austausch von Ehefrauen wurde natürlich nur allein deshalb erforderlich, da die Ehen nicht wirklich gültig waren - erkennbar daran, dass Gott ihm den Sohn versagte. :roll:

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    (Francis Bacon)
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  • Davon war ich nie so ganz überzeugt. Das mag für Viele gegolten haben, aber sicher nicht für Alle

    Da magst Du Recht haben.
    Ich habe ja auch keine allgemeine Behauptung aufgestellt.


    Aber es ließ sich, zumindest in diesem Fall, nicht abstreiten, dass die "Täter" grundsätzlich von guten Absichten getrieben wurden.

    :winken:

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • ### Inhalt ###
    Tyll Ulenspiegel wächst während des 30 jährigen Krieges in Deutschland als Müllerssohn bei seinem Vater Claus und seiner Mutter Agneta Eulenspiegel auf. Die Familie lebt in einem kleinen Dorf mitten im deutschen Nirgendwo. Das Leben ist hart, Hunger ist ein täglicher Begleiter. Der Krieg kann jederzeit überall Einzug halten und die Wut der Soldaten beendet das Leben vieler Menschen von einem auf den anderen Augenblick. Aberglaube, Hexerei und Magie gehören zum Weltbild der Menschen und die Gelehrten beschäftigen sich mit Drakontologie, der Lehre über Drachen und wie man mit ihrem Blut die Pest heilen kann. Tyll übt sich in seiner freien Zeit im Seiltanz und Jonglieren. Nachdem sein Vater wegen Hexerei gehängt wird, flieht er mit Nele und seinem Esel Origenes und verdient sein Geld als fahrender Künstler. Auf seinen Reisen durch Raum und Zeit begegnet er Menschen verschiedenster Couleur vom einfachen Soldaten bis zum König, von Geistlichen bis zu gemeinen Mördern. Wir begleiten Tyll von Beginn bis Ende des Krieges. Durch Geschick und Witz weiß er sich jedesmal aus gefährlichen Situationen zu retten - doch auch er kommt nicht ungeschoren davon.


    ### Positives ###
    Der Schreibstil ist wunderbar direkt und eingängig, die Sprache ist Mittel, um Bilder entstehen zu lassen. Es wird die Geschichte des 30-jährigen Krieges erzählt, stark gerafft mit diversen Zeitsprüngen und durch schlaglichtartige Beschreibung von Szenen, in denen immer wieder Tyll aber auch andere Persönlichkeiten dieser Zeit eine Rolle spielen. Aus der Sicht der Handelnden Personen, erfährt man viel über den Glauben, die Gedankenwelt, die Gebräuche der Menschen und die Zustände dieser Zeit, über die Wissenschaft, die noch stark von Aberglaube, Magie und Gottesglauben geprägt ist, über Hexenverbrennung, über die Kriegsgräuel, die Ständegesellschaft, das Betragen am Hofe. Ich bin im Nachhinein erstaunt, was ich am Ende des Buches nun über so manches Detail aus dieser Zeit kenne.


    ### Negatives ###
    Nach dem Lesen des Buches waren die Handvoll Kapitel und die Szenen und Ereignisse, die dort aus der Sicht der verschiedenen Persönlichkeiten geschildert wurden doch recht wirr und ohne inneren Zusammenhang. Nun denke ich, dass das genau das sein könnte, was diese Zeit beschreibt. Hier ein Ereignis, dort ein Erlebnis, dort ein beendetes Leben, Tyll hier, Tyll dort, ...


    ### Fazit ###
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Schlaglichtartige Reise durch den 30 -ährigen Krieg manchmal aus Tylls Sicht, machmal aus der Sicht anderer.

    Der ideale Tag wird nie kommen. Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen. -- Horaz


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  • ### Negatives ###
    Nach dem Lesen des Buches waren die Handvoll Kapitel und die Szenen und Ereignisse, die dort aus der Sicht der verschiedenen Persönlichkeiten geschildert wurden doch recht wirr und ohne inneren Zusammenhang. Nun denke ich, dass das genau das sein könnte, was diese Zeit beschreibt. Hier ein Ereignis, dort ein Erlebnis, dort ein beendetes Leben, Tyll hier, Tyll dort, ...

    Genau das denke ich auch. Ich hätte gern eine Identifikationsfigur gehabt über das Geschehen hinweg. Genau das wurde mir nicht gegönnt. Es ist wie Aladin 1k1 sagt, das Buch schildert den Krieg in Episoden, einzelnen Vorkommnissen, scheinbar ohne einen sogenannten inneren Zusammenhang. Als hätte es den je gegeben, diesen Zusammenhang, egal in welchem Krieg.

    signed/eigenmelody

    Dear Life,

    When I said "Can my day get any worse?" it was a rhetorical question, not a challenge.

    -Anonymous