Maja Köllinger - Das Land der tickenden Herzen

  • Madness (Das Land der tickenden Herzen) - Maja Köllinger


    Drachenmond Verlag
    312 Seiten
    Märchenadaption
    Debüt
    Erscheint am 12.10.2017


    Inhalt:
    „Ich hätte wissen müssen, dass es keine gute Idee war, dem Kaninchen quer durch London zu folgen. Doch wer hätte denn ahnen können, dass dieses seltsame flauschig weiße Ding mit der Taschenuhr mich hierher bringen würde?
    Ich meine, wo bin ich hier überhaupt?
    Die Bäume bestehen aus Kupfer und ihre Blätter wiegen schwer wie Blei.
    Überall schwirren Käfer mit Flügeln aus Glas umher und am Firmament drehen sich gigantische Zahnräder, als würden sie allein diese Welt in Bewegung halten.
    Und dann …
    ist da noch Elric.
    Ein Junge, aus dem ich einfach nicht schlau werde und der so herz- und emotionslos scheint. Doch ich bin entschlossen, sein Geheimnis zu lüften, um zu erfahren, was der Grund für seine Gefühlskälte ist.
    Oh, und falls ich es noch nicht erwähnt habe: Ich bin übrigens Alice.
    Und wie es scheint, bin ich im Wunderland gelandet…
    kennst du vielleicht den Weg hinaus?“
    ~~~~~~~~~~~~


    Meinung:


    Mit ihrem Debüt entführt uns Maja Köllinger ins weltweit bekannte Wunderland.
    Ein jeder hat zumindest schon mal von dem Märchen rund um Alice im Wunderland gehört, etwas davon gelesen oder einen der unzähligen Filme gesehen, die zum Thema existieren.
    Man könnte also meinen, diese Adaption birgt die Gefahr langweilig zu sein.
    Schon längst bekannt. Viel zu oft gesehen.
    Könnte man.


    Und dann kreuzt die Autorin zwei so unterschiedliche Welten, nämlich Steampunk und Märchen, und erschafft daraus etwas Neues. Aufregendes. Kopfkino verursachend.


    Alice aus London ist ein Punk.
    Nicht ein solcher mit Irokesenschnitt, Tattoos und zerrissenen Klamotten, sondern eine Rebellin, die das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht nur vertritt, aber erlebt und leben will.
    Allein ihr Äußeres zeigt schon, wie anders sie ist.
    Und als sie nach einer Szeneparty in einem Londoner Park durch ein Kaninchenloch ins Wunderland fällt, wird auch ihr langsam bewusst, wie bedeutsam dieses "Anderssein" ist.


    Die einzige Ähnlichkeit, die "Madness" mit dem normalen Wunderland aufweist, sind die fünf bekannten Protagonisten:
    Die Raupe, der Hutmacher (Elric), die Grinsekatze (Grinser), das Kaninchen und die Herzkönigin.
    Und da endet es auch schon.


    Für alle, denen Steampunk kein Begriff ist, frei von mir zusammengefasst heißt das:
    Alles glänzt, ist aus Metall, mechanisch und tickt, rotiert, stößt Dampf aus, knistert und knarzt - im Zusammenspiel mit alten (meist) viktorianischen, robusten Klamotten.
    Neu trifft sozusagen auf alt.


    Das ist auch das Motto dieser Adaption.
    "Was war das bloß für eine kuriose Welt, in der Totes und Materielles anfing, zu leben?"
    (Pos. 491 von 4422)


    Der Schreibstil der Autorin ist wahnsinnig gut kalkuliert. Ein perfektes Gleichgewicht zwischen frisch, jugendlich, leicht zu lesen und enormer Bildgewalt.
    Sie hat es geschafft mit wenigen Worten ganz Wunderland in meinen Kopf zu zaubern, eine Fähigkeit, die die meisten nicht mal ansatzweise beherrschen.
    In vielen Büchern wirken Landschaftsbeschreibungen langatmig, uninteressant und machen nichts her.
    Bei Madness jedoch sind die genaueren Umschreibungen notwendig, sie gehören zur Geschichte dazu und machen sie greifbar - dabei nicht ins Langgezogene abzuschweifen ist sehr schwer, aber Maja hat das gemeistert.


    Auch die Protagonisten sind ihr gut gelungen, obwohl ich hier einen kleinen Kritikpunkt habe:
    Alice ist ein Punk und diese Tatsache geht meist mit einer rebellischen Ader einher, die mir aber zu Beginn des Buches zu wenig im Vordergrund stand.
    Natürlich hat man in einer unbekannten Umgebung immer zuerst Angst, aber sie hat sich extrem schnell angepasst und die Wandlung von Unwissen in Faszination, sowie ihr Umgang mit Elric, die Entwicklung der Gefühle - das ging mir ein wenig zu fix, auch wenn man alles unter dem Aspekt des Abenteuers betrachten muss.


    Zu Beginn des Buches muss man sich ein wenig in die Steampunkwelt eingewöhnen, aber sobald man das Wunderland betritt kommen die Bilder wie von selbst.
    Und auch die tickenden Herzen spielen in der Adaption eine große Rolle.
    Allein auf so eine Idee zu kommen, verdient schon Anerkennung, denn wenn man will, so hat die Mechanik in dem Märchen auch etwas Symbolisches.
    Einen Bezug zum ewigen Fortschritt unserer Welt.


    Fazit:


    Mit "Madness" hat die Autorin ein Debüt geschrieben, nach dessen Lektüre man auf weitere so fantastische Geschichten aus gleicher Feder hoffen darf.
    Es wurde bewiesen, dass Wunderland und Steampunk super harmonieren, wenn auch in einer düsteren, etwas dunkleren Atmospähre - sozusagen in Dunst und Rauch gehüllt.
    Außerdem wirft die Adaption ein ganz neues Licht auf den verrückten Hutmacher, die Grinsekatze wirkt weiser als die Raupe und Spannung wird vor allem durchs Kopfkino erzeugt.


    Summa summarum ergibt das eine faszinierende Fantasywelt mit einem Hauch Liebe und einem großen Abenteuer für ein kleines Mädchen.
    Version Alice 2.0 gefällt mir viel besser als die alteingesessenen Storys und ich vergebe 5 von 5 :bewertung1von5: Sterne.