Jakob Nolte - Schreckliche Gewalten

  • Inhalt:
    Eines Nachts verwandelt sich Hilma Honik in einen Werwolf und tötet ihren Mann. Von nun an sind ihre beiden Kinder auf sich selbst gestellt : immer in der Angst, die Bestialität liege in der Familie und könne auch von ihnen Besitz ergreifen. Während sich Iselin dafür entscheidet, in ihrer Heimatstadt Bergen mit ihren Mitbewohnerinnen die Terrorzelle »Mädchen im System« zu gründen, bereist Edvard die Ränder der Sowjetunion auf seinem Weg nach Afghanistan. Es beginnt eine fantastische Sinnsuche durch das 20. Jahrhundert und die Unwägbarkeiten menschlichen Verhaltens. (Quelle: Amazon.de)


    Positives:
    Das Buch hat mich direkt in seinen Bann gezogen! Zum Inhalt möchte ich gar nicht viel sagen, die Erzählweise hat mich allerdings sehr beeindruckt! Der Autor kann sich sehr gewählt ausdrücken, benutzt Wörter die nicht mehr so geläufig sind, setzt diese aber auf eine moderne Art und Weise ein. Vor allem das gelegentliche Einwerfen von irgendwelchen Fakten rund um nur kurz angerissene Themen verleiht der Geschichte irgendwie einen gewissen Charme und ist auch echt interessant, gibt den Geschehnissen dabei eine gewisse Belanglosigkeit und Beiläufigkeit, wie sich schon an der ersten Seite des Buches sehen lässt:


    "Eines Nachts, als die Sonne gerade 564 Millionen Tonnen Wasserstoff in 560 Millionen Tonnen Helium fusionierte und ein Teil der dadurch freigesetzten Wärme in 8 Minuten und 17 Sekunden später als Licht den Mond erreichte, und dieser Mond, der nicht wirklich ein Planet ist und nicht wirklich ein Stern, sondern ein Mond, voll erleuchtet am Himmel stand, erblickte ihn die Mutter von Iselin und Edvard Honik, war erfasst von seiner Sanftmut, verwandelte sich in ein wölfisches Wesen, biss ihrem Gatten den Nacken durch, zerfleischte Teile seines Oberkörpers und schlief wieder ein."


    Negatives:
    Die vielen Fakten und Sprünge im Buch können auch ablenken. Vor allem beim Ende möchte ich einen Kritikpunkt anbringen. Im zweiten, zugleich letzten und kurzen Teil des Buches wird auf einmal ein Handlungsbruch vollzogen. Durchaus möglich, dass in dieser kleinen Geschichte Parallelen zu der vorherigen gezogen werden können, ich habe sie jedenfalls nicht auf Anhieb ausmachen können.


    Fazit:
    Das Buch ist ungewöhnlich geschrieben, enthält auch einige zeitliche sowie inhaltliche Sprünge und ist wegen der erwähnten oft vorkommenden "Neben-Informationen" nicht sehr leicht zu lesen, teilweise kommt in dem Buch mitten im Satz eine Klammer vor, in der eine weitere Geschichte erzählt wird, und nach 50 Seiten wird die Klammer zu gemacht und der Satz geht weiter - hier muss man also höllisch aufpassen. Mir gefällt es sehr gut, teilweise recht düstere Thematik, ist aber sicherlich Geschmackssache. Das Buch ist immerhin auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2017 gelandet - verdient, wie ich denke! 4 Sterne von mir!

  • Warum konnte man nichts zerstören, ohne etwas dabei zu erschaffen?


    Die Geschichte des gewaltsamen Widerstands am Beispiel norwegischer Werwölfe - Enschuldigung, wölfischer Wesen. Ein bisschen wie Wikipedia, nur ohne Internet.
    Ich bin selbst überrascht, aber das hat mir tatsächlich gut gefallen. Der fabel-hafte 2. Teil vielleicht noch ein wenig mehr als der erste, wenn ich die Pointe auch etwas vorhersehbar fand. Und ja, obwohl es zunächst nicht so aussieht, gibt es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Teil 1 und 2.


    Nolte dreht hier ziemlich frei. Der Bruch mit sämtlichen Erzählkonventionen und die post-faktischen Einschübe können unglaublich nerven. Allerdings habe ich ein unerklärliches Faible für Leute, die unglaublich nervige Literatur schreiben. Bei Nolte wirkt das Experimentelle zudem nie bemüht, sondern ganz natürlich. Das Ergebnis ist ganz bestimmt kein gefälliges Buch, hat aber meinen Humor getroffen. Obwohl es eigentlich eine recht traurige Geschichte ist.


    Also, was soll der Geiz? Höchstwertung. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Selber lesen macht kluch."


    If you're going to say what you want to say, you're going to hear what you don't want to hear.
    Roberto Bolaño