Sarah Perry - Die Schlange von Essex / The Essex Serpent

  • Kurzmeinung

    novelista
    Eigenartige Charaktere, die einen nicht mehr loslassen. Sprachlich ein Genuss! Genial erzählt.
  • Kurzmeinung

    Leila2002
    Tolle, düstere Atmosphäre, interessante und vielschichtige Charaktere und eine ausgezeichnete Sprache.
  • Verlagsinfo


    London im Jahr 1893. Nach dem Tod ihres Mannes verlässt Cora Seaborne die Hauptstadt und reist gemeinsam mit ihrem Sohn Francis in den Küstenort Aldwinter. Als Naturwissenschaftlerin und Anhängerin der provokanten Thesen Charles Darwins gerät sie dort mit dem Pfarrer William Ransome aneinander. Beide sind in rein gar nichts einer Meinung, beide fühlen sich unaufhaltsam zum anderen hingezogen.


    "Ein wundervoller Roman über das Leben, die Liebe und den Glauben, über Wissenschaft und Religion, Geheimnisse und die komplizierten und unerwarteten Wandlungen des menschlichen Herzens. So gut, dass die Seiten von innen heraus leuchten." Helen MacDonald


    Meine Meinung


    Total ungewöhnlich und erfrischend anders als erwartet!


    Das Buch ist mir als erstes durch das Cover aufgefallen - eigentlich gar nicht meins durch diese vielen Details und den Stil, andererseits aber gerade dadurch wieder etwas ausgefallenes, was ins Auge sticht. Vor allem auch unter dem Schutzumschlag ist das Buch in dunklem Grün mit so einer Oberfläche wie Schlangenhaut. Eine originelle Idee!


    Der Titel und der Klappentext haben mich dann noch neugieriger gemacht, und ich habe wieder einmal etwas ganz anderes bekommen, als ich erwartet hatte: und zum Glück war es eine positive Überraschung!


    Das viktorianische England wird hier ganz anders dargestellt, wie in vielen anderen Geschichten. Die Autorin merkt das auch in ihrem Nachwort an, dass sie von anderen Werken inspiriert wurde, die das gesellschaftliche Leben im 19. Jahrhundert ganz anders interpretiert haben. Ich war immer wieder erstaunt und hab mich köstlich amüsiert, welchen Umgangston, welche Gedanken und Gefühle die Figuren in dieser Geschichte widergespiegelt haben.
    Ob arroganter Gentleman, vermögender Kavalier, vom Ehrgeiz zerfressener Arzt oder resolute Freundin aus der Unterschicht ... dieses Buch beinhaltet ein wahres Sammelsurium an unterschiedlichen Charakteren, die allesamt einen vielleicht negativen Touch haben aber auch etwas anrühriges, so dass sie einem doch irgendwie ans Herz wachsen.
    Man kann sich in jede der Figuren sehr gut hineinversetzen, denn es wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und dabei jedem genug Raum gegeben um zu zeigen, dass jeder von ihnen trotz einiger unvorteilhafter Charakterzüge ein wunderbarer Begleiter und Freund sein kann.


    Vor allem natürlich Cora Seaborne, die Witwe, die nicht trauert - sondern erleichtert ist, endlich dem Joch der Ehe entkommen zu sein. Sie musste sehr leiden unter ihrem hartherzigen Mann, der ihr jahrelang eingebläut hat, wie schwach und unzulänglich eine Frau ist. Gerade deshalb will sie jetzt diese "Fraulichkeit" abstreifen, trägt einen viel zu großen Herrenmantel und plumpe Stiefel und begiebt sich auf die Spuren Charles Darwins.
    Mit dem Pfarrer William Ransome und dessen Familie, die sie während ihrer Suche nach der Schlange von Essex kennenlernt (die immer wieder als Legende und Gerücht auftaucht und für all die schlimmen Unglücke zur Verantwortung gezogen wird), verbindet sie sofort eine gewisse Verbundenheit.
    Zuviel will ich dazu aber nicht verraten, nur dass sich alles anders entwickelt, als man vielleicht erwartet hat.


    Die Geschichte wird nie langweilig, denn nicht nur die sonderbare Beziehung zwischen Cora und William steht im Mittelpunkt, auch die anderen Figuren, ihre Wünsche und Sehnsüchte und die geltenden Klassenunterschiede in und um London geben dem ganzen eine kurzweilige Abwechslung, aber auch einige berührende und zum Nachdenken anregende Momente.
    Das ganze wird vor allem durch den Schreibstil zu etwas besonderem - ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Sarah Perry benutzt viele Metaphern, die aber nicht abgenutzt wirken sondern frisch und lebendig; sie hauchen dem Leben der Figuren eine ganz besondere Atmosphäre ein und trotz vieler sprunghafter Wechsel von einem Geschehen zum anderen, hatte es einen angenehmen Rhythmus, der flüssig zu lesen war.


    Wer gerne mal in die viktorianische Zeit eintauchen will, ohne sich mit den üblichen Mustern zu belasten, sollte das Buch auf jeden Fall ausprobieren. Es hat eine ungewohnte gesellschaftliche Spielart, außergewöhnliche Charaktere und eine Tiefe, über die man hinwegliest und der man sich erst einige Augenblicke später so richtig bewusst wird. Dabei ist es auch amüsant, unterhaltsam, mit vielen grundsätzlichen Fragen, die man überlesen, aber auch etwas mehr darüber nachdenken kann.
    Aberglaube, Gott und die Wissenschaft, Neigungen und Hoffnungen, die Leichtigkeit des Lebens und die Schwermut und natürlich die Liebe ... das alles vereint ergibt es ein wunderschönes Leseerlebnis!


    Fazit: 4.5 Sterne


    © Aleshanee
    Weltenwanderer

  • beide fühlen sich unaufhaltsam zum anderen hingezogen.

    Ohne diese - vermutlich vorhersehbare - Liebesgeschichte könnte das Buch thematisch in mein Beuteschema fallen. Schade, dass AutorINnen immer meinen, ohne Liebesgeschichte nicht auskommen zu können!

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Rezi klingt so interessant @Aleshanee, dass man es fast riskieren sollte.

    Wenn die Onleihe es anschafft, lese ich auch mal rein. Aber kaufen werde ich es nicht.

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    (Francis Bacon)
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  • Ohne diese - vermutlich vorhersehbare - Liebesgeschichte könnte das Buch thematisch in mein Beuteschema fallen. Schade, dass AutorINnen immer meinen, ohne Liebesgeschichte nicht auskommen zu können!


    Diese "Liebesgeschichte" ist alles andere als normal oder vorhersehbar und entwickelt sich auch völlig anders als man denkt!!!
    Es geht sogar eigentlich sehr viel um Liebe bzw. die Beziehungen unter den Charakteren - aber das ganze Leben besteht aus den Beziehungen zu anderen Personen, ob Freundschaften, Feindschaften oder eben die Liebe ;)
    Ich mag auch keine Liebesgeschichten, ob erzwungen oder nicht, aber hier war das ganze wunderbar in die Geschichte mit eingesponnen - wenn du dich nur davon abhalten lässt, wäre es wirklich schade

  • Cora Seaborne ist endlich frei, um das richtig zu spüren reist sie nach Essex an die Küste und stößt dort auf einige Ungereimtheiten. Die Bewohner fürchten sich vor einem Seeungeheuer und der Pfarrer ist nicht so wie erwartet.
    Eine Geschichte über die Wahrheit und Unwahrheit, aber vor allem über die Liebe in all ihren Facetten.
    Bereits beim Lesen der Leseprobe habe ich mich in das Buch verliebt und diese Verliebtheit hat sich beim Weiterlesen zu einer echten Liebe entwickelt.
    Das Buch hat als großes Thema die Liebe, kommt angenehmer Weise aber völlig ohne kitschige Situationen aus, sondern schildert das Leben vieler Menschen auf eine präzise Art und Weise.
    Besonders fasziniert hat mich der Schreibstil, der viele Bilder enthielt (vor allem was Natur anging) und gleichzeitig fließend und mitziehend auf mich wirkte, ohne eine dramatische Wortwahl zu brauchen. Herrlich unaufgeregt.
    Ein weiterer Pluspunkt war für mich die Art und Weise, wie Sarah Perry die historische Zeit im Buch verarbeitet hat. Ich bin kein großer Fan von Historienschinken, da dort die Zeit meist stark abgegrenzt und betont wird, sodass gefühlt immer etwas zwischen mir und dem Buch steht. Bei diesem Buch (das im 17 Jahrhundert spielt) war das glücklicherweise nicht der Fall. Die historische Zeit war nicht so vehement in den Vordergrund gezerrt und spielte in jedem Satz eine Rolle, sondern blieb sanft im Hintergrund.
    Die Figuren des Buches wirkten auf mich alle sehr tiefgreifend und in ihren Handlungen sehr menschlich. Die Charaktere hatten Ecken und Kanten, die gut beleuchtet wurden, so dass sich die Story echt angefüllt hat.
    Und auch die enthaltenen Briefwechsel zwischen den Figuren haben zu einer ganz besonderen Mischung beigetragen.
    Da ist Liebe und der Zwist zwischen Aufklärung und Glaube, da sind Briefwechsel und ein ganz bestimmtes Jahrhundert, all das schließt sich für mich sehr schlüssig zu einem wunderbaren Roman zusammen und eben einer ganz besonderen Mischung. Eine Empfehlung von Herzen ;)

  • Beitrag an den passenden Thread angehängt :wink:


    @blaues-Herzblatt wenn Du eine Rezension einstellst, musst du unbedingt in die Titelzeile den Namen des Autors sowie den Titel eintragen, sonst weiß ja niemand welches Buch Du besprichst. Außerdem bietet es sich an, vorher zu schauen, ob es bereits einen Thread zum Buch gibt, und dann dort den Beitrag anzuhängen. Da Du wenigstens im Text die Autorin genannt hast, konnte ich den Post zuordnen. :wink:

  • Der Verlag über das Buch
    London im Jahr 1893. Nach dem Tod ihres Mannes verlässt Cora Seaborne die Hauptstadt und reist gemeinsam mit ihrem Sohn Francis in den Küstenort Aldwinter. Als Naturwissenschaftlerin und Anhängerin der provokanten Thesen Charles Darwins gerät sie dort mit dem Pfarrer William Ransome aneinander. Beide sind in rein gar nichts einer Meinung, beide fühlen sich unaufhaltsam zum anderen hingezogen.
    Anmutig und intelligent erzählt dieser Roman – noch vor allem anderen – von der Liebe und den unzähligen Verkleidungen, in denen sie uns gegenübertritt.


    Über die Autorin (Quelle Wikipedia)
    Sarah Perry wurde 1979 in Chelmsford, Essex, in eine strenggläubige Baptistenfamilie geboren. Aufgrund ihrer Erziehung hatte sie keinen Zugang zu zeitgenössischer Kunst und Literatur, daher flüchtete sie sich in klassische Musik und Literatur, was ihren späteren Schreibstil beeinflusste. Perry studierte Creative Writing an der Royal Holloway University und schloss mit einem Doktortitel ab.
    Bereits Perrys 2014 veröffentlichter Debütroman „Nach mir kommt die Flut“ erhielt von der Kritik viel Lob.
    Ihr zweiter Roman „Die Schlange von Essex“ war ein großer Überraschungserfolg in Großbritannien und schoss an die Spitze der Bestsellerlisten. Der Roman gewann den Titel des britischen Buchpreises 2017 für den besten Roman und das beste Buch insgesamt und war für zahlreiche weitere Preise nominiert.
    Sarah Perry schreibt außerdem zahlreiche literarische Kritiken für den Guardian und die Financial Times.


    Wie es mir gefallen hat
    Allein die Aussicht, mich an scharfsinnigen Auseinandersetzungen zwischen einer Anhängerin Darwins und einem aufgeklärten Geistlichen am Ende des 19. Jahrhunderts erfreuen zu dürfen, hat mich zu diesem Buch greifen lassen. Was durchaus verheißungsvoll, weil recht ungewöhnlich begann, wurde alsbald zu einer herben Enttäuschung.
    Jede Menge skurrile Figuren bevölkern Sarah Perrys hochgelobten Roman, beeindruckende Landschaftsbeschreibungen zeugen vom schriftstellerischen Können der Autorin, durchaus unerwartete dramatische Ereignisse künden von ihrer Fantasie – und doch wurden meine Erwartungen nicht annähernd erfüllt. Meiner Meinung nach hat sie auf nur 496 Seiten viel zu viele Themen angesprochen, und ist keinem wirklich gerecht worden. Aktuelle Ereignisse der Zeit, etwa die sozialen Missstände in Londons Elendsvierteln, wagemutige chirurgische Eingriffe, oder die Hypnose als neueste Sensation, werden zwar mit den Lebensläufen der Protagonisten verwoben; doch gerade diese Verbindungen wollen nicht so recht gelingen, sich nicht harmonisch in die Gesamtkonstruktion einfügen.
    Besonders schmerzlich habe ich die (im Klappentext angesprochene) naturwissenschaftliche Komponente der Geschichte vermisst. In einer einzigen kurzen Szene, die keine Seite füllt, sitzen Cora und der Pfarrer William Ransome in dessen Arbeitszimmer nebeneinander am Schreibtisch, „... schlagen Bücher auf, schieben sie wieder beiseite; ob er, fragt sie, dieses oder jenes schon gelesen habe und was er davon halte; selbstverständlich, antwortet er, und halten tue er gar nichts davon. … Sie reiben sich aneinander, jeder ist Wetzstein und Messer zugleich, und wenn das Gespräch auf den Glauben und die Vernunft kommt, haben sie ihre Argumente parat, erschrecken einander durch kurze Ausbrüche von Übellaunigkeit.“ Leider lässt es die Autorin damit aber auch schon bewenden; an keinem einzigen scharfsinnigen Disput darf der Leser teilhaben, nicht einmal die grundlegenden Standpunkte der beiden Kontrahenten werden zur Sprache gebracht.
    Gewiss wollte Sarah Perry mit ihrer nicht besonders hübschen, stets in schmutzigen Kleidern durch die Gegend hastenden Cora nebst sämtlich schrullig-genialen Protagonisten besonders originelle Charaktere schaffen, und hat in ihrem redlichen Bemühen dabei meiner Meinung nach etwas zu dick aufgetragen. Eine bodenständige, kinderreiche Pfarrersfamilie im viktorianischen England mit einem zwischen Glauben, Verstand und Gefühl hin und her gerissenen Familienoberhaupt hätte ich mir auf jeden Fall ganz anders als hier geschildert vorgestellt.
    Letzten Endes wurde mir eine Mischung aus Geister- und (moderater) Liebesgeschichte serviert, sprachlich zwar auf sehr hohem Niveau, inhaltlich aber weit hinter meinen Erwartungen zurückliegend. Zum chaotischen Handlungsstrang hingegen hätte sich wohl kein passenderes Cover finden lassen.

  • @€nigma - Wegen der Liebesgeschichte bräuchtest Du keine Bedenken zu haben, die nimmt fast keinen Raum ein. Ob Dir der Rest gefällt ist fraglich.
    Ich habe auf jeden Fall wieder für einige Zeit genug von der Belletristik ... :roll:

  • "Wenn wir der Versuchung widerstehen, dann gewöhnlich deshalb, weil die Versuchung schwach ist und nicht, weil wir stark sind." (François VI. Duc de La Rochefoucauld)
    London 1893:
    Die junge Cora Seaborne will mit ihrem Sohn Francis nach dem Tod ihres Mannes ein neues Leben beginnen. Sie freut sich auf ihre neu gewonnene Freiheit, den ihre Ehe mit ihrem Mann Michael war nicht gerade einfach gewesen. Sie hatte nie in diese Gesellschaft Londons gepasst. Darum ist sie auch froh, dass sie ein paar Tage in Aldwinter bei Essex verbringen kann, dort lernt sie auch das Pastorenehepaar Ransome kennen. Auf Anhieb versteht sie sich mit Stella Ransome sehr gut. Doch in Aldwinter geht das Gerücht, um das es von der Schlange von Essex heimgesucht wird. Immer wieder verschwinden Tiere oder werden tot aufgefunden, am Neujahrsmorgen findet man dann noch die Leiche eines jungen Mannes. Für Cora, die die Lehre Darwins liebt, ist sofort klar, dass es bestimmt eine unbekannte Tierart sein würde, die sich ihr irgendwann offenbaren wird. Pfarrer Will Ramsone hingegen glaubt nicht an Legenden und mystische Dingen, er denkt, dass es für das ganze eine einfache Erklärung gibt. So entwickelt sich zwischen den beiden eine besondere Beziehung, die in Diskussionen, Briefen bis hin zur Liebe führt. Doch diese Liebe steht unter keinem guten Stern den Will ist verheiratet und Stella ist dazu noch schwer erkrankt. Trotzdem wird ihre Begegnung ihr Leben verändern.


    Meine Meinung:
    "Etwas Geteiltes ist ein Ding, das zerrissen wurde und gleichzeitig ist es das, was zwei Menschen verbindet." (Auszug aus dem Buch)
    Dieses literarische Werk spielt zu viktorianischen Zeit Englands, als es viele Nöte in Form von Hunger, Armut und gleichzeitig der Spalt zwischen Arm und Reich immer mehr auseinanderdriftet. Wohnungen in London sind Mangelware oder zu teuer, Legenden werden in den kleinen Orten Englands verbreitet, viele werden durch Aberglaube beherrscht. Die Autorin hat dies alles in ihrem Buch aufgegriffen und in ihrem Roman verarbeitet. Es geht also nicht nur um die Legende eines Meerungeheuers, das es damals wirklich gab, sondern auch um die Lebensumstände zu dieser Zeit. Aber auch der Glauben, die Naturwissenschaft und wie selbst ein Pfarrer an die Grenzen seines Glaubens kommt, wird hier aufgezeigt. Der Schreibstil ist sehr schön, blumig, bildhaft, aber teilweise auch wieder nicht einfach. Dieses Buch kann man nicht einfach nur so zu Unterhaltung lesen und es wird sicher auch nicht jedermanns Geschmack sein. Meiner Ansicht kommt die Autorin nicht an Charles Dickinson heran, da ich seine Bücher sehr schätze. Trotzdem bin ich beeindruckt, wie diese junge Autorin diese damalige Zeit schildert. Vielleicht hätte man das eine oder andere Kapitel etwas abkürzen können und auch das Ende hat mich ein wenig enttäuscht zurückgelassen. Aber allemal ist es ein sehr guter zeitgenössischer Roman, dem ich 4 vom 5 Sterne gebe. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::applause::thumleft:

  • Ob Dir der Rest gefällt ist fraglich.

    Ich habe soooo viele Bücher auf dem SuB, dass ich auf dieses getrost verzichten kann. Nur, falls unsere Onleihe es anschafft, werde ich es möglicherweise antesten. Das Cover fand ich übrigens auch schon beim ersten Anblick sehr chaotisch.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Dieses Buch kann man nicht einfach nur so zu Unterhaltung lesen

    Doch, liebe claudi, ich wollte es schon zur Unterhaltung lesen, nur habe ich mich dabei leider nicht sehr gut unterhalten. Der Stil hat mir zwar gefallen, aber wiederum nicht so gut, dass er mich über den meiner Ansicht nach recht schwachen Inhalt hätte hinwegtrösten können.
    Wie schon oben erwähnt, hat mir die Autorin zu viele Themen auf zu wenigen Seiten verpackt, und die einzelnen nicht genügend ausgearbeitet.
    Aber, wie Du richtig geschrieben hast, :friends: das Buch ist nicht jedermanns Sache, wird vielen anderen aber wiederum sehr gut gefallen. So ist das eben in der Welt der Literatur - und so ist es auch gut.

  • Ich habe gestern das Buch zu Ende gelesen und wollte mich auch mal wieder an einem kurzen Leseeindruck versuchen.:uups:


    Ich habe von diesem Buch im Deutschlandfunk gehört, da es den Britischen Buchpreis gewonnen hatte, wurde darüber berichtet. Ich fand das Thema interessant, ich fand das Cover umwerfend, also habe ich es mir gekauft. :loool:


    Auch ich habe etwas anderes vorgefunden, als ich erwartet hatte. Trotzdem konnte mich die Geschichte in ihren Bann ziehen. Es war mal was anderes.

    Die Darstellung des viktorianischen Englands fand ich gelungen, auch wenn jede Gesellschaftsschicht nur bruchstückhaft behandelt wurde.

    Dieses Springen in den Handlungssträngen hat das Buch ein wenig uneinheitlich wirken lassen und hatte deswegen ein paar Längen.


    Das Mystische hat mich auch sehr angesprochen und war nicht zu erwarten gewesen.


    Die Charaktere waren zwar etwas übertrieben dargestellt, das stimmt schon, aber mich hat das nicht gestört. Ich fand das eher interessant und es hat die Geschichte besonders gemacht.


    Der Schreibstil war, wie Silly schon schrieb, auf einem hohe Niveau und meiner Meinung nach ein Hochgenuss. :drunken:Die Atmosphäre, die die Autorin dadurch schuf, war oft düster und geheimnisvoll.


    Für meinen Geschmack hätte die Liebesgeschichte noch intensiver sein können. :wink: Aber da sind ja Geschmäcker anders.


    Was mir ein wenig fehlte war die Darstellung des darwinistischen Denkens. Die kam mir irgendwie zu kurz.


    Was mir aber am meisten gefallen hat, war die unterschwellige Tiefe, die man nicht immer bemerkt hat.

    Aleshanee hat es sehr deutlich beschrieben:


    und eine Tiefe, über die man hinwegliest und der man sich erst einige Augenblicke später so richtig bewusst wird.

    Diese ließ mich oft über das Geschriebene nachdenken und das war auch einer der Gründe für meine hohe Bewertung.


    Alles in allem ein gelungener Roman. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Ich habe alle Meinungen durchgelesen und muss nun meinen Senf auch dazugeben.


    Zum Inhalt etc. ist schon hinreichend geschrieben worden, daher nur mein Leseeindruck.


    Das Cover finde ich sehr schön. Diese grüne Schlange, die sich durch jugendstilartige Blüten windet und die Schrift, die sich den Windungen anpasst - mich hat das Cover angesprochen, es hat mir signalisiert: "Hier ist ein schöner Schmöker!"


    Wer hinter diesem Cover aber einen schaurigen und temporeichen historischen Roman vermutet, liegt falsch. Passend zur viktorianischen Epoche, in der der Roman spielt, entfaltet sich der Plot eher behäbig. Er entwickelt sich auch nicht immer wie erwartet, und die Autorin führt den Leser immer wieder mit seiner Erwartungshaltung aufs Glatteis. Das fängt schon bei der Gliederung an. Der Roman startet in der Sylvesternacht und dann wird Monat für Monat erzählt - aber wo bleibt der Dezember? Nein, ich hatte kein preisgünstiges Mängelexemplar. Der Dezember fehlt.

    Und im Laufe des Buches kommt man soweit, dass es einen nicht wundern würde, wenn sich tatsächlich aus dem mythischen Nebel ein Seedrache erhebt ...

    Überhaupt wird der Plot sehr kunstvoll entwickelt: verschiedene Erzähler, vorangestellte Kapitel im Präsens, Ortswechsel, Briefe - und das alles, ohne den Leser zu verwirren.



    Die Figuren haben mir allesamt gut gefallen. Cora mit dem sprechenden Namen "Seaborne" ist eine skurrile Person. Endlich verwitwet und frei streift sie jede Rollenerwartung ab (nein, das Klischee der Emanze wird nicht bedient!) und widmet sich mit einem kindlichen Eifer dem, was sie für Wissenschaft hält. Sie buddelt im Dreck und wartet auf das mythische Ungeheuer, um es zu - ja was? Im Endeffekt soll es im Britischen Museum landen und ihren Namen unsterblich machen.


    Will, der Pfarrer, hält nichts von Mythen und Aberglauben, er setzt auf die Vernunft. Eine interessante Position für einen Kirchenmann!


    Die Figur der Stella fand ich interessant. Eine elfenhafte, zierliche und irgendwie unkörperliche Kindfrau - und sie hat die Schwindsucht, die mythische Krankheit der Empfindsamen, der Künstlernaturen! Da fällt einem doch sofort Thomas Manns Zauberberg ein oder die Kameliendame bzw. La Traviata, wo die Heldin so wunderschön verglüht - und so verglüht auch Stella, der Stern. Allerdings wird die Krankheit hier beim Besuch im Krankenhaus durch den Blick durchs Mikroskop erfrischend sympathisch entmystifiziert. Aber dann wird der Mythos wieder aufgebaut durch Stellas merkwürdige Vorliebe für die Farbe Blau, die Farbe des Geistes...


    Ja, es stimmt, dass der Roman viele Themen anspricht. Die Autorin macht einige Fässer auf und lässt sie offen, dies aber bewusst. Wir erfahren nicht, wie sich die Darwinistin Cora und der Priester Will geistig duellieren - aber ich habe das auch nicht sehr vermisst. Das Thema Wissenschaft ./. Aberglaube ./. Glaube wird ja mehrmals angesprochen. Ich sehe diese offenen Fässer eher so, dass die Autorin uns gewissermaßen ein Guckloch in diese Zeit anbietet. Und wenn wir hineinschauen, sehen wir ein Gewebe aus den Themen der Zeit:

    den aktuellen Gegensatz Glaube ./. Wissenschaft, die Entwicklung der Medizin, die Wohnungsnot der Unter- und den unendlichen Reichtum der Oberschicht, die leise beginnende Frauenemanzipation, Reformansätze - und das alles hat nichts Belehrendes an sich, sondern erschließt sich nebenbei als Teil der viktorianischen Alltagswelt.


    Mir hat auch sehr gut gefallen, wie das Thema Liebe-Freundschaft variiert wird.

    Der Roman lässt sich nicht auf eine Liebesgeschichte verkürzen. Es sind Beziehungen zwischen Freundschaft und Liebe, die hier vorgestellt werden. Ob es die Männerfreundschaft zwischen Luke und George ist oder die Frauenfreundschaft zwischen Cora und der Kinderfrau Martha über die Klassenschranken hinweg oder die Freundschaften, erwiderten und unerwiderten Lieben zwischen Mann und Frau - alle durchaus mit einem gelegentlich erotischen Unterton - oder die Freundschaften zwischen einem Erwachsenen und einem Kind: hier wird eine große Bandbreite an menschlicher Zuwendung vorgeführt, ohne dass es jemals schwülstig oder plump wird.

    Und deswegen gibt es auch kein idyllisierendes Happy End.


    Mir hat der Roman sehr gut gefallen: ein intelligent konzipierter, sauber recherchierter Schmöker.

    Für mich war's ein Lesevergnügen.









    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • London im Jahr 1893. Nach dem Tod ihres Mannes verlässt Cora Seaborne die Hauptstadt und reist gemeinsam mit ihrem Sohn Francis in den Küstenort Aldwinter. Als Naturwissenschaftlerin und Anhängerin der provokanten Thesen Charles Darwins gerät sie dort mit dem Pfarrer William Ransome aneinander. Beide sind in rein gar nichts einer Meinung, beide fühlen sich unaufhaltsam zum anderen hingezogen.


    "Ein wundervoller Roman über das Leben, die Liebe und den Glauben, über Wissenschaft und Religion, Geheimnisse und die komplizierten und unerwarteten Wandlungen des menschlichen Herzens. So gut, dass die Seiten von innen heraus leuchten."

    Helen MacDonald

    Nach dieser Buchbeschreibung habe ich intensive Diskussionen zwischen dem Pfarrer und Cora Seaborne

    über Religion und Naturwissenschaften erwartet.

    Die gab es nicht. Statt dessen wurde viel über die verschiedenen Liebesbeziehungen der unterschiedlichsten Personen erzählt. Die Sprache ist wunderschön und die Beschreibungen gefühlvoll ohne kitschig zu sein.

    Der Titel ist irreführend er ist ein Synonym für die Strömungen dieses Zeitalters auf der einen Seite das Althergebrachte und auf der anderen Seite die Entwicklung in Medizin, Politik und soziale Entwicklung.

    Alles zusammen ergibt ein ungewöhnliches Buch mit einigen Längen und Irritationen das aber durch die liebevolle Beschreibung der Protagonisten und ihre Umwelt unbedingt lesenswert ist.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: