Tanja Kinkel - Grimms Morde

  • Klappentext:


    Von Märchesammlern
    und Mordgesellen


    Rot wie Blut - Kassel, 1821: Die ehemalige Mätresse des Landesfürsten wird nach Märchenart bestialisch ermordet. Die einzigen Indizien weisen ausgerechnet auf die Gebrüder Grimm. Weil die Polizei nicht in Adelkreisen ermitteln kann, die sich lieber Bericht erstatten lassen, anstatt Fragen zu beantworten, kommen den Grimms Jenny und Annette von Droste-Hülshoff zur Hilfe. Ein Zitat aus einer der Geschcihten, welche die Geschwister zur Märchensammlung der Grimms beigetragen hatten, war bei der Leiche gefunden worden. Bei ihrer Suche müssen sich die vier aber auch ihrer Vergangenheit stellen: Verurteilen, Zuneigung, Liebe - und Hass, und diese Aufgabe ist nicht weniger schwierig.



    Eigene Beurteilung:


    Überwacht durch die Polizei, angefeindet durch den alteingesessenen hessischen Adel und immer mit einem Bein im Gefängnis ermitteln die Droste-Hülshoffs und die Grimms parallel zueinander und zur Polizei. Dann wird kurz nach der Ankunft der beiden Damen in Kassel ein junger Nachwuchsautor tot aufgefunden. Ermordet im Schneewittchen-Stil, was Gedanken an eine Verbindung zur erst vor Kurzem beendeten napoleonischen Besatzung aufkommen lässt – denn immerhin handelt es sich ja um ein ursprünglich französisches Märchen.


    In den letzten Jahren wurden die Grimmschen Märchen besonders gerne in im 19. Jahrhundert spielenden Fantasy-Extravaganzen aufgearbeitet – etwa „Die Brüder Grimm“ oder „Hänsel & Gretel, Hexenjäger“ – oder in der Fantasy-Crime-Action-Reihe „Grimm“ aus den USA ins 21. Jahrhundert verlegt. Tanja Kinkel schafft mit diesem mal wieder ausgiebig recherchierten Roman eine dichte, psychologisch glaubwürdige Kriminalgeschichte, die zudem die damaligen Lebensumstände – und insbesondere die Konfliktfelder Bürgertum-Adel und Mann-Frau sehr anschaulich nachzeichnet. Da von Haxthausen und auch später Annette von Droste-Hülshoff sich mit Kriminalfällen beschäftigten (s. „Judenbuche“) erscheinen dann auch viele der Überlegungen und psychologisierenden Herleitungen Annettes durchaus glaubwürdig.


    Daneben erfährt man so Einiges über den damaligen Literaturbetrieb in Hessen und über die wirkli-chen Quellen eines großen Teils der Grimmschen Märchensammlung, die im Endeffekt, so volksnah nicht gewesen ist – und auch nicht so deutsch – wie sie sich anfangs immer den Anspruch gegeben hat. Und auch die gezeigten Nachwehen der französischen Besatzung sind sehr überzeugend nachgezeichnet. Ein überaus lesenswerter historischer Roman. :study:
    :thumleft:

  • Kurzbeschreibung:
    Der neue historische Roman der Spiegel-Bestsellerautorin Tanja Kinkel führt zurück in das neunzehnte Jahrhundert und verbindet märchenhaftes Setting und historische Spannung mit einer grausamen Mordserie. Rot wie Blut…
    Kassel, 1821: Die ehemalige Mätresse des Landesfürsten wird nach Märchenart bestialisch ermordet. Die einzigen Indizien weisen ausgerechnet auf die Gebrüder Grimm. Weil die Polizei nicht in Adelskreisen ermitteln kann, die sich lieber Bericht erstatten lassen, anstatt Fragen zu beantworten, kommen den Grimms Jenny und Annette von Droste-Hülshoff zur Hilfe. Ein Zitat aus einer der Geschichten, welche die Schwestern zur Märchensammlung der Grimms beigetragen hatten, war bei der Leiche gefunden worden. Bei ihrer Suche müssen sich die vier aber auch ihrer Vergangenheit stellen: Vorurteilen, Zuneigung, Liebe – und Hass, und diese Aufgabe ist nicht weniger schwierig. In einer Zeit, wo am Theater in Kassel ein Beifallsverbot erteilt wird, damit Stücke nicht politisch missbraucht werden können, Zensur und Überwachung in deutschen Fürstentümern wieder Einzug halten und von Frauen nur Unterordnung erwartet wird, sind Herz und Verstand gefragt.
    Geschickt verwebt Tanja Kinkel die privaten Verwicklungen von zwei der berühmtesten Geschwisterpaare der deutschen Literaturgeschichte in ein unglaubliches Verbrechen. Ein Mordsbuch. (Quelle: Verlagswebsite)


    Autor:
    Tanja Kinkel, geboren 1969 in Bamberg, gewann bereits mit 18 Jahren ihre ersten Literaturpreise. Sie studierte in München Germanistik, Theater- und Kommunikationswissenschaft und promovierte über Aspekte von Feuchtwangers Auseinandersetzung mit dem Thema Macht. 1992 gründete sie die Kinderhilfsorganisation "Brot und Bücher e.V", um sich so aktiv für eine humanere Welt einzusetzen (mehr Informationen: www.brotundbuecher.de). Tanja Kinkels Romane wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt; sie spannen den Bogen von der Gründung Roms bis zum Amerika des 21. Jahrhunderts. (Quelle: Verlagswebsite)


    Allgemeines:
    Erschienen im Oktober 2017 als Hardcover beim Droemer Verlag.
    480 Seiten in 34 Kapiteln, Prolog und Epilog, Nachwort der Autorin zu den historischen und fiktiven Begebenheiten, Dramatis personae.
    Erzählt wird in der dritten Person. Der Roman spielt in Kassel im Jahr 1821.


    Meine Meinung:
    Die Brüder Grimm kennt wohl jeder, zumindest dem Namen nach. Tanja Kinkel bringt uns die Menschen hinter den Märchensammlern näher, die beide am hessischen Hof als Bibliothekare angestellt sind. Da ist zum einen Wilhelm, der die meiste Zeit mit seinen Minderwertigkeitskomplexen ob seines Standes kämpft und zum anderen Jacob, der deutlich hitzköpfiger daher kommt, aber auch realitätsnaher zu sein scheint. Diese beiden sind im Rahmen ihrer Märchensammelei mit den Schwestern von Droste zu Hülshoff in Kontakt gekommen und daraus ergibt sich die eine oder andere Verwicklung.


    Die Zeit unmittelbar nach der französischen Besatzung war in deutschen Landen keine gute für Freigeister und für Frauen, die obendrein noch selbständig und logisch denken konnten und dies auch kundtaten, schon gar nicht. Dies war eher eine Zeit für Menschen wie Wilhelm Grimm und Jenny von Droste, die ihren Platz in der Gesellschaft kannten, diesen zu wahren wussten und anderen darin immer Vorbild waren. Meine Güte, was hat mich dieser Wilhelm Grimm mit seinem ewigen Selbstmitleid genervt! Jenny war da ein bisschen erträglicher. Sie hat zwar auch immer versucht, beschwichtigend auf ihre Schwester Annette einzuwirken, war aber wenigstens verständig und hat ihr zu helfen versucht.
    Ganz anders Jacob und vor allem Annette – so herrlich gegen die Norm verstoßend, was ihr natürlich nicht nur Freunde gemacht hat. Wie sie sich nach einem üblen Schicksalsschlag wieder selbst berappelt, hat mich sehr begeistert. Sie ist sich ihres Platzes in der Familie und der Gesellschaft durchaus bewusst, das hindert sie aber dennoch nicht am freien Denken und dem Äußern eben jener Gedanken.


    Schon allein an diesen hier angerissenen Charakterbeschreibungen merkt man, wie hervorragend Tanja Kinkel den Leser ins Kassel des Jahres 1821 versetzen kann. Viel Recherche ist auch in diesen historischen Krimi geflossen. Der Fall ist fiktiv, viele geschichtliche Fakten und Personen sind es hingegen nicht. Und so erfahren wir eine ganze Menge über Kunstraub im großen Stil, über Mätressenwirtschaft und über Lügen und Intrigen am hessischen Hof (und nicht nur dort). Außerdem führt uns die Autorin vor Augen, dass die Märchensammelei der Brüder Grimm nicht auf allgemeine Begeisterung stieß, die Märchen als viel zu grausam abgelehnt wurden (was sie ja durchaus auch sind) und wir erfahren, dass sie dann doch nicht ganz so unverfälscht und echt aus dem deutschen Volksschatz stammen. Was es damit auf sich hat, dürft ihr gern selbst ergründen. Trotz zweier Morde ist der Roman unterhaltsam und gut zu lesen. Ich vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: und empfehle ihn sowohl Freunden historischer Romane als auch kriminalistisch interessierten Lesern.


    Fazit:
    Sehr gut recherchierter Roman, der ein deutliches Bild der nachnapoleonischen Zeit in Hessen malt.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Die Autorin (Quelle: Amazon)


    Mit dem Schreiben fing Tanja Kinkel mit 13 Jahren an. Heute ist sie eine der erfolgreichsten deutschen Autorinnen. Obwohl sie neben historischen Romanen, die von der Gründung Roms bis zum 2. Weltkrieg spielen, auch Thriller, Jugendbücher, Fantasy, ja Gegenwartsliteratur und Essays geschrieben hat, tauchen fast alle ihre Bücher auf den großen Bestsellerlisten auf. Wie der Spiegel schon 1998 dazu schrieb: so selbstverständlich wie Ebbe und Flut. Das liegt zum einen sicher daran, dass die promovierte Germanistin etwas zu all diesem Themenmischmasch zu sagen hat, als auch daran, dass Reiselust, Humor, Romantik, Abenteuer und Informationhunger immer befriedigt werden wie auch die Überzeugung: ja, so kann es gewesen sein. Weitere Informationen unter: www.tanja-kinkel.de.




    Produktinformation


    • Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
    • Verlag: Droemer HC; Auflage: Originalausgabe (2. Oktober 2017)
    • Sprache: Deutsch
    • ISBN-10: 3426281015
    • ISBN-13: 978-3426281017



    Mord wie im Märchen




    Es war ein Diener, der die Leiche der Frau unter der Überdachung der Brücke zum Hauptteil von Schloss Wilhelmshöhe, fand…


    Und bei der Leiche fand man einen Zettel mit einem Zitat aus einem Märchen, das die Brüder Grimm veröffentlicht hatten…


    Doch es stammte nicht von ihnen, denn sie hatten es von einer Bekannten, die sie um solche Volksmärchen gebeten hatten…


    Aber weil hier kaum jemand, der nicht von Adel war, Zutritt hatte, wurde Wilhelm Grimm verdächtigt…


    Aus einem ganz bestimmten Grund fühlten sich die Schwestern Annette und Jenny verpflichtet, nach dem Mörder zu suchen…


    Und dann fand man auch noch die Leiche eines jungen Mannes, dessen Buch Wilhelm Grimm – der der Zensurkommission angehörte – nicht veröffentlichen wollte…


    Nun wurden die Grimms noch mehr verdächtigt und mussten unbedingt den Mörder finden…


    Dann war da noch das, was mit Annette in Bökendorf geschehen war…


    Wie fand der Diener die Leiche? Konnte man sehen, womit sie ermordet worden war? Was hatte es mit dem Märchenzitat auf sich? Von wem hatten sie dieses Märchen erhalten? Warum wurde ausgerechnet Grimm verdächtigt? Warum wollten die Schwestern Wilhelm Grimm bei der Suche nach dem Mörder helfen? Welchen Gr4und hatten sie? Warum war der junge Mann getötet worden? Weshalb wollte Grimm sein Buch nicht veröffentlichen? Wieso musste Wilhelm Grimm unbedingt den Mörder finden? Was war in Bökendorf geschehen? Alle diese Fragen – und noch viel mehr – beantwortet dieses Buch.




    Meine Meinung


    Dieses Buch ließ sich sehr gut lesen. Es ist sehr interessant geschrieben, auch wenn mir in der ersten Hälfte etwas die Spannung fehlte. Doch die hervorragend recherchierten Fakten machten das durchaus wett. Ich hätte mir gewünscht, dass es um den Mord etwas mehr Verwicklungen gäbe, dass sich die Polizei nicht nur auf die Grimms als Täter konzentriert. Und wenn sie das nicht getan hat, so habe ich das diesem Buch nicht entnehmen können. Nur die Grimms hatten einige im Visier. Am Anfang des Buches befindet sich ein Personenregister, was ich sehr gut finde. Man kann dadurch immer mal wieder nachschauen, wenn etwas unklar ist. Am Ende hat die Autorin in einem Nachwort geschrieben, wer bzw. was historisch verbürgt ist. Das ist etwas, das ich in einem historischen Roman erwarte und in vielen, aber leider nicht in jedem finde. Ich kam gut in die Geschichte hinein, und in die Protagonisten konnte ich mich auch sehr gut hineinversetzen. Wie ein roter Faden ziehen sich die Ereignisse um Annette in Bökendorf durch das ganze Buch. Daher macht nicht nur der Mord den historischen Roman spannend, sondern auch die erwähnten Ereignisse, die sich für mich sogar in weiten Teilen des Buches in den Vordergrund geschoben haben. Alles in Allem hat mir dieses Buch sehr gut gefallen. Sehr gerne empfehle ich es weiter und vergebe vier von fünf Sternen bwz. acht von zehn Punkten.

    Liebe Grüße
    Lerchie



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    nur wer aufgibt, hat schon verloren

  • Ich habe "Grimms Morde" gestern Abend beendet und bin sehr davon beeindruckt.
    Wer allerdings einen spannenden Krimi erwartet, wird nicht so sehr auf seine Kosten kommen. Auch wenn sich die Handlung um einen (fiktiven) Kriminalfall dreht, ist der Roman letztlich eher ein historischer Roman, der sehr gut recherchiert ist und dem Leser Interessantes über die Entstehung der Grimmschen "Volks"märchen vermittelt und ihm die Charaktere von deren "Schöpfern", bzw. Sammlern (Jakob und Wilhelm Grimm) und Zuträgern (u.a. Jenny und Annette von Droste-Hülshoff) nahebringt. Dabei haben mir die detaillierte charakterliche Ausgestaltung und die kritische Darstellung der Hauptfiguren gefallen, die zwar sehr talentiert und gebildet, aber nicht unbedingt uneingeschränkt sympathisch sind.
    Auch die Gesellschaft des frühen 19.Jahrhunderts mitsamt der gesellschaftlichen Kluft zwischen Adel und Bürgertum sowie die Literaturszene der Zeit werden thematisiert.
    Die gehobene Sprache des Romans erscheint mit authentisch für die geschilderte Epoche und Gesellschaftsschicht und hat mich angesprochen. An manchen Stellen hätte der Text aber etwas gerafft werden können, insbesondere die wiederholten Anspielungen auf den "Vorfall in Bökendorf" empfand ich als ermüdend und ich war froh, als ich endlich begriffen habe, was dort vorgefallen war.
    Insgesamt vergebe ich eine Leseempfehlung für Freunde gehobener historischer Romane und :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: .

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • 1821 Kassel. Als Freiin von Bachros, die ehemalige Mätresse des Landesfürsten, grausam ermordet aufgefunden und bei der Leiche ein Zitat aus der Märchensammlung der Gebrüder Grimm gefunden wird, geraten Jakob und Wilhelm Grimm ins Visier der Polizeit. Doch das Märchen stammt eigentlich von Annette von Droste-Hülshoff, die sofort mit ihrer Schwester Jenny nach Kassel reist, als sie von dem Mord und den Umständen erfährt und mit den Gebrüdern Grimm, die sie seit langen Jahren kennt, auf eigene Faust versucht, den Mörder zu finden und den Grimmschen Ruf wieder herzustellen. Aber während sie noch um den ersten Mord rätseln und nach Verdächtigen suchen, gibt es einen weiteren Toten, der ebenfalls ein Zitat bei sich hat und auf die Grimm-Brüder hinweist. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt…


    Tanja Kinkel hat mit ihrem Buch „Grimms Morde“ einen sehr spannenden und unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der sich nicht nur mit der Aufklärung von drei Todesfällen beschäftigt, sondern auch die Beziehung zwischen den Geschwisterpaaren Jakob und Wilhelm Grimm auf der einen Seite und Annette von Droste-Hülshoff nebst Schwester Jenny auf der anderen beleuchtet. Die Autorin hat ihren Erzählstil ganz der damaligen Zeit angepasst, so dass die Geschichte noch authentischer wirkt, und der Leser völlig in die Vergangenheit eintauchen kann, um die beiden Geschwisterpaare bei ihrem Handeln und Tun zu beobachten. Die Dialoge besonders zwischen Jakob und Annette sprühen vor Wortwitz und Intelligenz und machen das Lesen zu einem besonderen Vergnügen. Der historische Hintergrund wurde akribisch recherchiert und mit der Handlung verwebt. Der Leser erfährt nicht nur viel über die gesellschaftliche Stellung der Frau zur damaligen Zeit, sondern auch einiges über die politische Lage, intrigante Machenschaften, harte moralische Ansprüche sowie Standesdünkel. In einem aussagekräftigen Nachwort stellt die Autorin zudem heraus, was in ihrer Geschichte der Wahrheit entspricht und was der Phantasie. Sie hat beides sehr gut miteinander verflochten, so dass der Eindruck einer durchaus wahren Geschichte entsteht und die Protagonisten dem Leser als ganz reale Personen zum Anfassen erscheinen.


    Die Charaktere wurden sehr detailliert und individuell herausgearbeitet, sie wirken authentisch und sehr lebendig, es ist fast so, als hätte Tanja Kinkel sie mit ihren Worten wieder zum Leben erweckt. Annette ist eine intelligente Frau, die recht selbstbewusst und nahezu respekteinflößend wirkt. Sie kaschiert damit eigene Unsicherheiten, die sie aufgrund einer unglücklich verlaufenden Liaison hegt. Doch das tut ihrer Cleverness keinen Abbruch. Sie hat ein schnelles und scharfes Mundwerk, doch trifft sie immer genau auf den Punkt. Annette ist mutig und sagt, was sie denkt, deshalb bekommt sie auch immer wieder abwertende Kommentare zu hören. Annettes Schwester Jenny steht ein wenig in ihrem Schatten. Sie ist von eher zurückhaltender Natur und heimlich in Wilhelm Grimm verliebt. Doch diese Liebe hat keinerlei Zukunft. Jakob Grimm ist ein etwas arrogant wirkender Mann, der recht selbstsicher und von sich eingenommen ist. Doch auch er ist ein intelligenter Mann, der die Spurensuche sehr ernst nimmt, vor allem, da er sich reinwaschen will. Auch die anderen Protagonisten bringen durch ihr Erscheinen der Handlung zusätzliche Spannung und gleichzeitig tragen sie auch zu einigen Verwicklungen bei.


    „Grimms Morde“ ist ein sehr gelungener, spannender historischer Roman, der sowohl einige Kriminalfälle als auch das gesellschaftliche Miteinander beleuchtet und zudem eine skandalöse Liebesgeschichte offenbart. Doch noch interessanter ist die Darstellung der beiden Geschwisterpaare, die zwar jeder auf die eine oder andere Weise „kennt“, hier jedoch sehr gut kennenlernt. Eine Leseempfehlung für einen außergewöhnlichen Roman!


    Spannende :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Sittengemälde des 19. Jahrhunderts


    Es war einmal alte Mätresse, die gewaltsam zu Tode kam. Dies trug sich zu, im Jahre 1821 in der Stadt Kassel. So oder so ähnlich könnte eines der Märchen der Brüder Grimm auch beginnen. Aber hier wird kein Märchen erzählt, sonder die Geschichte einer Frau, die ermordet wurde und mit diesem Mord Wilhelm und Jacob Grimm in Verdacht bringt. Die Art und Weise, wie sie starb, haben diese zwei nämlich gerade ausführlich in ihrer so eben erschienen Märchensammlung veröffentlicht. Die Polizei ist auch nicht gerade hilfreich bei der Lösung des Falles. Dann aber treten die Schwestern Droste-Hülshoff auf den Plan. Jenny und Annette haben einige Geschichten zu der Sammlung beigetragen. Ausgerechnet ein Zitat aus ihrem Märchen wurde bei der Leiche gefunden. Die Schwestern sehen sich genötigt den Grimms zur Hilfe zu eilen.


    Der neue Roman von Tanja Kinkel ist alles andere als ein Märchen der Brüder Grimm, auch wenn es zunächst den Anschein hat. Die Geschichte beginnt mit einem Mord, der natürlich aufgeklärt werden will, aber im Vordergrund steht mehr das Leben von Jacob und Wilhelm Grimm und ihrer Familie.


    Kinkel hat hier nicht einfach nur einen Krimi geschrieben, sondern erzählt viel mehr aus dem Leben dieser Zeit. Aus der Zeit als die Besatzer, nämlich Napoleon, Kassel verlassen haben. Wie die Menschen sich damals fühlten, was sie bewegte und antrieb. Ihr ist hier gelungen, die Zeit von 1821 einzufangen. Lebhaft und authentisch hat sie Bilder in meinem Kopf entstehen lassen. Ich fühlte mich regelrecht in die Zeit zurückversetzt. Sicherlich war der Einstieg in diesen Roman nicht ganz einfach. Tanja Kinkel hat sich für einen etwas sperrig lesenden Erzählstil entschieden, aber nachdem die ersten ca. 50 Seiten gelesen waren, konnte ich kaum noch aufhören, das Buch einfach nicht zur Seite legen. Aber nicht weil der Fall so spannend war (der Krimi ist auch spannend aber eben nicht nur), sondern weil die Lebensgeschichte der Brüder Grimm und das Aufeinandertreffen mit den Schwestern so gelungen erzählt wurde. Für mich war der Mord und alles, was damit zusammenhing, irgendwie nur Beiwerk für einen tollen historischen Roman, über eine Epoche, zu der ich noch nicht so viel gelesen habe.


    Ein Personenregister zu Beginn sorgt direkt dafür, dass man den Überblick über die Protagonisten nicht verliert. In einem Nachwort zum Schluss, klärt die Autorin Fiktion und Wahrheit, es war aufschlussreich. Eine Bibliografie verrät einiges darüber, wo der Leser Wissenswertes zu der Geschichte der Brüder Grimm oder den Droste-Hülshoff-Schwestern nachlesen kann.


    „Grimms Morde“ war für mich einer der besten historischen Romane, die ich dieses Jahr gelesen habe. Der Erzählstil zeugt von hoher Erzählkunst und hat einfach nur Spaß gemacht. Die Geschichte selbst war facettenreich und bildhaft und hat mich nicht mehr losgelassen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • 1821: In Kassel wird eine Mätresse des verstorbenen Kurfürsten ermordet – nach Art eines Märchens aus der Sammlung der Gebrüder Grimm, zudem ausgerechnet eines, das die Schwestern von Droste zu Hülshoff beigesteuert hatten. Da die Polizei wenig Eifer und Kompetenz an den Tag legt, ermitteln die Brüder selbst, und auch Jenny und Annette von Droste reisen an. Dann geschieht ein zweiter Mord nach einem anderen Märchen der Sammlung, Jakob wird tatverdächtig und Annette kommt beinahe unter die Räder einer Kutsche …


    Tanja Kinkel ist schon lange eine meiner Lieblingsautorinnen, die Märchen der Gebrüder Grimm begleiten mich seit früher Kindheit und Annette von Droste Hülshoff ist mir in meinem Leseleben auch schon öfter begegnet – ich war sehr gespannt auf diesen Roman, der das alles miteinander verknüpft inkl. Historie und Kriminalfall. Man kann schnell sagen, dass die Historie mehr Raum einnimmt als der Fall bzw. die Fälle, diese sind zwar auch wichtig, bieten immerhin die Basis der Geschichte, und werden auch am Ende gelöst sein – aber die historischen Gegebenheiten, der historische Background und die biografischen Hintergründe der beiden Geschwisterpaare stehen deutlich mehr im Vordergrund. Wer also einen spannenden Krimi erwartet, bei dem zufällig die Grimms und die Drostes ermitteln, könnte ein wenig enttäuscht sein. Liebhabern gut recherchierter historischer Romane wird das eher nicht passieren.


    Mir gefällt es gut, wie die Autorin die vier Protagonisten, aber auch andere historische Persönlichkeiten hier agieren lässt, man erfährt einiges über die Charaktere, und bekommt Lust, sich weiter mit ihnen zu beschäftigen. Die Gebrüder Grimm kennt wahrscheinlich jeder, aber wer weiß schon etwas über ihr tatsächliches Leben? Gleiches dürfte für Annette von Droste Hülshoff gelten, wobei ihr Bekanntheitsgrad wahrscheinlich geringer ist. Sehr gut gefallen hat mir, dass die Beziehungen der Charaktere untereinander mit im Zentrum der Geschichte stehen, sie sind komplex und interessant.


    Gut eingebettet ist das Ganze in den historischen Hintergrund, wo vor kurzem erst der Kurfürst gestorben ist, und sein Nachfolger noch zeigen muss, was in ihm steckt. Und auch die Besetzung Hessens durch Napoleon und die napoleonischen Kriege wirken sich noch aus. Über das Frauenbild der damaligen Zeit sprechen wir am besten gar nicht, dieses ist vor allem für Annette ein Problem.


    Tanja Kinkel recherchiert grundsätzlich tiefgehend, ihre Romane haben Niveau und sind interessant, auch, weil sie sich in der Regel interessanten Persönlichkeiten widmet. Dies ist auch hier der Fall. Gleichzeitig lassen sich ihre Romane gut lesen und machen Lust, sich tiefer mit der Materie auseinanderzusetzen, auch das trifft auf diesen Roman zu. Ganz so gefesselt wie bei anderen Romanen der Autorin wurde ich allerdings nicht – ich vergebe daher „nur“ 4 Sterne, aber natürlich eine Leseempfehlung für alle, die gut recherchierte historische Romane mögen.

  • Kassel, Anfang des 19. Jahrhunderts: die ehemalige Mätresse des Kurfürsten wird auf grausige, einem Märchen aus einer Sammlung der Brüder Grimm nachempfundene Weise umgebracht, bei der Leiche findet man auch noch ein Zitat aus dem betreffenden Märchen. Kein Wunder also, dass Hofbibliothekar Jacob Grimm ziemlich schnell in den Fokus des polizeilichen Ermittlers rückt, zumal bekannt ist, dass sich Grimm mit seinem Arbeitgeber nicht gerade gut versteht. Am Motiv allerdings hapert es doch ziemlich.


    In Westfalen sind die Schwestern Jenny und Annette von Droste zu Hülshoff mehr als entsetzt, als Grimms Schwester Lotte ihnen brieflich von den Geschehnissen berichtet - war es doch eines der Märchen, die die beiden den Brüdern für ihre Kollektion geschickt hatten. Dass ausgerechnet diese Geschichte zur Vorlage für einen grässlichen Mord werden sollte, ist schier unerträglich für Jenny und Annette. Unter einem Vorwand reisen die beiden in Begleitung ihres Onkels nach Kassel, um selbst Augen und Ohren offenzuhalten und herauszufinden, was sich tatsächlich zugetragen hat. Ziemlich unerhört für wohlerzogene junge Damen; doch zumindest Annette ist dafür bekannt, sich wenig um Konventionen zu scheren, und Jenny ist zwar deutlich zurückhaltender, aber doch stets loyal, also bleibt ihr wenig anderes übrig als mitzumachen.


    Verkompliziert wird das Ganze noch dadurch, dass Annette auf Jacobs Bruder Wilhelm wegen einer unrühmlichen Begebenheit im Sommer zuvor eigentlich immer noch ziemlich böse ist und es ihr schwerfällt, im Dienste der Sache zusammenzuarbeiten ...


    Wie immer glänzt Tanja Kinkel auch in diesem Buch mit vielen historischen Details und umfassender Recherche, Quellenverzeichnis inklusive. Die kurfürstliche Stadt Kassel wenige Jahre nach dem Abzug von Napoleons Truppen aus Deutschland ist ein eher seltener, aber gar nicht uninteressanter Schauplatz, der noch stark geprägt ist von der jüngsten Vergangenheit. Alles Französische ist strikt verpönt, man ist froh, den Korsen und seine Soldaten endlich los zu sein, und jedweder Kontakt nach Frankreich wird argwöhnisch beäugt.


    Ansonsten ist Kassel eine ziemlich typische Provinzstadt voller Klatsch und Tratsch, die durch den aufsehenerregenden Mord natürlich in hellem Aufruhr ist. Der Polizeibeamte Blauberg würde die Tat nur zu gerne Jacob Grimm anhängen, um bloß nicht in Adelskreisen nach dem Täter suchen zu müssen, während Grimm genau dort den Hintergrund der Bluttat vermutet und mit Hilfe der Droste-Schwestern der Wahrheit nachzuspüren versucht.


    Eine nette Idee, die beiden literarischen Geschwisterpaare als Ermittlerquartett auftreten zu lassen, wobei man auch so einiges über deren persönliche Entwicklungsgeschichte erfährt. Das liest sich größtenteils recht unterhaltsam, vor allem Jacobs bissige Sprüche und Annettes ständiger Kampf gegen das einengende Frauenbild ihrer Zeit, kann aber zwischendurch auch mal etwas zäher werden. Zumindest ich konnte dem einen oder anderen komplexen Zusammenhang nicht immer so recht folgen, auch wenn mich die Auflösung am Ende durchaus überzeugen konnte.


    So ganz ist der Funke bei mir leider nicht übergesprungen, andere Bücher von Kinkel haben mich mehr gefesselt.

  • An manchen Stellen hätte der Text aber etwas gerafft werden können, insbesondere die wiederholten Anspielungen auf den "Vorfall in Bökendorf" empfand ich als ermüdend und ich war froh, als ich endlich begriffen habe, was dort vorgefallen war.

    Ging mir ähnlich! Das hätte sich für meine Begriffe gerne etwas früher klären dürfen.