Friedrich Ani - Ermordung des Glücks

  • Wenig Krimi, viel Inhalt!


    Der 11-jährige Lennard wird Opfer eines Gewaltverbrechens und erst 34 Tage später gefunden. Die Nachricht vom Tod ihres Sohnes überbringt Ex-Kommisar Franck. Eine Aufgabe, die er während seiner aktiven Dienstzeit auch immer ausgeübt hat.


    Wie auch in dem Buch "Der namenlose Tag" ist die Krimihandlung hier eher zweitrangig. Daher ist auch dieses Buch zu Recht lediglich als Roman klassifiziert. Ermordet wird das Glück in diesem düsteren Roman gleich mehrmals. Vor allen Dingen natürlich das Glück der Eltern und im Verlauf des Buchs auch noch das von mehreren anderen Menschen. Dramatisch wird es auf den letzten Seiten und wenn überhaupt, kommt dann so etwas wie Krimispannung auf.


    Aber auch in diesem Buch ist die Krimihandlung nur der Rahmen, um in der ruhigen, präzisen Erzählweise von Friedrich Ani die beteiligten Personen in ihrem Leid und ihren seelischen Konflikten zu beschreiben, ja regelrecht zu sezieren - auch Ex-Kommissar Franck geht hier bis an seine Grenzen.


    Ein sehr berührendes, tiefgehendes Buch, welches sich eigentlich so wirklich keinem Genre zuordnen lässt. Es ist auf jeden Fall ein Buch für das man sich Zeit nehmen sollte, um die vom Autor fein angeschlagenen Saiten in sich nachhallen zu lassen.


    Fazit:
    Keine leichte Kost aber auf jeden Fall empfehlenswert, wenngleich nicht unbedingt an düsteren Herbsttagen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Der elfjährige Lennard wird ermordert. Der pensionierte Kommissar Franck
    überbringt den Grabbes, Lennards Eltern, die Nachricht, dass seine
    Leiche gefunden wurde. Dies alles Wochen, nachdem er in einer
    stürmischen Novembernacht verschwunden war. Kurz vor Weihnachten. Hier
    bricht für die Grabbes ihre Welt zusammen. Jeder versucht, auf seine
    eigene Art, mit dem Tod des Jungen fertig zu werden, auch sein Onkel und
    seine Grossmutter. Auch Franck und die Kommissare müssen damit umgehen,
    wochenlang vor einem Rätsel zu stehen.



    Friedrich Ani schreibt mit einem recht eigenwilligen Stil, den ich
    vorher noch nicht kannte und der zu Beginn gewöhnungsbedürftig war. Die
    ersten 100 - 150 Seiten drehen sich hauptsächlich um Tanja Grabbe,
    Lennards Mutter. Ihre Naivität und Kindlichkeit hat diesen ersten Teil
    für mich ziemlich langatmig gemacht. Dann aber geht es immer mehr um die
    Ermittlungen, es werden Verdächtige gefunden und verhört, und die
    Erzählung nimmt Fahrt auf. Die Geschehnisse überschlagen sich gegen Ende
    fast, und die Auflösung des Morders kommt sehr überraschend.



    Insgesamt fand ich es ein sehr schönes Buch, auch über Liebe
    zwischen Geschwistern und Eheleuten, was sehr viel zum Nachdenken
    anregt. Es ist kein Krimi, wie in den meisten Rezensionen erwähnt wird,
    dies stört jedoch keineswegs. Vielmehr eine wunderschöne und traurige
    Erzählung über die Verzweiflung, die man verspürt, wenn jemand Nahes
    verstirbt, insbesondere ein Kind, und zu welchen verzweifelten Taten
    dies Menschen treiben kann.

  • Ich möchte gerne wissen ob es hauptsächlich um die Gefühle der Famile handelt? Ihre Ängste und Sorgen, was das verschwinden des Sohnes mit ihnen macht, ohne detaillierte Beschreibungen was mit diesem passiert ist? Darf ich annehmen dass die Handlung sich mehr auf der psychologischen Ebene abspielt?
    Denn sollte es sein dass die Gewalt am Kinde geschildert wird, kann ich leider eine solche Geschichte nicht lesen, was an und für sich schade ist, denn beide Vorstellungn klingen sehr interessant.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Da brauchst du keine Sorge haben - es wird nirgends genau geschildert, was mit dem Jungen passiert ist (aus gutem Grund) sondern es wird eigentlich hauptsächlich spekuliert, wie sich alles zugetragen hat. Das würde auch nicht passen. Ani ist wesentlich mehr an der psychologischen Ebene interessiert, Was die Sorge um und letztlich auch der Tod des Jungen mit den Überlebenden anrichtet, wie schwer sie daran zu tragen haben.
    Ani ist jemand, der durchaus polarisiert mit seiner Jakob Franck Reihe. Entweder mag man diese sehr stille, tiefgründige Art oder man langweilt sich zu Tode. Wenn man dafür eine Ader hat, dann packen einen diese Romane so richtig herzhaft.
    Ich liebe sie jedenfalls :study:

  • Die Ermordung des Glücks, Roman von Friedrich Ani, 317 Seiten, erschienen im Suhrkamp Verlag.
    Der zweite Teil der Reihe um den Exkommissar Jakob Franck.
    Als der 11-jährige Lennard Grabbe nicht nach Hause kommt und 34 Tage später seine Leiche aufgefunden wird, verschwindet für seine Eltern und Angehörigen das Glück. Die ermittelnden Beamten treten auf der Stelle. Exkommissar Franck überbringt den Eltern die schreckliche Nachricht und macht es sich zur Aufgabe den Mörder des Jungen zu finden. Er verbringt Stunden am Tatort geht die Protokolle und Zeugenaussagen immer und immer wieder durch, auf der Suche nach dem „Fossil“ wie er es nennt. Das Fossil, das Puzzleteil, das den Fall zur Aufklärung bringt. Kann es Franck, mit seiner Beharrlichkeit und der ihm eigenen Gedankenfühligkeit schaffen?
    Am Anfang stehen einige Zeilen des Songtextes „I’ll remember you von Bob Dylan, was den Leser sogleich auf die Geschichte einstimmt. Das Buch umfasst 21 Kapitel mit römischen Zahlen und zum Inhalt des Kapitels passenden Überschriften. Ohne den Vorgängerband zu kennen ist es leicht, der in sich geschlossenen Erzählung zu folgen.
    Bei vorliegender atmosphärisch dichter Geschichte handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Kriminalroman. In erster Linie um einen Roman, der menschliche Abgründe, atemlose Spannung und grenzenlose Melancholie in eindringlicher, bildhafter Sprache zum Ausdruck bringt. Das ist Friedrich Ani in seinem poetischen ganz eigenen Stil wirklich sehr gut gelungen. Von Anfang an wurde ich, schon bei der Schilderung der Todesnachricht in den Bann der Erzählung gezogen die mich bis zur Auflösung des Falls nicht mehr losließ. Die Trostlosigkeit, die tiefe Trauer, die Hoffnungslosigkeit der Mutter haben mich zutiefst berührt. Ani hat das Gefühl, keine Mutter mehr zu sein, gut eingefangen. Das Schlimmste, das Eltern überhaupt passieren kann, der Tod ihres geliebten Kindes wurde mit jedem Wort glaubhaft und nachvollziehbar geschrieben. Bis zur überraschenden Wendung am Schluss, kann man den Täter nicht erahnen. Auch die Rat- und Hilflosigkeit des Vaters ist hervorragend erzählt, die Familiensituation die sich aus der Tat ergibt hat mich sehr betroffen gemacht, dazu passt auch die Jahreszeit, die düsteren dunklen Wintermonate. Jakob Franck, der hartnäckige Exkommissar angetrieben vom Bedürfnis, den Eltern zu Klarheit zu verhelfen und auch von schmerzhaften Erinnerungen aus der eigenen Vergangenheit ist ein unglaublich fesselnder, toller Charakter, gerne würde ich noch mehrere Fälle mit ihm lösen. Einzig die Verbindung von Tanja Grabbe und ihrem Bruder Max waren stellenweise m. M. nach etwas überzogen und mir auch nicht immer ganz klar. Dazu kommt, dass mich die ganze Traurigkeit des Romans ziemlich schwermütig zurückgelassen hat, denn nicht nur Lennards Leben wurde durch die Tat zerstört, sondern auch das von Menschen in seinem Umfeld.
    Diesen Krimi möchte ich gerne weiterempfehlen, an Leser die tiefgründige emotionale Kriminalromane mögen. Gerne gebe ich 4 von 5 möglichen Sternen.
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    :study::musik::montag:


    Und wenn mir alle Königskronen für meine Bücher und meine Freude am Lesen angeboten wären: Ich würde sie ausschlagen.
    François Fénelon