Walter Moers - Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbende Nachtmahr

  • Kurzmeinung

    Irrlicht
    Sehr intensiv, eigen, skurril, irgendwie lehrreich - tolles Nachwort.
  • Kurzmeinung

    Marie
    Nach 70 Seiten weder Handlung noch Spannung erkennbar. Abbruch
  • Wie sagt Dylia, besagte Prinzessin Insomnia und Hauptcharakter des neuesten Moers'chens stets: „Ach geh mir doch weg.“ Ach, wie ich es hasste, wenn sie dies im neuesten Ausflug ins (eigentlich) schöne Zamonien in schöner Regelmäßigkeit zum besten gab (ich mag es nämlich garnicht, wenn Charaktere aus fernen Fantasywelten exakt die gleiche Sprache an den Tag legen, wie 90% der Menschen in den Fußgängerzonen unserer allzu realen Klein- und Großstädte)...
    Nun, in jedem Falle wäre dieser Ausdruck aufrichtigen Unbills der gleiche, den ich Walter Moers in Bezug auf 'Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr' zukommen lassen würde: denn liebe Güte, was ist dieses Buch doch für ein Reinfall...


    Der eine oder andere Leser mag sich noch mit Schrecken an das Kapitel über den Puppetismus im ebenfalls mauen Vorgängerwerk 'Das Labyrinth der träumenden Bücher' erinnern – und möglicherweise staunen, wenn ich tatsächlich sagen muss, dass selbst dieser abstruse Exkurs noch weitaus interessanter, oder gar spannender ist als dieses Machwerk hier.
    Worum geht es eigentlich: die chronisch schlaflose zamonische Prinzessin Dylia wird von einem Nachtmahr heimgesucht. Diese Kreatur taucht unvermindert auf und beabsichtigt nun, so lange zu bleiben, bis die „glückliche“ Heimgesuchte mal langsamer, mal rasanter, dem Wahnsinn anheim fällt. Da man gegen diese Sache schwerlich etwas tun kann, das Schicksal der Prinzessin also praktisch schon besiegelt ist, kann man die verbliebene Zeit einigermaßen stabiler geistiger Gesundheit doch nutzen, um einen Ausflug ins Gehirn der an Ideen und Fantasie reichen Hauptcharakterin zu unternehmen. Im Gehirn Dylias ist man dann konfrontiert mit allerlei Absurditäten und Auswüchen der Gedankenwelt der Prinzessin – eben ein wenig typisch Moers, wie man ihn aus anderen Werken kennen und lieben lernte.


    Dumm nur, dass die Gesamte Geschichte an Belanglosigkeit kaum zu übertreffen ist. Diese besteht, wenn man es ganz genau nimmt, eigentlich nur aus einem endlosen, ausufernden Dialog zweier zumindest mir in vielerlei Hinsicht zuwideren und nervtötender Charaktere. Das ist dann schon fast ein wenig absurd, denn gerade die Dialoge zwischen – zugegeben: ausgefeilteren und sympathischeren – Charakteren in anderen Werken konnte Walter Moers doch stets besonders gut. So plätschert die Geschichte von Beginn an so dahin, wenn die beiden „Helden“ sich aufmachen, ins „dunkle Herz der Nacht“. Ich weiß bis jetzt nicht warum, wieso – und geschweigedenn was das ganze überhaupt sein soll... Auf jeden Fall war ich am Ende doch äußerst heiter gestimmt, als die "Reise" dann endlich vorbei war - und normalerweise war bei den Moers'chen Geschichten doch eher das Gegenteil der Fall.


    Schauen wir also der traurigen Realität ins Auge, liebe Moers-Fans: das Orm hat Letzteren offensichtlich seit einer Weile verlassen. Ob er nun wieder zu alter Stärke zurückfinden kann, bleibt nur zu hoffen. Beim Stichwort 'Hoffnung' fällt mir außerdem auch ein, dass Moers in Zukunft hoffentlich die Illustrationen seiner Bücher wieder selbst übernimmt. Ja, es ist prinzipiell eine nette Sache, dass Moers sich dem schweren Schicksal der Illustratorin dieses Buches angenommen hat, ja es ist theoretisch eine tolle Angelegenheit dass dieses Buch gewissermaßen dieser Person gewidmet und durch sie erst entstanden ist: letztlich macht es aber weder den mageren literarischen Gehalt in irgendeiner Art und Weise besser; noch lässt es mich darüber hinwegsehen dass das Gekrakel in diesem Buch nicht im Ansatz an die herrlich-skurrilen und stets treffenden und zur besonderen Zamonien-Atmosphäre beitragenden Zeichnungen von Moers selbst heranzureichen vermag. Gut gemeint ist eben nicht immer... na ihr wisst schon :sleep:

    "Wenn ich einer Untergrundkultgemeinschaft beitrete, erwarte ich Unterstützung von meiner Familie!" (Homer Simpson)


    :montag:

  • Meine Meinung ist dann wohl das genaue Gegenstück :loool:


    Da Walter Moers zu meinen Lieblingsautoren gehört, war ich sehr gespannt auf sein neues Buch. Die Prämisse - eine fantastische Reise durch die Gehirnwindungen - klang aufregend und bisher konnte mich der Schreibstil des Autors immer fesseln. Auch dieses Mal war keine Ausnahme.


    Allein schon die beiden Hauptcharaktere sind interessant. Prinzessin Dylia, die Protagonistin, leidet an einer unerklärlichen Schlafstörung, durch die sie jede Nacht wach ist, und ihr Gehirn sprudelt geradezu über vor Kreativität. Sie erfindet neue Wörter, Farben, Gegenstände... es gibt keine Grenzen. Im Laufe der Handlung bekommt man einen faszinierenden Einblick darin, wie ihre Gedanken arbeiten und es scheint wirklich einmalig zu sein - bunt, farbenfroh und trotzdem durchorganisiert. Am Anfang hatte ich nicht damit gerechnet, ihr 'Gegenstück' zu mögen. Havarius Opal stellt sich ihr als Nachtmahr vor, der plant, ihr den Verstand zu nehmen, nachdem er sie auf ein großes Abenteuer mitgenommen hat. Er ist fest entschlossen, seine Mission zu erfüllen, und zudem sehr sarkastisch und zynisch. Trotzdem hat der Autor es geschafft, dass Opal mir im Laufe der Handlung immer mehr ans Herz gewachsen ist, und die seltsame Beziehung, die während ihrer Reise zwischen ihnen entsteht und die man beinahe Freundschaft nennen kann, ist schön und glaubwürdig dargestellt.


    Der Einstieg in die Geschichte war ein bisschen zäh. Sobald Dylia und Opal aufeinander getroffen sind, hat sie mich allerdings gefesselt und ich wollte das Buch kaum aus der Hand legen. Ich konnte mir nicht vorstellen, eine Fantasy-Geschichte im Gehirn spielen zu lassen, doch es ist Moers problemlos gelungen. Die verschiedenen geistigen Prozesse und Vorgänge sind durch skurrile, bizarre und irgendwie liebenswerte Kreaturen dargestellt und der Weg, den Dylia und Opal gehen, ist immer aufregend, da sie verschiedene Hindernisse - und ihre eigenen Ängste - überwinden müssen. Dem Leser ist immer bewusst, wo die Charaktere sich aufhalten, und nebenbei werden einige Funktionen des Geistes erklärt, was mir gut gefallen hat. Umso spannender ist die Geschichte, weil man weiß, dass Opal vorhat, Dylia in den Wahnsinn zu treiben; man fragt sich, wie die Reise damit zusammenhängt, ob es ihm gelingen wird oder ob nicht doch alles gut ausgehen kann. Das Ende selbst hat mich bestürzt; ich wusste, dass es nicht anders ausgehen kann, hatte aber auf etwas anderes gehofft. Trotzdem war es passend.


    Ein großes Plus von "Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr" ist die wunderschöne Gestaltung. Die Illustrationen von Lydia Rode sind farbenfroh und ansprechend und auch die teilweise komplett farbigen Seiten und bunten Buchstaben haben mir sehr gefallen. Es ist ganz anders als die Zeichnungen, die Moers für die anderen Bücher angefertigt hat, aber meiner Meinung nach hat es gut zur Geschichte gepasst.


    Fazit:
    "Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr" ist, wie man es von Moers kennt, eine ungewöhnliche, fesselnde und humorvolle Fantasy-Geschichte. Die Handlung selbst würde von mir, vor allem wegen des etwas zähen Einstiegs, :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: bekommen; wegen der tollen Gestaltung gibt es einen halben Stern mehr.a

    Carpe Diem.
    :study: Yrsa Sigurðardóttir - Gespenstisches Island

    2024 gelesen: 13 Bücher | gehört: 4 Bücher

  • Auch bei mir stellte sich durchaus Lesevergnügen ein. Doch auch ich muss ein wenig Kritik üben. Aber lest selbst:


    Erstmal das Positive:
    Ich liebe es, wie Walter Moers mit Wörtern jongliert und sie seziert. Ich musste teilweise durchaus lachen, auch wenn ein paar Witze uralt waren. Das Buch ist eigentlich mehr eine Entdeckungsreise: Wenn man es mag, Neues zu entdecken, muss es muss nicht unbedingt spannend sein. Das ist wie Kochen oder Backen. Ich persönlich mag gerne backen, esse aber nicht so gerne Kuchen oder Gebäck. Es ist das Handwerk, was teilweise manchmal fasziniert. Und so fasziniert mich auch dieses Buch.


    Das Negative:
    Walter Moers Bücher sind halt teilweise schwer zu lesen, eine Herausforderung - und das mag dem einen oder anderen möglicherweise verschrecken. (Das ist eine Feststellung, keine Kritik) Es kommt langsam in Fahrt und verliert sich manchmal zu sehr in Details. So auch hier, wo Spannung eher zweitrangig ist und man eigentlich schon erwartet, dass das Buch - wie jedes andere von ihm - gut ausgeht. Wer also ein wirklich spannendes Buch erwartet, macht hier (leider) einen Fehlgriff. Aber versteht das nicht falsch, es mag durchaus ein paar Stellen im Buch geben, die spannend sind, aber man kann sie an einer Hand ablesen. Mich hat eher gestört, dass an manchen Stellen wirklich ALLES nochmal wiederholt wurde, was bei den vielen Listen von Prinzessin Lydia durchaus mal ein Gähnen entlockt. Dafür gibt es insgesamt einen Stern Abzug.


    Prinzipiell also:
    Das Buch kommt langsam in Fahrt, konzentriert sich ausschließlich auf Prinzessin Lydia und findet ihre Stärken eher im schöpferischen und malerischen Detail. Das "wortmännische Handwerk" von Walter Moers ist sehr gut. Nur wartet die Fangemeinde um Zamonien halt noch immer auf einen Roman mit einer pittoresken Geschichte, die zumindest einigermaßen den Erwartungen entspricht. Also einem etwas mehr ungewöhnlichen roten Faden folgt, der nicht ganz so vorhersehbar ist wie diese Geschichte.


    Insgesamt: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Eol: noch nie habe ich es erlebt, dass mir eine Rezension so sehr aus dem Herzen spricht, wie diese über das aktuellste Machwerk von Walter Moers. Vorneweg muss ich schicken, dass ich ein großer Zamonien-Fan bin und die Bücher von Walter Moers sonst immer verschlungen habe. Nicht so diesmal. Ich habe mich Seite für Seite voran gequält und hätte ich das Buch nicht gemeinsam mit der lieben Lilibeth gelesen, hätte ich es wohl schon nach den ersten hundert Seiten in die Ecke gepfeffert. Und das ist so schade, weil ich die Idee durchs Gehirn zu reisen erstmal total spannend finde. Nur die Umsetzung war leider gar nichts. Nicht mal die Zeichnungen konnten es retten - im Nachwort habe ich dann auch erfahren, warum die Zeichnungen (ganz im Gegensatz zu den übrigen Moers-Büchern) so gar nicht zu den Beschreibungen passen mag. Liegt natürlich daran, dass von jemand anderem stammen. Hätte man aber dann auch besser abstimmen können. Ich kann also Eol nur in jedem Satz beipflichten und sagen, dass man sich dieses Buch wirklich sparen kann. Wohlwollende :bewertung1von5::bewertung1von5: für die Idee.

  • Überschrift: Nein. Einfach Nein.



    Part 1, da Beitrag zu lang. Wenn das nicht erlaubt ist, sorry.



    Diese Rezension ist lang. Und nicht positiv. Sie enthält Hinweise auf die Handlung. Wer das Buch völlig blind lesen will, sollte nach der Lektüre diese Rezension lesen.


    Das Buch las ich in einem Rutsch durch, allerdings nicht, weil es so toll war, sondern weil ich wusste: Wenn ich jetzt aufhöre, dann lese ich es niemals fertig.
    Schauen wir uns die Katastrophe Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr mal genau an:
    Wenn man dieses Buch und diese Rezension verstehen möchte, ist es wichtig, den Hintergrund zu kennen:
    Walter Moers kam in Kontakt mit einer jungen Frau aus Berlin namens Lydia Rhode. Sie leidet an der Krankheit CES (Chronische Erschöpfungssyndrom) oder Chronisches Müdigkeitssyndrom (englisch: chronic fatigue Syndrome (CFS)), auch Myalgische Enzephalomyelitis (ME). (Danke Wikipedia!) Ich werde nicht zu viel dazu erklären, doch es lohnt sich, danach zu googeln. Dies ist eine Krankheit, die man nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünscht. Symptome sind unter anderem: Ständige völlige Erschöpfung, Schmerzen, Übelkeit und Schlaflosigkeit. Moers entschied mit Lydia Rhode zusammen zu arbeiten. Er verfasst den Text, sie würde die Illustrationen übernehmen. Das Ganze war ursprünglich als Kurzgeschichte geplant und hier liegt das größte Problem:
    Als Kurzgeschichte in Form einer Zusammenarbeit zwischen Walter Moers und Lydia Rhode hätte die Geschichte wunderbar funktioniert. Moers Art mit Worten zu spielen, seine Ideen und Vorstellungskraft sind bestens dazu geeignet sich einem Thema wie CES zu nähern. Lydia Rhode, die an dieser Krankheit leidet, kann durch ihn andere Menschen an ihrem Schicksal teilhaben lassen und sich selbst durch ihre Illustrationen Gehör verschaffen. Als Kurzgeschichte, die auf CES Aufmerksam machen will, wäre diese Idee genial gewesen.
    Also was läuft falsch?
    Für mich gibt es zwei große Punkte, an denen alles hängt.
    1. Die Handlung trägt keinen Roman.
    Das Problem zeigt sich bereits in den ersten Kapiteln. Wir lernen Dylia kennen, die an etwas leidet, dass alle nur „die Krankheit“ nennen. Dazu gehört eine extreme Form von Schlaflosigkeit, die Dylia dazu bringt Nacht für Nacht durch ihr Schloss zu tapern und sich irgendwie zu beschäftigen. Unter anderem rezitiert sie die Namen ihrer liebsten Mondkrater in alphabetischer Reihenfolge. (Das nimmt fast eine ganze Seite in Anspruch.) Ein weiterer Zeitvertreib ist das Sammeln von „Pfauenwörter.“ Dies sind ungewöhnliche Wörter aus allen möglichen Sprachen, die schwer in alltägliche Sätze einzufügen sind, weswegen sich Dylia jeden Tag eine Liste mit solchen Wörtern erstellt mit der Aufgabe bis zum Ende des Tages jedes Wort mindestens einmal zu benutzen. Es folgen ein paar Gedanken zu ihrem Zustand und, in fiktiver Form, zu ihrer Krankheit, welche, wie der Leser weiß, CFS ist.
    Manche der Ideen sind clever und liebenswert. Die Pfauenwörter sind interessant und die späteren Versuche sie einzubauen sind amüsant. Ungefähr die ersten zwei Male. (Es gibt 12 davon, und manche werden mehrfach genutzt...) Dylia stellt sich ihre Symptome, wie zum Beispiel Übelkeit und Schmerzen als Besuche von ungeliebten Verwandten vor, die man gerne loswerden möchte, aber man muss sie eben erdulden. Immerhin ist es die Verwandtschaft und man mag nicht unhöflich sein. Es ist ein warmherziger Humor, aber auch eine große Stärke in diesem Bild; es zeigt die Geduld, mit der jemand, der eine solch lähmende Krankheit hat, mit seinen Symptomen umgeht. Moers Ideen funktionieren an dieser Stelle perfekt, so, wie man es von ihm gewohnt ist. Aber das ist leider nur ein kleiner Teil der ersten Seiten.
    Denn Dylia ist in ihrer Schlaflosigkeit und in ihrer Krankheit entweder gelangweilt oder von den Symptomen zu gelähmt, um etwas zu tun. Was passiert, wenn man einer Figur folgt, der permanent langweilig ist? Es ist langweilig! Jemandem dabei zuzusehen wie er sich langweilt ist langweilig. Bis derjenige sich interessante und witzige Dinge einfallen lässt, damit ihm nicht mehr langweilig ist. Aber das passiert hier nicht: Ja, Dylia lässt sich Dinge einfallen, aber eben Dinge wie die Auflistung von Mondkratern oder das Erfinden von irgendwelchen Dingen und Farben. Man merkt trotzdem eines: Dylia langweilt sich zu Tode, ergo sehe ich jemanden, der sich langweilt.
    Ich könnte hier schreiben, dass ich, wenn ich mich langweile, anfangen mir Hunderassen vorzustellen und mir für jede Rasse zu überlegen, welche Namen solche Hunde haben könnten. Das könnte eine nette Idee sein, heißt aber nicht, dass ich in allen Details jede einzelne existierende Hunderasse hier auflisten muss, zu jedem den Namen schreiben und dann noch die Erklärung dazu, warum es diesen Namen gibt. Spätestens nach zwanzig Hunden ist die nette Grundidee verpufft und man blättert weiter, um diese Liste nicht komplett lesen zu müssen.
    Auch hat jemand, der durch schwere Krankheit ans Bett gefesselt ist, ohne Frage einen schweren Kampf auszufechten. Trotzdem ist es nicht sehr spannend jemanden stundenlang dabei zu beobachten, wie er im Bett liegt. Wenn man in einem Krankenhaus eine Kamera installiert, sieht man, dass der Mensch krank ist, sieht ihn vielleicht leiden, weiß, dass er eine Schlacht schlägt … aber trotzdem schaut sich niemand zwei Stunden lang eine Kameraaufzeichnung an, in der jemand einfach nur (krank) im Bett liegt und ab und zu Wörter oder Farben auflistet.
    Und das geht so für fast 60 Seiten. 60 Seiten, auf denen man im Prinzip eben nur jemandem dabei zusieht, wie er sich langweilt oder krank im Bett liegt. Da sind ein paar gute Einfälle, ja, aber die tragen keine 60 Seiten.
    Dann erscheint endlich der titelgebende Nachtmahr: Havarius Opal.
    Jetzt fängt die Geschichte an! Richtig? Richtig …? (Bitte! Bittebittebittebitte!)
    Ich wünschte ...
    Also: Havarius Opal, der Nachtmahr, stellt sich vor und erklärt Dylia, dass er nun ihr persönlicher Nachtmahr ist und sie nie mehr verlassen wird, bis sie sich umbringt. Was eine ziemlich düstere Ausgangssituation ist, die eigentlich eine Menge verspricht. (Ja, vergesst das. Das Potential erstickt schneller als die Würmer in 'Evolution'.)
    Dylia ist fest entschlossen ihrem Schicksal zu entgehen. Der Nachtmahr nimmt sie mit auf eine Reise zum dunklen Herz der Nacht, eine Reise, in ihr eigenes Gehirn.
    Warum suchen sie das dunkle Herz der Nacht? Ich habe keine Ahnung. Es muss irgend einen wichtigen Grund geben, aber ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.
    Opal und Dylia machen sich auf den Weg durch Dylias Gehirn. Diese Idee ist bei Walter Moers nichts Neues; er nutzte sie bereits in anderen seiner Geschichten. Dort sind es kurze Kapitel oder kurze Teile der Geschichte, da die Idee zwar interessant ist und etwas aus sich machen lässt, aber sie hat ihre Grenzen. Grenzen, die man hier nur all zu deutlich spürt.
    Es funktioniert nicht als Idee für einen ganzen Roman . Erstens weil die Idee für Moers Leser schon zu bekannt ist, zweitens, weil man dem Text deutlich anmerkt, dass die Ideen und Vergleiche an sich nicht genug hergeben.



    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.

  • Part 2


    Ich muss etwas korrigieren: Die Idee würde funktionieren, wenn es mehr Handlung gäbe. Die Handlung hier ist aber: Wir laufen durch. Jawohl. Das ist es. Wir laufen durchs Gehirn. Und Moers macht den größten Fehler, den er in meinen Augen machen konnte: Er fängt an seine Ideen und Bilder zu erklären.

    Solche Bilder funktionieren, weil sie ein Bild durch ein anderes ersetzen. Man redet von etwas und meint eigentlich etwas anderes. Das Bild muss clever sein, damit jeder versteht, was eigentlich gemeint ist. Und wenn ein guter Autor, wie Moers eigentlich einer ist, damit arbeitet, dann schafft er es Bilder zu erfinden, die der Leser begreift. Doch weil dies nun einmal keine Kurzgeschichte ist, sondern ein Roman mit über 300 großformatigen Seiten, lässt er seine Bilder nicht für sich alleine sprechen: Er erklärt sie. Er erklärt jedes kleinste Detail.

    Die Figuren stoßen auf einen cleveren Einfall: Lieber Leser, lass mich dir genau erklären, was du hier siehst, wie mein Bild funktioniert und dann lass die Figuren noch ein paar Seiten lang darüber reden.

    Oh, die Protagonisten geraten in Gefahr? Nun, lass uns erst mal erklären, was hier nun genau passiert und dann lass die Figuren darüber reden. Wir bannen dann mal kurz die Gefahr, damit wir erklären können, wie genau die Gefahr gebannt wurde und damit die Figuren darüber reden können.

    Diese Reise durch Dylias Gehirn ist so spannend wie eine Bedienungsanleitung.

    Das sind ein paar gute Ideen, wie zum Beispiel die Seitenhiebe auf Bürokratie und Beamten, aber es fühlt sich an, als läge man in einem wachkomaartigen Halbschlaf, und dann und wann piekst einer dich mit einer Nadel, was dich kurz aufschrecken lässt, nur um dich zurück in die Lethargie fallen zu lassen.

    Jeder Punkt in der Handlung, der auch nur einen Hauch von Spannung verspricht, wird komplett ruiniert durch die endlosen Erklärungen und das endlose Gelaber der Figuren. Jede Idee, jedes Wortspiel wird durchgekaut wie Kaugummi, lang gezogen, von allen Seiten betrachtet und noch mal durchgekaut.

    Zum Ende dieses Buches war ich nah dran einzuschlafen. Ich wollte dieses Buch so gerne zuschlagen und an die Wand pfeffern. Es war geradezu hypnotisierend einschläfernd. Ich war nicht mal mehr daran interessiert, wie die Geschichte ausgeht. Alles was ich wollte war, dass das Elend ein Ende hat!

    Das Ende übrigens, - abgesehen davon, dass sie das dunkle Herz der Nacht nur kurz ansehen und dann wieder gehen …. (*bitte frustrierten Schrei hier einsetzen*) - soll einen Twist beinhalten und wohl auch berührend sein. Glaube ich. Denn ich wollte nur noch, dass die Figuren endlich die Klappe halten. Es hat mich nicht mehr im Mindesten interessiert was mit den Figuren passiert. (Und die angebliche Liebesgeschichte, wie sie auf dem Umschlag angekündigt wird, erschließt sich mir nicht. Aber vermutlich war ich nach dem Lesen einfach vor Langeweile zu benebelt, um das zu kapieren. )

    So viel zum Inhalt und zur Handlung.

    Aber das Schlimmste, das absolut Schlimmste an diesem ganzen Buch und der Hauptgrund Nummer 2 warum ich nach der Lektüre wirklich angepisst war. Nicht verärgert, sondern richtig sickig?

    2. Es ist kein Zamonien - Roman.

    Ich verstehe die grundlegende Idee und ich mag sie. Ehrlich. Walter Moers Einfallsreichtum, sein Gefühl für Bilder und Worte dazu zu nutzen um auf eine noch fast gänzlich unbekannte und bis dato unheilbare Krankheit aufmerksam zu machen ist eine großartige Sache. Jemand, der an etwas wie CES leidet eine Plattform zu bieten, Menschen wie Lydia Rhode eine Stimme zu geben; ihr einen Weg zu ermöglichen sich durch ihre Kunst zu zeigen und Gehör zu verschaffen, ist eine verdammt gute Sache. Am Geist dieser Idee gibt es nichts auszusetzen.

    Wäre die Geschichte als Kurzgeschichte veröffentlicht worden; als eigenständige Geschichte, indem Moers auf CES Aufmerksam macht, gäbe es daran nichts auszusetzen.

    Aber es wurde als neuer Zamonien-Roman beworben.

    Bis auf ein paar Erwähnungen von zamonischen Dingen am Rande hat das Buch nichts, aber auch gar nichts mit Zamonien zu tun.

    Ich hätte kein Problem damit gehabt eine von Walter Moers geschriebene Geschichte zu kaufen, in der er über CES schreibt. Ich hätte gern eine Geschichte gekauft, in der eine junge Frau, die an CES leidet, ihre Kunst und ihre Sicht auf die Welt mit mir teilt.

    Aber ich lasse mich nicht gerne hinters Licht führen.

    Schreibt drauf, was drin ist und versucht keine Bücher zu vermarkten, indem eine populäre Romanserie als Werbung genutzt wird, wenn das Buch im Endeffekt nichts mit dieser Serie zu tun hat.

    All die guten Hintergedanken, all die guten Vorsätze, all der löbliche Geist, der hinter der Idee steckt wird dadurch pervertiert. Diese Art von Verkaufsstrategie und Buchvermarktung regt mich auf.

    Ihr möchtet auf eine Krankheit Aufmerksam machen und einer jungen Frau eine Plattform geben?

    Okay, tut das.

    Aber versteckt das nicht hinter einem großen, werbewirksamen Namen.

    Kurz: Steht zu dem, was es ist und versucht nicht Leser unter Angaben falscher Tatsachen dazu zu tricksen das Buch zu kaufen.

    Fazit:

    Das ist Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr: Eine Kurzgeschichte, die schmerzvoll zum Roman aufgeblasen wurde. Figuren, die jede Spannungskurve zu Tode labern. Eine Handlung, dünn wie ein zu oft gekautes Kaugummi und ein Erzähltempo jenseits von Scheintod. KEIN Zamonienroman.

    Walter Moers ist bekannt dafür mit Worten zu spielen, dutzende Begriffe aneinander zu Reihen. Aber seine anderen Bücher haben eine Handlung. Sie sprühen nur so von Einfällen und Ideen, von Wendungen und cleveren Erfindungen, vor skurrilen Figuren, die, so kurz ihr Auftritt auch sein mag, alle liebenswerte oder interessante Charaktere sind. Hier gibt es nichts davon. Die selben Wortspiele, die selben Begriffe, der selbe Streit, der wohl als „Konflikt“ dienen soll, alles in einer endlosen Wiederholung, schlimmer als Fernsehen im Sommerloch. Bis auf zwei Figuren hat hier nichts einen nennenswerten Charakter, bis auf ein paar Ideen gibt es hier nichts, das zündet, nichts, dass fesselt. Es gibt keine Substanz, keinen Plot, der in der Lage ist das Buch zu tragen. Es gibt nichts außer ein Haufen aneinander gereihter Worte auf einem Fundament, dass so dünn und wacklig und löchrig ist, dass man nur einbrechen kann. Einbrechen und absaufen.

    Wenn die Geschichte auch versucht mich mit dem Namen „Walter Moers“ und „Zamonien“ zu blenden, ich sehe sie als das, was sie für mich ist: Ein großes, langweiliges, fade Aneinanderreihung aus Belanglosigkeiten. Wie ein Spaziergang, durch das Gehirn von jemandem, der sich zu Tode langweilt, und so schlimm CES ist, so sehr Lydia Rhode und all die anderen Menschen, die an so einer Krankheit leiden meinen Respekt und meine Hochachtung genießen:

    Dieses Buch ist so "spannend" wie Gras beim Wachsen zuzusehen. Und die Vermarktung-Strategie ist ... eine Schande.

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.