Helga Hammer - Durch alle Zeiten

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
    Elisabeth ist eine einfache Frau aus den österreichischen Alpen. Mit siebzehn Jahren verliebt das Mädchen mit dem Madonnengesicht sich in einen jungen Mann aus angesehener Familie. Diese Liebe darf nicht sein und lässt doch beide ihr Leben lang nicht mehr los. Klar und tiefbewegend schildert Helga Hammer eine archaische Bergwelt, geprägt von harter Arbeit und gesellschaftlichen Zwängen, von den 50er Jahren bis in die Gegenwart.


    Autorin (Quelle: amazon)
    Helga Hammer, geboren 1940, studierte Germanistik und Arabistik und verbrachte einige Jahre in Ägypten. Heute lebt sie mit ihrem Mann auf den Kanarischen Inseln und in Österreich. Durch alle Zeiten ist ihr Debüt.


    Allgemeines
    Erscheinungstermin: 13.10.2017* bei Ullstein fünf als HC mit 272 Seiten
    Gliederung: 57 Kapitel in zwei Handlungssträngen, Autorennachwort „Erinnerungen“
    Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive der Hauptfigur Elisabeth
    Handlungsort und -zeit: (größtenteils) Österreich, 1940er bis 1960er Jahre, 1970er Jahre bis in die Gegenwart


    Zum Inhalt
    Laut Aussage der Autorin in ihrem Nachwort „Erinnerungen“ ist der Roman vom Leben einer ihrer Freundinnen inspiriert, der Großteil der Handlung ist jedoch fiktiv. Elisabeth wird 1940 in eine einfache Bergbauernfamilie hineingeboren. Sie ist ein intelligentes und hübsches Mädchen, das mehr vom Leben erwartet als es für jemanden ihrer Herkunft üblich ist. Trotz ihres Ehrgeizes und ihrer vergleichsweise guten Ausbildung auf einer Haushaltsschule kommt es nicht zur Heirat mit ihrem heimlichen Freund Niklas, einem Studenten der Veterinärmedizin aus wohlhabender Familie, der eine Frau aus seinen Kreisen heiraten soll. Infolge dieser ernüchternden Erfahrung verlässt Elisabeth zunächst ihre Heimat und führt in den folgenden Jahrzehnten ein ebenso arbeitsreiches wie ereignisreiches Leben, in welchem sie Männer liebt, die sie nicht heiraten kann und Männer heiratet, die sie nicht lieben kann.


    Beurteilung
    Die Handlung des Romans wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Die Kapitel mit den ungeraden Ziffern erzählen die fortlaufende Handlung in der Gegenwart, die zu Beginn der 1970er Jahre einsetzt und bis in die Gegenwart reicht; die Kapitel mit den geraden Ziffern berichten über Elisabeths Vergangenheit von ihrer Kindheit bis etwas Mitte der 1960er Jahre.
    Zunächst muss der Leser Elisabeth für eine bedauernswerte Frau halten, die an der Seite eines völlig empathielosen, gewalttätigen Ehemannes ein karges und arbeitsreiches Leben fristet. Doch schon bald wird ersichtlich, dass man es hier nicht mit einer un-emanzipierten, unterdrückten Bergbäuerin zu tun hat, sondern mit einer starken, unbeugsamen Persönlichkeit, die ihre Interessen nicht nur energisch, sondern auch egoistisch und rücksichtslos verfolgt. Die Autorin hat den Charakter ihrer Hauptfigur sehr detailliert und facettenreich ausgearbeitet, Elisabeth ist keine sehr sympathische Figur, angesichts der ihr eigentlich vorgezeichneten Rolle im Leben kann man allerdings für viele ihrer „unkonventionelleren“ Handlungen ein gewisses Verständnis aufbringen. Auch die Charaktere der anderen Hauptfiguren in Elisabeths Umfeld sind vielschichtig gestaltet, manchmal stellt sich allerdings die Frage, ob deren Handlungsweisen wirklich zu einer archaischen Bergwelt und den darin herrschenden gesellschaftlichen Zwängen passen.
    Diese Bergwelt und die Härten des Lebens in einer solchen Umgebung werden sehr anschaulich und eindrucksvoll beschrieben. Die atmosphärisch dichte Schilderung und die durchsetzungsstarke Persönlichkeit der Protagonistin sorgen für einen Sog, dem sich der Leser nur schwer entziehen kann. Auch der flüssige Erzählstil verführt zum schnellen Lesen, wobei der Wechsel zwischen den Zeitebenen, der aufgrund fehlender Zeitangaben fast unbemerkt vonstattengeht, allerdings die erhöhte Aufmerksamkeit des Lesers erfordert.


    Fazit
    Eine eindrucksvolle Erzählung über eine starke, aber nicht selbstlose Frau, die – in ein einfaches, von harter Arbeit geprägtes Umfeld hineingeboren – unbeugsam das Beste aus ihrem Leben zu machen versucht, fesselnde Unterhaltung!
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    * Vorzeitige Veröffentlichung der Rezension mit Genehmigung von vorablesen.de

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
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    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Auf der Suche nach Glück


    „Durch alle Zeiten“ ist Helga Hammers erster Roman. Für ihr Debüt hat sie sich viel Zeit gelassen, denn mit 77 Jahren ist sie keine jugendliche Autorin. Genau wie ihre Protagonistin Elisabeth wurde sie 1940 geboren. Doch ihr Leben unterscheidet sich von dem ihrer Heldin.


    Elisabeth kommt aus einem österreichischen Alpendorf. Nach einer Kindheit in Armut, gelingt es der hübschen Elisabeth, ihr Elternhaus zu verlassen und zur Haushaltsschule zu gehen. Mit 17 verliebt sie sich in Niklas, der aus gutem Haus stammt und ihr ein besseres Leben bieten könnte. Indes bleibt sie nur ein Abenteuer für ihn. (Jahre später werden die beiden sich wiedersehen und dann nicht mehr voneinander loskommen.)


    Nach dem Desaster mit Niklas packt Elisabeth der Ehrgeiz, dem Leben nun alles abzuverlangen, was es ihr bietet. Sie geht als Kindermädchen nach London, beginnt ein Verhältnis mit Ariel, ihrem Arbeitgeber, und ist schwanger, als sie nach dem Tod ihrer Mutter nach Österreich zurückkehrt.


    Die Umstände zwingen sie, die nicht als uneheliche Mutter gebrandmarkt werden will, sich auf die Suche nach einem Vater für das ungeborene Kind zu begeben. Martin, ein Nachtwächter in der Lodenfabrik ihrer Tante, glaubt, mit Elisabeth nun endlich eine liebende Frau gefunden zu haben, hingegen ist er nur Mittel zum Zweck. Und die Idylle, die sie sich beide ersehnen, stellt sich nicht ein. Das Dasein bleibt hart und armselig...


    Nach einigen Jahren verliebt Elisabeth sich in Richard, ihren Cousin, und wieder wird sie schwanger. Es folgt erneut eine Trennung, nachdem Martin erschütternd erfahren muss, dass er weder der Vater von Franz noch der des zweiten Kindes ist. Als Geschiedene mit nunmehr zwei Kindern bleibt Elisabeth nur ein Ausweg: Sie heiratet den vermögenden Bauern Josef. Erst nach der Hochzeit offenbart sich Josefs wahrer Charakter – er ist ein Säufer und schlägt seine Frau.


    Ist das das Glück, das Elisabeth sich erträumt hat?


    Helga Hammer erzählt in zwei sich abwechselnden zeitlichen Handlungssträngen. Der erste setzt mit der Geburt des dritten Kindes ein und wird bis zur Gegenwart fortgeführt, während der andere die Kindheit und folgenden Jahre beleuchtet.


    In dichter, klarer und unsentimentaler Sprache, die fast ein wenig antiquiert anmutet, schildert die Autorin ein Leben auf dem Land, das aus heutiger Sicht so fremd erscheint, dass die Situation, in der sich Elisabeth befindet, gerade für junge Menschen nicht oder schwer verständlich ist. Eine Frau mit wechselnden Partnern passt nicht in das Bild, zumindest nicht in dem damaligen Zeitrahmen. In der modernen Welt gehören sich auflösende Beziehungen fast schon zum guten Ton und bleiben mehr oder weniger unbeachtet. Allerdings nicht in den Fünfigerjahren. Dabei basieren Elisabeths Erlebnisse auf der Biografie einer Freundin, sind aber in weiten Teilen fiktiv.


    Elisabeths Geschichte berührt durchaus, obwohl die junge Frau nicht unbedingt immer mit Sympathie punktet. Sie ist in eine Welt hineingeboren, die von harter Arbeit und gesellschaftlichen Zwängen geprägt ist, und muss sich in diesem Umfeld durchsetzen, um dem Leben etwas Glück abzutrotzen. In wenigen seltenen Momenten ist dies von Erfolg gekrönt. Und obwohl Elisabeth für vieles selbst Ursachen gesetzt hat, verlernt sie „Durch alle Zeiten“ nicht das Träumen und die Hoffnung, eines Tages wahrhaft glücklich zu sein. Das imponiert, wenngleich ihre manchmal doch auch rücksichtslose Art erschüttert. Elisabeth lebt mit ungezügelter Leidenschaft und unverhältnismäßig: drei Kinder von drei verschiedenen Männern, die auch charakterlich sehr unterschiedlich sind.


    Insgesamt geht Helga Hammer sehr respektvoll mit ihrer Protagonistin um, sie nimmt sie so, wie sie ist, ohne etwas zu beschönigen oder zu verschleiern. Sie macht deutlich, dass das Leben kein Wunschkonzert ist und dass es für einen ungetrübten und wertfreien Blick einer gewissen Lebenserfahrung bedarf.


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  • Die nach Angaben der Autorin auf wahren Begebenheiten im Leben ihrer bereits verstorbenen Freundin beruhende Geschichte hatte mich in der Leseprobe zunächst sehr angesprochen, während der tatsächlichen Lektüre des gesamten Buches jedoch enorm enttäuscht und auch noch zunehmend verärgert! Ja, die schweren Zeiten in einem abgelegenen österreichischen Bergdorf... das kam gut und glaubhaft bei mir als historisch interessierter Leserin an. Aber das war es auch schon. Anfängliches Mitgefühl mit der bei der Auswahl ihrer Liebsten kein glückliches Händchen beweisenden Protagonistin wandelte sich in Verwunderung, Staunen und Kopfschütteln. Sie erwies sich sowohl als penetrant erfahrungsresistent als auch als permanent selbstsüchtig. Die Mehrzahl der Väter ihrer Kinder waren verheiratet, allerdings mit einer Ausnahme nicht mit ihr. Dass sich daraus Konflikte ergeben, hätte sie spätestens nach dem ersten Kind erkennen müssen. Eine ihrer "Lösung" eines derartigen Konfliktes besteht z. B. darin, einem sie wahrhaft liebenden einfachen und aufgrund seiner Behinderung kaum noch mit einem erfüllten Familienglück gerechnet habenden Mann das Kind eines anderen unterzuschieben - und ihn mit einem weiteren Mann zu betrügen und sich - von diesem hochschwanger - vom gehörnten Ehemann auch noch beim Geschlechtsverkehr erwischen zu lassen. Nein, da bleibt mein Mitgefühl auf der Strecke. Dieses galt allenfalls den Kindern. Floppppp!

  • Du beurteilst das Buch als Flop, weil die Hauptfigur nicht gerade eine Sympathieträgerin ist? :-k

    Diese Frage stelle ich mir auch gerade. Denn diese Bewertung indiziert meiner Meinung nach zugleich, dass die Protagonistin des Romans nur moralisch einwandfrei handeln darf, damit das Werk der Autorin in Gänze Anerkennung findet...

  • Nein, ich bewerte ein Buch nicht nach dem (un)moralischen Verhalten des Protagonisten/der Protagonistin! Selbige(r) muss mir auch nicht zwangläufig sympathisch sein, damit mir ein Buch gefällt. Abgesehen davon ist wohl kaum ein Mensch fehlerfrei, mich selbstverständlich eingeschlossen. Aber über diese Frau habe ich mich ungewöhnlich geärgert und mich zudem gefragt, was die Autorin mit ihrem Buch "sagen" wollte. Auch habe ich mich natürlich gefragt, warum ich auf dieses Buch so stark negativ reagiere, obwohl ich weder aktive noch passive Parallelen sehe. Eine Antwort habe ich bisher nicht gefunden.

  • In ihrem Debütroman schildert Helga Hammer die Lebensgeschichte von Elisabeth und entführt den Leser dabei in die österreichische Bergwelt der letzten 60 Jahre.
    Die hübsche Elisabeth, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, verliebt sich als junges Mädchen unstandesgemäß in den Sohn einer wohlhabenden Familie.
    Wir begleiten Elisabeth durch ihr ganzes Leben. Dabei geht die Autorin nicht chronologisch vor, sondern erzählt abwechselnd in zwei verschiedenen Zeitsträngen, die einige Jahre auseinander liegen.
    Mir hat dieses Stilmittel sehr gut gefallen, da man dadurch Elisabeths Taten und Entscheidungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und somit besser verstehen konnte.
    Elisabeth als Mensch war mir nicht immer sympathisch. Sie ist eine Frau mit vielen positiven und auch negativen Facetten. Für ihre Kinder kämpft sie z.B. wie eine Löwin, sie stehen immer an erster Stelle.
    Anderen Menschen, die ihre Hilfe gebraucht hätten, tritt sie nicht so hilfsbereit entgegen. So zum Beispiel der jungen Magd, die sie schutzlos ihrem gewalttätigen Ehemann ausliefert, wohl wissend was hinter ihrem Rücken passiert.
    Manche ihrer Handlungsweisen kann ich nachvollziehen, wenn auch nicht immer gut heißen. Oft hatte Elisabeth aber keine andere Wahl um zu überleben, bzw. das Wohl ihrer Kinder zu sichern.
    Mich in diese archaische Welt hinein zu versetzen gelang mir durch die lebhafte Erzählweise sehr gut, auch wenn es mir schwer vorstellbar erscheint, dass noch in den siebziger Jahren das Leben einer Frau so vollkommen von ihrer Herkunft und vor allem von ihrem Ehemann dominiert wurde.


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