Carola Dunn - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis / Death at Wentwater Court

  • Cosy-Krimi mit Landhausflair
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    Miss Daisy ist eine junge Frau aus gutem Elternhaus, mit den besten Verbindungen zum Adel. Es sind die 20er Jahre und ihr Leben hätte eigentlich in gewissen Bahnen verlaufen sollen, wie Tradition und soziale Konventionen es vorgeben: eine standesgemäße Partie und danach ein Leben als charmante Gattin, mit gepflegten Gartenpartys, Jagdgesellschaften, Tanztee und abendlichen Kartenspielen. Tatsächlich ist ihr Verlobter jedoch im Krieg geblieben, ihren Vater hat die Grippe-Epidemie dahingerafft, und Daisy hat nicht die Absicht, die Hände sittsam in den Schoß zu legen und im Haus ihrer Mutter vom verhältnismäßig bescheidenen Erbe zu leben. Stattdessen arbeitet sie als Journalistin und bedient sich offiziell eines Fotografen, der jedoch nur auf dem Papier existiert, da sie ihr Redakteur einer Frau die Bedienung einer Kamera nicht zutraut.


    Das war mir schon mal sehr sympathisch. Daisy weiß, was sie will – und vor allem weiß sie, was sie nicht will. Sie ist entschlossen, mutig, aufgeschlossen und intelligent, und dabei lässt sie sich nicht in ein gesellschaftliches Korsett zwängen. Da versteht es sich fast von selbst, dass sie es nicht einfach auf sich beruhen lassen kann, als vor ihren Augen ein Toter aus dem zugefrorenen See gezogen wird, und sich dabei auch nicht davor scheut, mit dem bürgerlichen Inspector Alec Fletcher zusammen zu arbeiten. Der hingegen ist es gar nicht gewöhnt, jemandem vom Adel zu begegnen, der nicht auf ihn herabschaut.


    Dieses Buch ist ein waschechter Cosy-Krimi: das Erzähltempo ist eher gemächlich, die Gewalt hält sich in Grenzen, sogar der Mord ist relativ sauber und wird nicht bis ins kleinste Detail beschrieben. Dafür bekommt man einen Einblick ins Leben des Landadels im England der 1920er, mit viel Atmosphäre und bunten Charakterbeschreibungen. Dabei erfährt man Einiges über das Leben der verschiedenen Akteure, das nicht immer unbedingt etwas mit dem Fall zu tun hat: wer ist in wen verliebt, gibt es im Leben der blutjungen zweiten Frau des Grafen ein skandalöses Geheimnis, wird Daisys Kindheitsfreund es jemals aufgeben, ihr trotz ihrer freundlichen, aber entschiedenen Abfuhren Anträge zu machen?


    Ja, das ist eine sehr malerische, vielleicht ein bisschen kitschige Sicht auf die Zeit und das Leben der Menschen damals. Gut, es erfindet ehrlich gesagt auch das kriminalliterarische Rad nicht neu. Aber es hat seinen ganz eigenen Charme, und das soll auch nicht heißen, dass das Buch nicht spannend ist – nur wandelt Miss Daiys eben eher auf den Spuren von Miss Marple als auf den Spuren von Smoky Barrett. Oder: eher Rosenheim-Cops als Hannibal.


    Mir hat gut gefallen, wie Daisy sich in die Ermittlungen stürzt: kein bisschen zimperlich, dafür aber mit guter Beobachtungsgabe und viel Enthusiasmus. Die Auflösung fand ich gut konstruiert; mir war bis zum Schluss nicht klar, wer den Toten ins Eis befördert hat und warum, aber die Erklärung war in meinen Augen schlüssig und glaubhaft.


    Dass es dabei zwischen Miss Daisy und Inspector Fletcher ein wenig kribbelt, ist meines Erachtens (noch?) erfreulich dezent und kitschfrei! Ich könnte mir aber vorstellen, dass sich daraus in den Folgebänden eine echte Romanze entwickelt.


    Der Schreibstil liest sich leicht und angenehm, beschreibt dabei aber alles bildlich und lebendig genug, dass man es sich wunderbar vorstellen kann. Die Autorin vermittelt einem das Gefühl, wirklich einen kleinen Blick in die Zeit zu werfen, mit all ihren Gepflogenheiten und gesellschaftlichen Normen.


    Fazit:
    Miss Daisy könnte Fans von Miss Marple begeistern: zwar ist sie mit 25 Jahren weitaus jünger als die so berühmte wie betagte Amateurdetektivin, aber auch sie ist eine kultivierte Lady, die sich mit Enthusiasmus in Ermittlungen stürzt, die sie eigentlich nichts angehen. Während Miss Marple in den 30er Jahren ihr Unwesen treibt, lebt Miss Daisy in den 20ern, entstammt dem Landadel und besteht skandalöserweise darauf, sich ihren Lebensunterhalt mit Journalismus zu verdienen. In diesem ersten Band begibt man sich mit ihr ins Herrenhaus Wentwater Court, wo sie eigentlich nur einen Artikel über das Anwesen schreiben will, stattdessen aber messerscharf feststellt, dass ein vermeintlicher Schlittschuhunfall in Wirklichkeit Mord sein muss.


    Für Fans von blutigen Gemetzel oder psychopathischen Serienkillern ist dies ganz bestimmt nicht das Richtige, aber wer gelegentlich gerne einen malerischen Kuschelkrimi mit gemütlichem Tempo und historischem Ambiente liest, sollte es mal mit Miss Daisy versuchen. Die Charaktere sind bunt und lebendig, der Fall schön konstruiert, die Sicht auf die 20er Jahre eventuell ein bisschen geschönt, aber charmant, und die Auflösung solide und unerwartet.

  • Puh, ziemlich zäh beginnt dieser Krimi so vor sich hin zu plätschern. Ständig hatte ich das Gefühl die Sache irgendwie vorantreiben zu müssen. Es passierte einfach - nichts. Ein bisschen Geplänkel hier, ein bisschen Teiteitei dort. Aber wo war der angekündigte Tote? Selbst nach etwa einem Drittel des Krimis, war noch nichts passiert. Hm... das machte mich doch schon ganz schön stutzig. Hatte der Verlag etwa eine Reihe übersetzt, die irgendwie so gar nicht läuft? Oder kam die entscheidende Spannung etwa noch.


    Aber eines war klar.... ich wollte unbedingt weiterlesen, wenngleich auch nicht mit dem Tempo, mit dem ich für gewöhnlich Krimis lesen. Hier war es komplett anders. Man konnte getrost das Buch zur Seite legen und erst eine Woche weiterlesen.



    Dann endlich war es soweit. Die Leiche wurde gefunden. Aber wer nun Spannung erwartet wird etwas enttäuscht zurück bleiben.


    Die Ermittlungen laufen nun im gleichen Tempo weiter. Auch hier kann man getrost ein oder zwei Teepausen dazwischen einlegen, die Wäsche machen, etc..... man verpasst nichts.



    Die Protagonisten, speziell Daisy wurden sehr gut ausgearbeitet, zeigen den typisch britischen Charme und wirken doch sehr reserviert. Man wird irgendwie nicht so richtig warm mit ihnen. Bis auf Daisy und Alex, hier geht es irgendwie ein bisschen tiefer. Also nicht das man sagen könnte, die beiden wären der Kracher. Nein, sie sind auch eher reserviert, aber doch etwas gefühlvoller.



    Die Story ansich war nicht schlecht, aber auch etwas hervorsehbar und an manchen Stellen dich recht konfus. Zu viele Personen, zu viele Handlungstränge, kein roter Faden.



    Abschließend noch kurz zum Cover und Klappentext:


    Ich liebe diese auf alt gemachten Cover. Sie verbreiten so einen ganz besonderen Flair. Der Charme der vergangenen Zeit, aufpoliert mit etwas modernen. Für mich - sehr ansprechend. Der Klappentext ist sehr aufschlussreich und verspricht Spannung.



    Fazit:



    So wie der Klappentext Spannung versprach, so enttäuscht war ich dann auch. Es gab keine nennenswerten Höhen oder Tiefen. Auch der Spannungsbogen war so fein, dass man ihn wohl eher mit der Lupe hätte suchen müssen.



    Dennoch versprühte die Geschichte einen ganz eigenen Charme. Der Charme der zwanziger Jahre, im verknöcherten England. Stocksteife Charaktere, Intrigen und natürlich Teatime.



    Wer auf solche Krimis steht, wird hier voll und ganz auf seine Kosten kommen.

  • Daisy Dalrymple stammt aus einer adeligen Familie und arbeitet als Journalistin für "Town & Country" - anno 1923 ziemlich ungewöhnlich für eine junge Dame aus ihren Kreisen. Als sie für ihre Zeitschrift einen Artikel über den Landsitz Wentwater Court verfassen soll, nutzt sie ihre Verbindungen zum Landadel, um ein paar Tage in dem alten Gemäuer zu wohnen und aus erster Hand über Architektur und Geschichte schreiben zu können. Vor Ort trifft sie auf ein paar alte Bekannte und stellt fest, dass die Kinder des Lords größtenteils nicht sehr begeistert von ihrer jungen Stiefmutter Annabel sind. Die wiederum kann sich der Avancen eines etwas schmierigen Typen nicht erwehren, der gerade auch als Hausgast in Wentwater weilt.


    Just dieser Stephen Astwick wird am nächsten Morgen tot im Eislaufteich gefunden. Dem Augenschein nach ist er beim Frühsport ins Eis eingebrochen, aber Daisy - die dank ihrer journalistischen Ausrüstung und aus Personalmangelgründen vom ermittelnden Polizeibeamten Alec Fletcher kurzerhand als Foto- und Stenografin engagiert wird - ist die erste, der verräterische Spuren an der Unglücksstelle ins Auge fallen. Gemocht hat Astwick offensichtlich niemand, aber wer könnte so weit gegangen sein, ihn kaltblütig wegzuräumen?


    Der erste Band der inzwischen ziemlich umfangreichen Reihe um Miss Daisy ist ein gemütlicher Upper-Class-Whodunit nach bewährtem Strickmuster, mit einer pfiffigen jungen Frau in der Hauptrolle, die einen außergewöhnlichen Weg eingeschlagen hat und nicht wie ihre Zeitgenossinnen hauptsächlich darauf aus ist, eine gute Partie zu machen. Man fühlt sich fast ein bisschen in die Welt von "Downton Abbey" versetzt und kann sich die Örtlichkeiten und die Figuren wie in einem prächtigen Kostümdrama gut vorstellen.


    Ein bisschen unrealistisch fand ich, dass Fletcher Daisy sofort so viel Vertrauen entgegenbringt, dass sie seine Vernehmungen der Bewohner und Gäste von Wentwater Court mitstenografieren darf - strenggenommen gehört sie ja selbst zum Kreis der Verdächtigen oder zumindest potentiellen Zeugen. Allerdings ist dieser Schachzug ein prima Wegbereiter für die Liebesgeschichte, die sich hier höchstwahrscheinlich anzubahnen beginnt.


    Der Kriminalfall plätscherte erst ganz gemütlich dahin, kam dann aber mit ein paar Überraschungen um die Ecke und hat mich insgesamt nett unterhalten. Die Übersetzung überzeugt nicht immer, man kann aber den Wortwitz des Originals erahnen und ich habe mir den 2. Band auf englisch auf die Wunschliste gesetzt und bin gespannt, ob ich recht habe und sich das Original um einiges spritziger liest.