Colson Whitehead - Underground Railroad

  • Ich habe das Buch vor zwei Wochen neben drei anderen historischen Romanen empfohlen bekommen. Am Ende war dies das erste, was ich gelesen hab.


    Für mich ist dies das erste Buch von dem Autor. Der Schreib- und Erzählstil war evtl. auch daher etwas gewöhnungsbedürftig für mich. Der Text ließ sich zwar gut lesen, aber der Aufbau der Geschichte hat mich zunächst verwirrt. Ich brauchte etwas, um zu verstehen, dass bestimmte Hintergründe von Geschehnissen und Personen im Nachhinein (ohne Vorwarnung) nochmal detailierter ausgeführt werden.


    So erfährt man z. B. zunächst nur kurz, dass ein Fluchtversuch geglückt ist und liest von Cora, der Protagonistin, wie sie momentan lebt und sich mit der Situation abgefunden hat. Etwas später wird dann nochmal ausführlicher erläutert, wie die Flucht abgelaufen ist , wie sich die Beziehungen entwickelt haben etc.


    Zum Teil wird sowas einfach "nur" mit einem neuen Absatz initiert. Manchmal wird sowas aber im späteren Verlauf auch als eigenes Kapitel behandelt. Die Kapitel gliedern sich nämlich in Ortsangaben und Namen von Charakteren.


    Insgesamt fand ich den Schreibstil ... sehr nüchtern. Es liest sich eher wie ein Bericht, als ein Roman. Man erhält viele Informationen, viele Namen, viele Orte, die im Großen und Ganzen meist nur kurz beleuchtet werden. Emotionen werden nur wenig bis gar nicht erzeugt.


    Viele der Charaktere (die man zum Teil in sehr kurzer Zeit kennenlernt) spielen dabei nur kurz eine Rolle. Das macht es hier und da schwierig einen Überblick zu behalten. Wobei dies im Rahmen der Flucht von Cora verständlich ist, wenn man bedenkt, dass es ein Buch von knapp 350 Seiten ist und die Zeit an ca. 5 - 6 unterschiedlichen Orten verbracht wird. Wobei abgesehen davon auch in den Kapiteln, die von der Vergangenheit berichten, neue Charaktere vorgestellt werden. Ich persönlich finde, dass Geschichten mit vielen Charakteren entsprechend Zeit benötigen, um sich zu entfalten und auch auf mich als Leser richtig zu wirken. Ich glaube auch, dass das mit ein Grund war, dass zumindest ich kaum Bezug zu den Charakteren herstellen konnte. Zu kurz die Zeit und zu schnell wurden diese im Regelfall unwichtig. Klar, der Fokus lag auf Cora und ihrer Flucht. Aber selbst bei ihr fehlte mir die Zeit für das richtige Einfühlen.

    Die Underground Railroad bzw. in diesem Buch eben die Untergrund-Eisenbahn spielt eine Nebenrolle und ist hier eher Mittel zum Zweck. Das Zurücklegen der Strecken ist damit kurz erläutert, man brauch bei dieser Fantasie nicht groß weiter drauf einzugehen, wie das Netzwerk in Wirklichkeit funktioniert hat.


    Da der Autor diesen Anspruch aber auch gar nicht erhebt, kann man das an und für sich nicht bemängeln. Schade finde ich das bei dem gewählten Titel aber dennoch.


    Der Fokus liegt in diesem Buch darauf, wie das Leben auf den Plantagen, für die Sklaven war. Ebenso handelt es von den Schwierigkeiten und den allgemeinen Gefahren, die Fluchtversuche für alle (helfenden) Beteiligten mit sich brachten. Brutalitäten und Grausamkeiten gehörten zur Tagesordnung. Angst war ein ständiger Begleiter. Spannend ist auch, wie unterschiedlich die Rassengesetze in den einzelnen Staaten waren.


    Mein Fazit:
    Wenn man nicht mit den Anspruch an das Buch herangeht realitätsnahe Informationen zur Underground Railroad zu erhalten, bietet das Buch einen guten ersten Einblick über die Zeit der Sklaverei in Amerika. Spätestens beim Lesen, wenn man nicht eh schon im Thema steckt, verleitet es dazu sich über die wahren Hintergründe der Underground Railroad und die Umstände zu der Zeit zu informieren.


    Der Schreib- und Erzählstil war nicht so ganz meins. Lesenswert ist das Buch aber dennoch.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Colson Whitehead - Underground railroad

    Coras Weg

    Dieses Buch ist ein dunkler und düsterer Roman über die Sklavin Cora aus den Südstaaten der USA. Es wird über ihre Flucht aus dem grausamen Schicksal der Sklaverei berichtet, dass aber in einer dunklen, fast hoffnungslosen Art, was ich dem Thema gegenüber schon sehr entsprechend fand. Aber der Autor hält sich bei seinem Roman nicht immer an den historischen Tatbestand, er flicht in seine Geschichte noch einige phantastische Elemente ein, was den Reiz der Geschichte aber noch deutlich erhöht. So ist zum Beispiel die Underground railroad bei ihm eine wirkliche Eisenbahn, was ich vom Erzählerischen echt gelungen empfand. Das ermöglicht wiederum die Reise der Cora wie in Stationen zu beschreiben, sozusagen von Bahnhof zu Bahnhof. Am Anfang des Buches wird erstmal die Ankunft der Großmutter der Cora in Amerika erzählt, in einem Kapitel mit ihrem Namen als Überschrift. Danach folgt die Schilderung der Umstände der Sklaverei, der Leser erfährt in kleinen Auszügen, was es denn heißen könnte unfrei zu sein, jemandem vollkommen zu willen sein zu müssen, ohne irgendetwas dagegen tun zu können und auch niemanden zu haben, der einem helfen könnte. Das wird erzählt über die folgende Generation, das heißt über die Mutter von Cora, Mabel und dann später über Cora selbst. Was mir an diesem Teil besonders gefallen hat, das der Autor nicht bei dem allseits beliebten Schwarz=Gut und Weiß=Böse bleibt, es werden auch die Konflikte innerhalb der Sklaven gezeigt. Und das ganze Kapitel wird mit der Überschrift des Bundesstaates versehen, in dem es spielt. Ein Vorgehen das sich wiederholt, erst ein Kapitel mit einem Namen als Überschrift, dahinter die Geschichte der betreffenden Person, welche zeitlich nicht unbedingt an den Erzählstrang anknüpft, dann wieder ein Bundesstaat als Titel und die Geschichte wird da fortgeführt. Cora entschließt sich schließlich durch gewisse Veränderungen in der Plantagenstruktur zur Flucht, und die Stationen kommen zum Tragen. Die erste Station ist ein Städtchen in South Carolina, erstmal eine Idylle, Weiße und Schwarze leben ohne Probleme zusammen, später kommen dann medizinische Experimente ans Tageslicht. Die nächste Station ist ein Städtchen in North Carolina, hier lebt sie in einem Dachboden eingesperrt, versteckt, weil hier eine ausufernde Entwicklung zwischen Schwarz und Weiß passierte, in Massaker an der schwarzen Bevölkerung mündend, die weiße Bevölkerung sich gegenseitig bespitzelt, wegen eventuellem Verstecken von Schwarzen, jeden Freitag gibt es Volksfeste mit anschließendem Töten von Schwarzen. Die ehemalige Rolle der Schwarzen wird von ärmeren weißen Bevölkerungsschichten (Iren) übernommen. Beide Situationen in den Stationen empfand ich als Allegorien, beides kann man auch in späteren (oder wahlweise auch in früheren) Zeiten in der Geschichte der Menschheit wiederfinden. Und es geht auch so weiter. Auch in den weiteren Orten kann man andere Dinge erkennen. Die Gedanken schweifen immer wieder ab, man kann nur sagen toll gemacht Herr Whitehead !! Sehr beeindruckt hat mich auch, wie es im Buche heißt, das die weiße Rasse sich zum Herren erklärt über Schwarze und Indianer, und ausrotten muss, was sich nicht anpasst. Auch das empfinde ich als sehr allegorisch, man sollte sich nur mal überlegen, was auf dieser Welt passiert wäre, wenn Europa nicht angefangen hätte, die Welt zu entdecken und zu kolonisieren. Oder noch besser, die kulturelle Entwicklung in Griechenland/Rom wäre so nicht passiert, und Europa wäre über Kreta beeinflusst worden. Fragen über Fragen ... Etwas schade fand ich das Coras Reise in diesem Buch zu keinem Ende kommt, aber etwas positiveres passt wahrscheinlich auch nicht so recht zum Thema.


    Was für ein wundervolles Buch !! Unbedingt Lesen !

  • Gerade gesehen, dass eine Verfilmung als zehnteilige TV-Serie gemacht und fertig geworden ist. Seit Kurzem verfügbar... Siehe auch:

    https://www.dw.com/de/undergro…2&lid=1831932&pm_ln=91788

  • Was mich an diesem Buch mit am meisten verstört, ist das Wissen, dass diese Zeit, die mir so unglaublich rückständig und unverständlich erscheint, noch gar nicht so lange her ist, obwohl es mir vorkommt, als müssten zwischen damals und heute doch viele Jahrhunderte liegen, da mir die Weltsicht von damals so ungeheuer absurd erscheint...

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Was mich an diesem Buch mit am meisten verstört, ist das Wissen, dass diese Zeit, die mir so unglaublich rückständig und unverständlich erscheint,

    Das geht mir genauso, wenn ich über die Thematik lese.

  • Wissen, dass diese Zeit, die mir so unglaublich rückständig und unverständlich erscheint, noch gar nicht so lange her ist, obwohl es mir vorkommt, als müssten zwischen damals und heute doch viele Jahrhunderte liegen, da mir die Weltsicht von damals so ungeheuer absurd erscheint...

    Wer sagt, dass diese Weltsicht in der Vergangenheit liegt? Mir begegnet sie immer mal wieder in den sozialen Medien.