Laura McVeigh - Als die Träume in den Himmel stiegen / Under the Almond Tree

  • Inhalt: (Verlagsseite)
    Der große Roman über die Flucht eines Mädchens aus Afghanistan


    »Es gibt Reisen, die wir niemals unternehmen wollten. Und dennoch treten wir sie an, weil es der einzige Weg ist, um zu überleben. Dies ist meine Reise.«


    Samar muss mit ihrer Familie aus dem gelben Haus mit dem Mandelbaum in Kabul flüchten. Mit ihren Eltern und Geschwistern kommt sie in ein Dorf im Hindukusch. Doch auch dort bricht der Schrecken ein, der für Samar jetzt plötzlich ein Gesicht bekommt: Die Taliban überfallen das Dorf. Samars Familie bleibt nur ein Ausweg: über die Grenzen hinaus zu fliehen, das Land zu verlassen.
    Wird Samar jemals in der Freiheit ankommen?

    Die Autorin: (Verlagsseite)
    2016 nahm Laura McVeigh an einem Wettbewerb einer englischen Verlagsagentur teil, bei dem Autoren ihre Romane in 140 Zeichen twittern konnten. Sie gewann und fand sofort einen Verlag. »Als die Träume in den Himmel stiegen« ist ihr Debüt, der Roman erscheint in zahlreichen Ländern.
    Nach einem Sprachstudium in Cambridge war die Autorin Direktorin des »Global Girls Funds«, der sich für Gleichberechtigung und Bildungschancen für Mädchen weltweit einsetzt. Unter anderem reiste sie dabei auch nach Afghanistan. Später wurde sie Vorsitzende des Internationalen PEN-Clubs. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in London und auf Mallorca. Zur Zeit schreibt sie an ihrem zweiten Roman.


    Aufbau:
    6 Teile
    36 Kapitel
    Anmerkung der Autorin
    Danksagung


    Meinung:
    Von Anfang an war mir klar, dass "Als die Träume in den Himmel stiegen" keine leichte Lektüre werden würde. Aus dem Klappentext geht hervor, dass es die Geschichte eines jungen Mädchens ist, das sich mit seiner Familie auf der Flucht befindet, was ich mir als hart und beschwerlich vorstellte, ganz zu schweigen davon, dass ich Schilderungen der Zustände erwartete, die die Familie zu der Entscheidung getrieben haben, ihre Heimat zu verlassen. Allein schon die Bedrohung durch die Taliban, die oft mit Gewalt in Verbindung steht, versprach eine beklemmende Erzählung. Und ich hatte mich nicht geirrt - Laura McVeigh erzählt in diesem Buch eine fesselnde, tragische Geschichte, die mich mehrfach zu Tränen gerührt und zutiefst erschüttert hat. Sie entwickelt sich in eine ganz andere Richtung, als ich erwartet hatte, und der Autorin gelingt es meisterhaft, die Handlung so wendungsreich zu gestalten, dass ich nie wusste, wie es weitergehen würde. Zugleich konfrontiert sie den Leser aber schonungslos mit den schlechten Bedingungen für Flüchtlinge und dem Leid und Elend, das die Figuren durchleben müssen.


    Gerade mit Samar, der Protagonistin, habe ich mitgefiebert und -gelitten. In ihrem kurzen Leben hat sich schon unglaublich schreckliche Dinge erlebt, die ich mir nicht vorstellen kann oder will, doch sie hat nie aufgegeben und immer weitergemacht. Sie ist sehr tapfer und obwohl deutlich wird, wie sehr sie von den Vorkommnissen mitgenommen ist, zeigt sich im Laufe der Geschichte, dass sie eine echte Kämpferin ist. Ihre Reise, und auch die ihrer Familie, haben mich sehr bewegt. Mir hat auch gefallen, wie realistisch die Schilderungen sind; Samar bekommt viel nicht mit, hat als Kind eine teils eingeschränkte Sicht der Dinge, doch die Schrecken ihrer Situation werden immer beleuchtet und die Autorin zeigt auch, welche Auswirkungen solche Erlebnisse auf die Psyche haben können, was definitiv positiv erwähnt werden muss.


    Die Charaktere sind alle gut ausgearbeitet und wie bereits erwähnt ist die Handlung, nicht zuletzt durch die teils sehr überraschenden Wendungen, fesselnd und zudem erschütternd. Außerdem hat mir gefallen, dass man einen Einblick in die Anfänge der Taliban, den Krieg, die Flüchtlingssituation und die afghanische Geschichte im allgemeinen bekommen hat; die fiktive Handlung ist sehr gut in den realen historischen Kontext eingebettet.


    Mir haben nicht alle Entwicklungen zugesagt und obwohl ich verstehe, wieso die Autorin das Ende ausgewählt hat, hätte ich gerne noch ein paar Fragen beantwortet bekommen, doch davon abgesehen fand ich "Als die Träume in den Himmel stiegen" sehr gut. Das Buch hat mich emotional stark angesprochen, ich konnte mit den Charakteren mitleiden und die Lektüre war interessant.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Carpe Diem.
    :study: Yrsa Sigurðardóttir - Gespenstisches Island

    2024 gelesen: 13 Bücher | gehört: 4 Bücher

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    Es gibt Bücher, die tun manchmal unglaublich weh – sie zerreißen das Leserherz gnadenlos in winzig kleine Stücke. immer wieder, und man ertrinkt fast im Leid der Protagonisten. Und trotzdem klappt man das Buch nicht zu, schmeißt es nicht weg, weil man zum einen das letzte bisschen Hoffnung nicht verliert, und die Geschichte zum anderen einen Klang der Wahrheit hat, dem man sich einfach nicht entziehen kann. Es gibt Bücher, die erzählen Geschichten, die gehört werden müssen, weil sie (so oder so ähnlich) Tag für Tag von Menschen in der Realität gelebt werden. Auch wenn es Samar nicht gibt – irgendwo lebt ein kleines Mädchen, dessen Familie auch aus Kabul flüchten musste, die das Schreckensregime der Taliban am eigenen Leib erlebt hat.


    Wenn das jetzt klingt, als würde ich das Buch nicht empfehlen, dann täuscht das, denn ich bereue kein bisschen, beim Lesen auch mal bittere Tränen vergossen zu haben. Ich konnte mich der Geschichte dieser Familie auf der Flucht von der ersten Seite an nicht entziehen und empfinde es als Bereicherung, sie gelesen zu haben. "Als die Träume in den Himmel stiegen" wird oft mit "Drachenläufer" von Khaled Hosseini verglichen, und tatsächlich war es für mich ein sehr ähnliches Leseerlebnis: eine emotionale Herausforderung, die sich in meinen Augen jedoch lohnt.


    Man liest so viel über die Taliban in den Nachrichten. Auch über Flüchtlinge wird viel gesprochen, aber wie ihre alltägliche Lebensrealität sich anfühlt, dass kann man höchstens erahnen. Laura McVeigh öffnet dem Leser ein Fenster in diese Realität, die vieles vereint: fesselnd, aber verstörend, unterhaltsam und bewegend.


    Wie sie die Geschichte dieser Familie erzählt, das ist brilliant. Ich kann hier leider noch nicht viel verraten, denn man muss sich von manchen Dingen überraschen lassen, damit sie die volle Wirkung entfalten können! Die ein oder andere unerwartete Wendung kommt einem vor, als wäre die Realität gerade aus den Gleisen gesprungen... Aber alles macht Sinn, im Rückblick begreift man erst, wie alles zusammenpasst. Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen, und meine Mitleser waren ehrlich gesagt geteilter Meinung darüber, ob sie diese Wendungen als das große Highlight des Buches empfanden oder eher als etwas, das die Wirkung des Buches schmälert.


    Aber meiner Meinung nach lohnt sich das Risiko, es selber auszuprobieren. Wenn man auch sonst nichts mitnimmt: man lernt viel und bekommt einen sehr authentischen Einblick in Dinge, die man sonst nur von außen und von ferne sieht.


    Die Charaktere werden sehr lebensecht und glaubhaft geschildert. Trotz der ungewohnten Namen konnte ich sie schnell auseinander halten und mit ihnen mitfühlen! Besonders Samar, die uns diese Geschichte erzählt, habe ich sehr ins Herz geschlossen. Die Autorin zeigt am Beispiel ihrer Familie und der Menschen, denen sie auf ihrer Flucht begegnen, sehr gut, wie unterschiedlich verschiedene Menschen mit so einer beängstigenden Situation umgehen – sie zeigt Hass und Gewalt, aber auch Liebe und selbstlose Hilfsbereitschaft. Samar selber ist eine beeindruckend starke Persönlichkeit; sie erlebt schreckliche Dinge, aber sie steht immer wieder auf und macht weiter, gibt die Hoffnung auf ein besseres Leben nicht auf, so unwahrscheinlich es auch sein mag.


    Der Schreibstil hat mich voll und ganz überzeugt. Samar hat eine unvergleichliche Art, sich auszudrücken, und ihre Geschichte klingt wirklich so, als habe sie ein junges Mädchen mit einer blühenden Fantasie und einem Gespür für die Macht der Worte geschrieben.


    Würde ich noch einmal ein Buch der Autorin lesen? Unbedingt, aber jetzt brauche ich erstmal eine Pause, um "Als die Träume in den Himmel stiegen" sacken zu lassen und noch eine Weile darüber nachzudenken.


    Fazit:
    Samar und ihre Familie müssen aus Kabul flüchten und stellen schnell fest, dass auch das abgelegene Bergdorf, in das sie sich zurückgezogen haben, nicht sicher ist vor dem langen Arm der Taliban. Und so geht die Flucht weiter und weiter und weiter... Über ein kleiner Bergdorf und ein überfülltes Flüchtlingslager führt die Reise bis in einen Waggon der Transsibirischen Eisenbahn. Am Anfang der Geschichte ist Samar erst 6 Jahre alt, und die letzten Worte schreibt sie im Alter von 15 Jahren nieder. Ob sie zu diesem Zeitpunkt in der Freiheit angekommen ist, lasse ich hier lieber noch offen!


    Das Buch ist für mich eine absolute Leseempfehlung – aber nur mit gebührenden Warnhinweisen. Die Geschichte geht an die Nieren, dreht einen oft regelrecht durch die Mangel... Manchmal ist sie nur schwer zu ertragen, denn Samars Geschichte ist meist bitter, selten süß.