Daniel Höra - Das Schicksal der Sterne

  • Klappentext
    Adib und Karl. Der eine ein junger Flüchtling aus Afghanistan, der andere ein alter Mann, der in seiner Jugend aus seiner schlesischen Heimat vertrieben wurde. Beide sind geprägt von den Erlebnissen ihrer Flucht und beide haben Verlust, Angst und Verfolgung kennengelernt. Und trotzdem hat keiner von beiden aufgegeben. In Berlin kreuzen sich die Wege von Adib und Karl. Die Geschichte einer besonderen Freundschaft zwischen zwei Menschen, die ein gemeinsames Schicksal teilen, beginnt ...
    (Quelle: Verlag)


    Meinung
    Schon nach dem Lesen des Klappentextes war mir klar, dass "Das Schicksal der Sterne" bestimmt kein einfaches Buch werden würde. Und ich hatte Recht. Die Geschichte von Adib und Karl hat mich sehr berührt, von vorne bis hinten, denn es ist nicht nur die Vergangenheit, die die beiden Charaktere quält, sondern auch die Gegenwart.


    Insgesamt hat mir der Aufbau der Geschichte sehr gut gefallen. Grundsätzlich wird der Plot nämlich in der Gegenwart erzählt; abwechselnd pro Kapitel von Karls Leben und von Adibs Leben. Wie sie leben, wo sie leben, wie die beiden sich kennenlernen und was der Grund für ihre Freundschaft ist. Dieses alltägliche Leben wird immer wieder gespickt mit Rückblicke in die Vergangenheit und machen dadurch mehr als deutlich, dass sich zwar Karls momentanes Leben sehr von Adibs unterscheidet, ihre Gemeinsamkeit aber in den Erfahrungen ihrer Flucht liegen, was mich sofort gepackt hat. Denn nicht nur Adib musste einiges auf sich nehmen, um von Afghanistan nach Deutschland zu kommen. Auch Karl hatte zu kämpfen und schwere Entscheidungen zu treffen.


    Karls Schilderungen des Kriegsendes, die damit verbundenen Plünderungen, Hunger und Flucht aus der eigenen Stadt, schutzsuchend vor den Russen, war sehr realistisch dargestellt und haben mich sehr berührt. Nicht nur, dass der damalige 15-jährige Karl so vieles gesehen hat und so viel Angst hatte, sondern sich auch als einziger Mann in der Familie um seine Schwester und seine Mutter kümmern musste, ohne zu wissen, wie es weitergeht, ob sie überleben würden und ob sie überhaupt jemand in Berlin aufnehmen würde. Die Erzählungen über den ständigen Kampf um Lebensmittel, die Rivalität bei jedem Gegenstand, selbst bei Freunden, die Ungewissheit und die sehr schlimmen Zustände in Berlin, in ganz Deutschland, hat Karl gut mit der Gegenwart verflochten – ebenso wie Adib seine Vergangenheit, seine Flucht, seinen Überlebenskampf mit seinen alltäglichen Geschehnissen. Nicht nur, dass sein Vater gestorben ist und dass er von jetzt auf gleich seine Heimat Afghanistan verlassen musste, sondern sich auf fremde Schlepper einlassen, ihnen Geld geben und hoffen musste, dass sie ihm und seiner Familie ein neues Leben schenken können. Adib erklärt sehr gut, dass er kämpfen musste, dass er Angst hatte, dass es wirklich ein Überlebenskampf war, mit viel Angst, Trauer, aber auch Hoffnung.


    Aber es geht in "Das Schicksal der Sterne" weit mehr als nur um die Flucht aus der Heimat in ein fremdes Land. Es geht auch um Fremdenhass, um Rassismus und um Vorverurteilung. An einigen Stellen sind gerade diese Motive sehr überspitzt dargestellt und doch geben sie gut wieder, dass mit der Ankunft im neuen Land längst nicht alles ausgestanden und abgeschlossen ist. Dass es auch dort weiterzukämpfen gilt. Sei es der Asylantrag, die Möglichkeit zu arbeiten oder Freunde zu finden, vollends die Sprache zu lernen, anzukommen und sich letztlich voll und ganz zu integrieren.


    Das alles war sehr berührend, zeitlos und realistisch, vor allem dass es beide Charaktere geschafft haben, mit ihrer ganz eigenen, sehr unterschiedlichen Geschichte, trotz ihrer kulturellen Differenzen, ihrer Sprachprobleme, eine Verbindung zueinander aufzubauen. Und letztlich auch zu zeigen, dass es heutzutage Flüchtlinge gibt, denen nichts anderes übrig blieb, als ihr Land zu verlassen um in einem anderen neu anzufangen. Dass auch sie ihre Probleme im neuen Land haben, dass sie sich integrieren möchten, Arbeit finden möchten und dankbar für jede Chance sind. Es sind nicht nur Terroristen, die nach Europa kommen – es sind auch sehr viele Menschen, die einfach nur ein Zuhause suchen, weil sie das in ihrem eigenen Land nicht mehr hatten.


    Den Schreibstil von Daniel Höra fand ich sehr einnehmend. Die Geschichte an sich ist zwar nicht sehr dynamisch geschildert, hat mich aber doch dank der realistischen Schilderungen fesseln können. Die Sprache ist nicht ganz so leicht und flüssig, wie ich es von einem Jugendbuch erwartet hätte, aber doch sehr angenehm und bringt die wichtigen Themen in diesem Buch spielend auf den Punkt. Auch das Cover finde ich schön umgesetzt, denn die zwei wichtigsten Motive in diesem Buch werden sofort sichtbar: Krieg und Flucht, sowie die Sterne, die ja sowohl für Karl, als auch für Adib eine große Rolle spielen. Die Umsetzung finde ich also auf jeden Fall gelungen.


    Fazit
    Mir hat das Buch "Das Schicksal der Sterne" sehr gut gefallen, auch wenn es mich ein wenig hilflos zurückgelassen hat. Die Schilderungen der Vergangenheit und der Gegenwart sind schonungslos ehrlich und geben meiner Meinung nach ein gutes Bild der damaligen, aber auch der heutigen Um- und Zustände. Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen, vor allem, denjenigen, die Probleme haben, zu verstehen, wie sich Flüchtlinge fühlen und welches Leiden sie auf sich genommen haben, in der Hoffnung, irgendwie und irgendwo aufgenommen zu werden und ein neues Leben beginnen zu können.
    Daher: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Das, was mir am meisten leidtut, ist, dass ich erst sterben musste, um zu verstehen, wie wunderbar das Leben sein kann."
    :study: Anne Freytag | Mein bester letzter Sommer | Seite 182

  • "Das Schicksal der Sterne" erzählt die erschütternde, berührende Geschichte von Adib und Karl, zwei Flüchtlingen. Der eine ist gerade erst in Deutschland angekommen und muss immer noch gegen die Abschiebung kämpfen, der andere kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Berlin. Der Autor schildert die Erlebnisse der beiden sehr eindringlich und schonungslos, beschreibt die Todesangst und die nackte Panik, das elende Hungergefühl und die Ungewissheit, ob man je in Sicherheit sein und ob die Flucht irgendwann enden wird. Die Erfahrungen der Protagonisten ähneln sich dabei trotz der unterschiedlichen Umstände sehr und es ist bewundernswert, dass sie trotz all der Schrecken nie aufgegeben und immer weiter gekämpft haben. Es gab mehrere Szenen, bei denen ich einen Kloß im Hals hatte und die schockierend waren. Allerdings muss ich sagen, dass mir das Buch insgesamt zu distanziert geschrieben war und es auch traurige Momente gab, die mich nicht richtig berühren konnten, sodass die Geschichte mich nicht hundertprozentig gefesselt hat.


    Fremdenhass und Rassismus werden ebenfalls thematisiert und Höra macht deutlich, dass die sowieso schreckliche Situation der Flüchtlinge durch die Abneigung ihrer Mitmenschen nicht vereinfacht wird. Mir hat gefallen, dass dieses Thema angesprochen wurde und die Figuren auch erkennen, dass sie selbst nicht frei von vorgefertigten Meinungen sind, da dies für mich sehr glaubwürdig war. Trotz all der negativen Erfahrungen, die die Figuren machen, ist das Buch nicht deprimierend; zwar ist das Leben für sie auch in der Gegenwart nicht wirklich einfach und entspannt, doch unter anderem durch die Freundschaft zueinander gibt es schöne Erlebnisse. Obwohl Karl und Adib sehr unterschiedlich und in ganz anderen Lebensphasen sind, gibt es doch einiges, was sie verbindet und der Autor hat gut dargestellt, wie sie sich trotz der Probleme in der Kommunikation und den verschiedenen Umständen angefreundet haben.


    In "Das Schicksal der Sterne" ist es dem Autor gelungen, sowohl realitätsnah als auch einfühlsam über die Ereignisse auf der Flucht zu berichten und dabei zwei verschiedene Charaktere mit ihrem jeweiligen Umfeld auszuarbeiten und Berührungspunkte für sie zu finden. Die Geschichte hat mich nicht immer berührt, aber insgesamt hat sie mir gut gefallen und die Schilderungen des Schreckens, den die Protagonisten erlebt haben, waren auf jeden Fall eindringlich.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
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    Herzlichen Dank an den Verlag, der mir das Buch über Netgalley zur Verfügung gestellt hat.

    Carpe Diem.
    :study: Amelie Winter - Liebesglück und Landluft

    2024 gelesen: 21 Bücher | gehört: 5 Bücher