Zadie Smith - Swing Time

  • Zwei kleine Mädchen, die die Liebe zum Tanz und zur Musik verbindet, werden die besten Freundinnen. Doch obwohl sich ihre Leben in gegenläufige Richtungen entwickeln, kreuzen sich ihre Wege immer wieder.
    Berichtet wird die Geschichte der namenlosen Ich-Erzählerin, die von Beginn an in den Bann der dominanten, tanztalentierten Tracey gezogen wird. Zwar leben beide in einem eher ärmlichen Vorort Londons, doch ihr familiäres Umfeld unterscheidet sich deutlich. Während Tracey in einem sozial schwierigen Elternhaus groß wird (Mutter alleinerziehend, Vater kriminell, Bildung (außer Tanz) zweitrangig), entspricht die Familie der Ich-Erzählerin eher dem bildungsbürgerlichen Ideal. Insbesondere ihre Mutter, die aus Jamaica stammt, ist politisch interessiert und voller Wissensdurst und versucht diese Neigungen ihrer Tochter zu vermittlen, während ihr britischer Vater mehr für die emotionalen Belange zuständig ist.
    Tracey macht Tanzen zu ihrem Beruf, ihre Freundin geht auf's College. Durch einen Zufall wird sie die persönliche Assistentin einer weltberühmten Sängerin und jettet fortan mit dieser durch die Welt, sodass die Freundinnen sich aus den Augen verlieren.
    Tja, und mein Resümee? Ich tat mich schwer mit dieser Geschichte, die so nüchtern und sachlich erzählt wurde, als würde es sich um eine Dokumentation handeln. Nur war das Thema bei Weitem nicht so fesselnd wie man es von einer Solchen erwarten würde. Die Ich-Erzählerin ist ein eher farbloser Charakter, der sich sein Leben lang von Anderen sagen lässt, was zu tun ist: zuallererst die Mutter, dann Tracey und am Ende Aimee, die Sängerin. Auch die anderen Figuren hinterließen keinen großen Eindruck bei mir - vielleicht liegt es an der nüchternen Darstellungsweise, mit der sie beschrieben werden. Obwohl es in diesem Buch auch viel um Freundschaft geht, ist davon nur wenig zu spüren; Wärme und Nähe zu den ProtagonistInnen sind Mangelware.
    Es gibt viele wichtige Themen, die in diesem Buch angesprochen werden, keine Frage: Rassendiskriminierung, Kindesmissbrauch, Verhältnis Arm-Reich undundund. Doch gemeinhin geht es nur einen Schritt in diese Richtung, das Meiste wird nur angedeutet, nichts mutet wirklich so wichtig an, dass es eine intensivere Betrachtung wert wäre. Vielleicht liegt es an dem, was die Protagonistin gegen Ende sagt: "Ich will nur für mich selbst verantwortlich sein." Dieser Satz scheint das Motto zu sein, das das ganze Buch durchzieht. So liest man diese durchaus gut geschriebene Lebensbeschreibung, die einen mit kaum einer Gefühlsregung zurücklässt und kann nur hoffen, dass der offene Schluss zu einem besseren Weiterleben der Ich-Erzählerin führt.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Von Zadie Smith hatte ich bislang noch nichts gelesen, aber der Name ist mir schon ein Begriff und ich war gespannt. Swing Time stellte sich dann als ein für mich zeitweise etwas anstrengendes „Lesevergnügen“ heraus. Fesselnde Passagen wechselten mit detailverliebten, aber trotzdem verschwommenen Sequenzen, die mir einiges an Durchhaltevermögen abverlangt haben.


    Den Prolog mal ausgenommen, nimmt die Geschichte ihren Anfang, als sich die beiden Protagonistinnen, Tracey und die niemals namentlich genannte Ich-Erzählerin, zum ersten Mal begegnen – im Jahr 1982 zur Ballettstunde von Miss Isabel. Die Eloquenz, mit der die Autorin beim ersten Zusammentreffen die Erscheinungsbilder der beiden Mädchen beschreibt, dazu noch im jeweiligen mütterlichen Kontext, fand ich umwerfend und ließ mich ein, besonders sprachlich, fesselndes Lesevergnügen erwarten. Genau genommen war es das auch, doch dieser heiter-ironische Unterton, der sich durch die so authentisch wirkenden Jahre der Kindheit und Jugend zog, verblasste mit dem Heranwachsen der Mädchen.


    Schwierig wurde es für mich im mittleren Drittel. Während Tracey kleinere Erfolge als Tänzerin verbuchen kann, ergattert die Ich-Erzählerin einen „Traumjob“als Assistentin eines Mega-Stars, der sie mit Haut und Haaren auffrisst. Entfremdung tritt zwischen die ehemals so engen Freundinnen, und sie verlieren sich über längere Zeiträume hinweg aus den Augen. In dieser Phase des Buches hatte wirklich zu kämpfen. Blieb der Erzählfaden anfangs durchweg bei den Mädchen mit ihren kleinen und größeren Problemen, mündet er nun in einen kaleidoskopartigen Wechsel zwischen London, Afrika und New York, und das auch noch in verschiedenen Zeiten. Kaum hatte ich mich an einer Stelle halbwegs „eingelesen“, gab es einen Cut und mehr als einmal brauchte ich mehrere Sätze, bis mir klar war, an welchem Ort und in welcher Zeit es gerade weiter ging. Obwohl Aimee wahrscheinlich eine schillernde Figur sein soll, bleibt sie blass und schwammig, und die Passagen mit ihr - ähm, ja - langweilig.


    Die besondere Atmosphäre Afrikas, seiner Menschen mit ihren Stärken und Schwächen, und all der Hoffnungslosigkeit wird großartig eingefangen, aber im mittleren Teil hatte ich das Gefühl, damit regelrecht überflutet zu werden und nichts wirklich erfassen zu können. Erst im letzten Drittel wird die Geschichte für mich wieder griffiger, als das afrikanische Projekt Konturen annimmt, mir die Gegebenheiten dort und auch die Menschen mit ihren Eigenheiten und Problemen vertrauter werden. Es blitzt auch gelegentlich der alte Sarkasmus auf.


    „Swing Time“ ist ein vielschichtiges Buch, und könnte autobiografische Züge tragen, zumindest lassen die Fakten aus dem Leben der Autorin diesen Schluss zu. Die Sache mit dem Tanzen habe ich im weiteren Verlauf als nicht mehr so wichtig empfunden. „Schwarz sein“ schimmert immer wieder durch und hat seinen Stellenwert in der Geschichte, ohne im Vordergrund zu stehen, zumindest in meiner Wahrnehmung.


    Meine Lieblingsfigur ist die Mutter der „namenlosen Ich-Erzählerin“ gewesen, eine beeindruckende Frau, die ihre Tochter letztlich doch geprägt hat. Zu den beiden Mädchen bin ich durchweg auf Distanz geblieben, wie seinerzeit auch zu Lila und Elena. An diese beiden Protagonistinnen aus Ferrantes „Meine geniale Freundin“ und ihre eigenwillig ambivalente Beziehung habe ich mich immer wieder erinnert gefühlt.


    Zadie Smith ist eine sprachlich begnadete Autorin, die wirklich etwas zu sagen hat, aber für mich persönlich würde etwas mehr Struktur und weniger inhaltlicher Mix das Lesevergnügen erhöhen.
    Deshalb nur 3 von 5 Sternen

  • Danke für Eurer beider Eindrücke, die nicht einfach deckungsgleich sind, aber beide wertvoll! Von Zadie Smith will ich schon seit Langem mal was lesen, und ich zögere immer wieder.


    EIN Punkt ist mir allerdings doch aufgefallen, ohne dass ich mich darauf versteifen will:


    Die besondere Atmosphäre Afrikas, seiner Menschen mit ihren Stärken und Schwächen, und all der Hoffnungslosigkeit wird großartig eingefangen, aber im mittleren Teil hatte ich das Gefühl, damit regelrecht überflutet zu werden und nichts wirklich erfassen zu können. Erst im letzten Drittel wird die Geschichte für mich wieder griffiger, als das afrikanische Projekt Konturen annimmt, mir die Gegebenheiten dort und auch die Menschen mit ihren Eigenheiten und Problemen vertrauter werden. Es blitzt auch gelegentlich der alte Sarkasmus auf.

    In DIESER Formulierung finde ich die Aussage doch etwas heftig. Dass viele Europäer immer noch, und nur, bemitleidend auf das "arme" Afrika schauen, tut diesem Kontinent nicht immer Recht. So viele Zeichen auch der Hoffnung, so viel Leben, wie zB Kinder, zu denen ja bei uns keiner mehr Mut hat aus lauter Hoffnungslosigkeit...


    Ich kenne viele Afrikaner, die durch ihre unglaubliche Resilienz echte Zeichen sind, und sich durch Schweres hindurch ein Lachen bewahrt haben, das man bei uns nicht oft findet...Das macht mir echt Hoffnung.

  • Danke für Eurer beider Eindrücke, die nicht einfach deckungsgleich sind, aber beide wertvoll! Von Zadie Smith will ich schon seit Langem mal was lesen, und ich zögere immer wieder.


    EIN Punkt ist mir allerdings doch aufgefallen, ohne dass ich mich darauf versteifen will:


    In DIESER Formulierung finde ich die Aussage doch etwas heftig. Dass viele Europäer immer noch, und nur, bemitleidend auf das "arme" Afrika schauen, tut diesem Kontinent nicht immer Recht. So viele Zeichen auch der Hoffnung, so viel Leben, wie zB Kinder, zu denen ja bei uns keiner mehr Mut hat aus lauter Hoffnungslosigkeit...
    Ich kenne viele Afrikaner, die durch ihre unglaubliche Resilienz echte Zeichen sind, und sich durch Schweres hindurch ein Lachen bewahrt haben, das man bei uns nicht oft findet...Das macht mir echt Hoffnung.

    Da kennst du dich wahrscheinlich sehr viel besser aus als ich, @tom leo.
    Ich könnte jetzt sagen, dass meine Formulierung lediglich auf den Eindrücken basiert, die das Buch vermittelt, was zum Teil auch so stimmt.
    Aber ich muss auch zugeben, dass ich Afrika und die Zustände dort (so weit mir aus Nachrichten und Dokumentationen bekannt) mit Hoffnungslosigkeit verbinde. Ja, es ist nur ein Film, aber als ich seinerzeit "Der ewige Gärtner" im Kino gesehen habe, konnte ich nicht aufhören zu weinen - und ich hab eigentlich nicht nah am Wasser gebaut.
    Afrika und seine Menschen sind ganz sicher nicht nur bemitleidenswert, allein um ihre Lebensfreude, die immer wieder zu spüren ist, sind sie zu beneiden. Doch das von Ausbeutung, Kriegen etc. verursachte Leid bringt macht es schwer, hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Warum verlassen die jungen Männer das Land? Auch das wird thematisiert in dem Buch.


    Und Kinder gibt es bei uns auch wieder - nach allem, was ich sehe und über steigende Schülerzahlen lese :) .

  • In DIESER Formulierung finde ich die Aussage doch etwas heftig. Dass viele Europäer immer noch, und nur, bemitleidend auf das "arme" Afrika schauen, tut diesem Kontinent nicht immer Recht. So viele Zeichen auch der Hoffnung, so viel Leben, wie zB Kinder, zu denen ja bei uns keiner mehr Mut hat aus lauter Hoffnungslosigkeit...
    Ich kenne viele Afrikaner, die durch ihre unglaubliche Resilienz echte Zeichen sind, und sich durch Schweres hindurch ein Lachen bewahrt haben, das man bei uns nicht oft findet...Das macht mir echt Hoffnung.

    Ich habe die Abschnitte über Afrika anders als @Smoke empfunden, bei Weitem nicht so hoffnungslos. Für die Erzählerin wirkt es auf jeden so, wenn sie es vergleicht mit ihrer Lebenswirklichkeit in der westlichen Welt. Andererseits erkennt sie, wie wenig es braucht, um ein glückliches Leben zu führen. Mir schien es, als empfinde sie die Menschen dort als viel lebendiger, authentischer. Wenn diese Probleme haben, sind es eben echte Probleme, nicht die Luxuskinkerlitzchen ihrer Arbeitgeberin und deren Umfeld. Die Tragik des Dorfes ist aber zudem noch eine völlig andere: Da die Regierung glaubt, dass die berühmte Frau aus dem Westen Alles bezahlt, zieht sich die Regierung mehr und mehr aus der Versorgung dieses Dorfes zurück und so geht es ihm zusehends schlechter als der umliegenden Gegend. So wirkt dort natürlich Vieles deutlich schlimmer als in anderen Dörfern.



    Von Zadie Smith will ich schon seit Langem mal was lesen, und ich zögere immer wieder.

    Für mich war es das erste Buch dieser Autorin und es hat mich nicht so begeistert. Anderen Rezensentinnen (die bereits andere Bücher von ihr kennen) geht es wohl ähnlich, denn ich habe ein- oder zweimal gelesen, dass es nicht das beste Buch von ihr sei. Vielleicht ist es deshalb besser, Du nimmst Dir ein älteres Werk von ihr vor.

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  • Andererseits erkennt sie, wie wenig es braucht, um ein glückliches Leben zu führen. Mir schien es, als empfinde sie die Menschen dort als viel lebendiger, authentischer.

    Da gebe ich dir recht, @Xirxe, das habe ich auch so herausgelesen. Sie hat sich dort zunehmend wohler gefühlt als in dieser "Kunstwelt". Doch was ist zum Beispiel mit den Weg, den Hawa beschreitet? Sie gibt sich nach außen hin davon überzeugt, aber ist sie das wirklich? Auch das fand ich ziemlich beängstigend, die Erzählerin ebenfalls, glaube ich.

  • Da gebe ich dir recht, @Xirxe, das habe ich auch so herausgelesen. Sie hat sich dort zunehmend wohler gefühlt als in dieser "Kunstwelt". Doch was ist zum Beispiel mit den Weg, den Hawa beschreitet? Sie gibt sich nach außen hin davon überzeugt, aber ist sie das wirklich? Auch das fand ich ziemlich beängstigend, die Erzählerin ebenfalls, glaube ich.

    Das sehe ich auch so. Aber Hawa ging immerhin aus freien Stücken, es war ihre Entscheidung, die sie aus Liebe getroffen hat. Während die namenlose Ich-Erzählerin stets mehr oder weniger zufällig irgendwo landet und noch nie eine richtig grundsätzliche Entscheidung treffen musste was ihr Leben angeht. Eventuell soll sie ja für einen Typ Mensch stehen, den es heute vielleicht öfter gibt: orientierungslos, ohne Verantwortungsbewusstsein.

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  • Schwarz und Weiß


    Der Roman "Swing Time" von Zadie Smith erzählt eine anrührende Geschichte von der Suche zweiter Mädchen nach der eigenen Identität. Als sich die beiden Mädchen zum ersten Mal begegnen, fühlen sie sich sofort zueinander hingezogen: Die gleiche Leidenschaft fürs Tanzen und für Musicals verbindet sie, doch auch derselbe Londoner Vorort und die Hautfarbe. Ihre Wege trennen sich, als Tracey tatsächlich Tänzerin wird und erste Rollen in Musicals bekommt. Ihre Freundin wiederum jettet als Assistentin der berühmten Sängerin Aimee um die Welt. Als Aimee in Westafrika eine Schule gründen will, reist sie ihr voraus und lässt sich durch das Land, in dem ihre Wurzeln liegen, verzaubern und aus dem Rhythmus bringen.
    Das Cover ist in leuchtenden, warmen Farben gehalten. Sowohl der Name der Autorin als auch der Titel des Buches sind einfach, aber kunstvoll auf einem gelben Hintergrund in Szene gesetzt worden. Die verwendeten Großbuchstaben springen dem Betrachter direkt ins Auge. Man erkennt die Farben Rot und Schwarz, aber es gibt keine strenge Trennung, sondern die Übergänge zwischen den einzelnen Buchstaben sind fließend.
    Der Titel ist gut gewählt. Er greift den Titel des berühmten Films mit Fred Astaire und Ginger Rogers auf, der die Ich-Erzählerin sehr beeindruckt hat. Fred Astaire tritt als "Blackface" auf; sein Tanz soll an einen schwarzen Stepp-Tänzer erinnern. In ihrer Kindheit war sie von den eleganten Tanz-Szenen hingerissen, als erwachsene Frau ist sie schockiert von den subtilen rassistischen Andeutungen.
    Im Mittelpunkt des Buches steht eine namenlose Ich-Erzählerin, die blass und konturenlos bleibt und von der ersten bis zur letzten Zeile des Romans im Schatten von dominanten Frauen steht. ihre Lebensumstände sind desolat; sie lebt in einer Sozialwohnung in einem Brennpunkt von London. Ihre Mutter ist eine stolze Jamaikanerin, die von afrikanischen Sklaven abstammt, ein politisches Bewusstsein entwickelt und sich für sozial benachteiligte Menschen engagiert, während ihr weißer Vater den gemeinsamen Haushalt führt Die familiäre Konstellation ist bei ihrer Freundin Tracey ähnlich; ihr leiblicher Vater ist ein farbiger Kleinkrimineller, während ihre weiße Mutter faktisch alleinerziehend ist und ihren gesamten Ehrgeiz auf ihre talentierte Tochter projiziert, die ihr den ersehnten sozialen Aufstieg ermöglichen soll.
    Das Geschehen wird ausschließlich aus der Perspektive der Ich-Erzählerin vermittelt. Sie nimmt uns mit auf eine Zeitreise; wir begleiten sie von den frühen 1980er Jahren bis in die jüngste Vergangenheit. In ihrem Leben gibt es einige Brüche, die durch den ständigen Wechsel der zeitlichen Ebenen gespiegelt werden. Statt einer chronologischen Erzählung werden nur einzelne Schlaglichter auf wichtige Stationen in ihrem Leben geworfen, die für ihre Suche nach Freundschaft und Identität wichtig gewesen sind.
    Zadie Smith schreibt in einem sehr ansprechenden Stil. Ihr Roman ist kunstvoll gewebt und nimmt den Leser mit auf eine literarische Reise von London über New York bis Gambia, kann aber trotzdem nicht vollständig überzeugen. Zu viele wichtige Themen werden in ihrem Buch lose angerissen, aber nicht vertieft. Deshalb kann ich nur vier Sterne vergeben.

  • Swing Time - Identitätssuche


    Ein Buch über eine junge Frau, die auf der Suche nach der eigenen Identität ist - eine tolle Lektüre, die viel Unterhaltung bietet und den Leser auch nach dem Lesen noch eine Weile beschäftigt bzw. zum Nachdenken anregt. In einigen Abschnitten hat das Buch auch seine Schwächen - etwas langwierig oder Wendungen, die nicht nachvollziehbar waren für mich - sprich der rote Faden durch das Buch hindurch fehlte mir etwas. Aber im Großen und Ganzen wurde das Thema toll umgesetzt und das Buch ist absolut empfehlenswert, wenn man ein Interesse für die Thematik zeigt.

  • Zwei Mädchen lernen sich in den 80er Jahren beim Ballettunterricht kennen. Beide leben im gleichen Viertel von London (nicht gerade dem besten), beide haben einen weißen und einen schwarzen Elternteil, beide träumen von einer Karriere als Tänzerin. Talent hat allerdings nur Tracey, das Mädchen mit dem ständig abwesenden Vater und der etwas prolligen Mutter. Und nicht nur diesbezüglich unterscheiden sich die beiden. Die namenlos bleibende Erzählerin mag zwar ebenfalls aus einfachen Verhältnissen stammen, doch ihre Mutter strebt nach Höherem, kleidet sich betont geschmackvoll, nimmt ein Studium auf und beschäftigt sich mehr mit politischen und sozialen Fragen als mit dem Alltagsleben oder den Wünschen und Nöten ihrer Tochter.


    Als die Mädchen erwachsen werden, macht Tracey tatsächlich ihre Leidenschaft zum Beruf, während sich die Erzählerin zunächst eine ganze Weile treiben lässt, bis sie schließlich mehr oder weniger durch Zufall das große Los zieht und zur persönlichen Assistentin des Pop-Megastars Aimee aufsteigt. Ein Job mit viel Prestige, aber auch einer, der an die Substanz geht.


    Irgendwann setzt Aimee sich in den Kopf, eine Schule in Afrika zu gründen und zu fördern, woraufhin die Erzählerin viel Zeit im Senegal verbringt, selbst als Aimees eigenes Interesse an dem Projekt schwindet, immer stärker über ihre eigenen Wurzeln nachdenkt und sich hin- und hergerissen fühlt.


    Die Erzählerin (deren Namenlosigkeit ein wenig nervt) berichtet mit ironischem Abstand im Rückblick aus einem bewegten Leben, von den Anfängen in der Londoner Hochhaussiedlung bis zum Gipfel ihrer Karriere und dem darauffolgenden tiefen Absturz, von dem wir gleich zu Beginn des Buches erfahren.


    Die Zeit zwischen den frühen 80er Jahren und 2005 wird mit vielen Anspielungen auf Politik und Popkultur lebendig, wobei zwischen den Zeilen zahlreiche gesellschaftliche Problemstellungen angesprochen werden. Besonders deutlich fällt dabei die Kritik an der westlich-arroganten Art von "Entwicklungshilfe" aus, für die Aimee in diesem Buch steht, hochfliegende Pläne, für die man sich feiern lässt, ohne sich um Feinheiten wie Infrastruktur oder auch die Mentalität und Probleme der Einheimischen zu kümmern.


    Das zweite Hauptthema ist die Beziehung zwischen Tracey und der Erzählerin. So dicke Freundinnen, wie der Klappentext vermuten lässt, sind die beiden eigentlich nie, eher zufällig zusammengeworfene Schicksalsgenossinnen, verbunden durch gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse. Im Erwachsenenalter steht überdies ein einschneidender Vorfall zwischen den beiden, auf den immer wieder spannungserzeugend angespielt wird.


    Obwohl Zadie Smith eine sehr gute Erzählerin ist, konnte mich das Buch jedoch nicht vollends überzeugen. Zum einen, weil ich die Auflösung des im Hintergrund schwelenden Konflikts mit Tracey albern fand, zum anderen, weil mir trotz all der Themen, die angerissen werden, ein echter roter Faden fehlte. Die Gesellschaftskritik sitzt, doch am Ende weiß das Buch nicht, ob es nun hauptsächlich fehlgeleitete Initiativen wie Aimees Schulprojekt aufs Korn nehmen, die Geschichte einer problembelasteten Mädchenfreundschaft erzählen oder die Auseinandersetzung der Erzählerin mit ihren Wurzeln (sowohl auf den Spuren ihrer Vorfahren in Afrika als auch hinsichtlich des Verhältnisses zu ihrer nie sehr mütterlich gewesenen Mutter) sein soll ... und ist am Ende nichts so richtig.


    Gelesen habe ich es gerne, aber es hat mich etwas unzufrieden zurückgelassen.

  • Viel bleibt mir nach den interessanten und treffenden Rezis nicht mehr zu ergänzen. Mir ging es so ähnlich wie Magdalena - etliche wichtige Themen wurden angerissen, aber nicht richtig ausgeführt. Vor allem aber fand ich es nicht überzeugend, wie eng die beiden Mädchen, die doch nie wirkliche Freundinnen waren, durch die Berühungspunkte ihrer Kindheit noch Jahrzehnte später emotional aneinandergekettet sind. Als eine Art Milieustudie habe ich den Roman sehr gern gelesen. Er hätte jedoch m.E. ohne Verluste um ein Drittel gekürzt bzw. gestrafft werden können.

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Dietrich Krusche (Hg.) - Haiku (Reread)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Sarange: sehr schön zusammengefasst. Die Darstellung der gesellschaftlichen Hintergründe fand ich sehr gelungen, die Personenzeichnung weniger.