Gloria Goldreich - Die Tochter des Malers / The bridal chair

  • Klappentext von der Verlagsseite:


    Ein Roman wie ein Gemälde von Marc Chagall: voller Poesie, Träume und Liebe


    Paris, 1935: Ida ist die behütete Tochter des Ausnahmekünstlers Marc Chagall und eines seiner Lieblingsmotive. Als sie sich in den Studenten Michel verliebt, steht die innige Beziehung zu ihrem Vater auf dem Spiel. Dann wird Frankreich von den Deutschen besetzt, und ihrer Familie droht tödliche Gefahr, was Chagall jedoch in blinder Hingabe an seine Kunst verleugnet. Schon bald muss Ida sich entscheiden – zwischen ihrem eigenen Lebensweg und der Rettung ihres Vaters.


    Bewegend, mitreißend, voller Tragik – und eine wahre Geschichte


    Autoreninfo von der Verlagsseite:
    Gloria Goldreich ist die von der Kritik hochgelobte Autorin zahlreicher Erzählungen, Kinder- und Jugendbücher sowie mehrerer Romane. Ihr Werk wurde mehrfach ausgezeichnet. Sie ist die Mutter dreier Kinder und lebt mit ihrem Mann in Tuckahoe, New York.


    Erster Satz:


    Ein Grauen erfasste sei, das sie nicht benennen kann, doch sie befindet sich in Gefahr, dessen ist sie gewiss.


    Cover und Aufbau:


    Das Cover von „Die Tochter des Malers“ ist in einem sanften Sepiaton gehalten. Es zeigt eine Frau in einem blauen Kleid auf den Weg zur Sacre Coeur. Die Titelschrift ist in einem leuchtenden Magenta gehalten.
    Auf 592 Seiten hat Gloria Goldreich das Leben von Ida und Marc Chagall in 54 Kapitel eingeteilt, die allesamt aus der Erzählperspektive der dritten Person geschrieben wurden. Sowohl das Cover als auch der Aufbau entsprechen vollends meinem Geschmack. Gerade der Sepiaton gibt mir den Vorgeschmack auf eine historisch fundierte Romanbiographie.


    Meinung:


    Paris die Stadt der Liebe ist auch Ida Chagalls Heimat in ihren Jugendjahren. Als geliebtes und einziges Kind ihrer Eltern Marc Chagall und seiner Frau Bella, eine ätherische Schönheit, die immer wieder einen Hang zur Melancholie hat, wächst sie behütet oder besser gesagt über behütet auf. Sie ist ihr Augenstern, ihr Lichtblick, denn ihre Eltern mussten zum Ende des Ersten Weltkriegs aus Russland zunächst nach Berlin und dann weiter nach Frankreich fliehen. Die Handlung beginnt im Jahr 1935, Hitler ist zu diesem Zeitpunkt schon zwei Jahre an der Macht und die jüdische Familie Chagall macht sich sorgen um die Weltpolitik. Vor allen Dingen Marc Chagall, der Angst vor einer erneuten Flucht hat. Ida ist zu diesem Zeitpunkt achtzehn Jahre alt und eine junge hübsche Frau, die sich gerade frisch in Michel verliebt hat. Eine Liebe, die nicht folgenlos bleiben soll, und das Weltbild von Marc Chagall ins Wanken bringt.


    An diesem Punkt habe ich das erste Mal mit Marc Chagall gehadert, mit seinen Launen, seiner Divenhaftigkeit und seiner Verklärung von Ida. Marc Chagall wäre mir als Vater to much gewesen, klar ist es toll, wie sehr er seine Tochter und sein Lieblingsmodell für seine Bilder liebt, aber seine Handlungen in Bezug auf Michel und seine Kaltherzigkeit, die er da zu Schau gestellt hat, fand ich einfach nur heftig. Auch, wenn eine ungewollte Schwangerschaft, damals ein Verstoß gegen das Sittenbild war, waren für mich seine weiteren Handlungen, auch wenn sie nach jüdischem Gesetz so gehandhabt werden mussten, einfach nicht in Ordnung.


    In den Folgejahren strebt Hitler immer weiter nach Macht und Einfluss und das Leben für die Chagalls wird in Frankreich für sie immer brenzliger. Dank Ida und ihrem Mann gelingt ihnen nach vielen Umwegen die Flucht in die USA.
    Dort blüht Ida auf und sie kuratiert immer öfter die Werke ihres Vaters. Der zunehmend exzentrischer wird, erst Recht nach dem Tod von Bella. Immer mehr vereinnahmt er Ida und das eh schon enge Vater-Tochter-Verhältnis wird wie eine Klammer für Ida, aus der sie sich erst ein stückweit befreien kann als ihr Vater sich neu verliebt.


    Gerade dieses enge Vater-Tochter-Verhältnis stellt Gloria Goldreich gekonnt in den Mittelpunkt ihres Romans, den sie gekonnt in das damalige Weltgeschehen einwebt. Da diesem Roman, die wahre Lebensgeschichte der Ida Chagall zugrunde liegt, ist es auch authentisch und glaubhaft.
    Wie oben schon erwähnt war mir Marc Chagall mit seinen Launen zu anstrengend und auch zu anmaßend, seine Meinung über andere Künstler wie Picasso sehr direkt, seine Stimmungsschwankungen ziemlich heftig von Himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt fehlte nie viel. Oft depressiv, dann wieder naiv und unselbständig, manipulierbar was seine zweite Frau ausnutzte.
    Allzu oft habe ich mit ihm gehadert und das bis zur letzten Seite. Oft habe ich nur den Kopf geschüttelt, wie seine Werke wichtiger sein konnten als das Leben der Familie, als sie fliehen musste. Wie oft er Ida und Michel nicht als sein Kind und Schwiegersohn betrachtet hat, sondern mehr als seine Lakaien. Auch wenn es damals nicht üblich war, hätte ich Ida öfters mehr Rückgrat gegenüber ihren Eltern gewünscht, denn sie und Michel hatten die Zeichen der Zeit erkannt.
    Das ständige Aufreiben aneinander bildet den Großteil der Handlung, dennoch gelingt es Gloria Goldreich nach einigen Längen im Mittelteil, in der sich Ida mit der Geliebten ihres Vaters auseinandersetzt, gegen Ende wieder Spannung aufzubringen. Die Sprache ist bildhaft und ich hatte das Gefühl, dass ich Ida in ihrem Leben und Wirken live begleiten konnte. Dies ist für mich ein eindeutiges Plus des Romans und vor allen Dingen konnte sie mir den Maler Chagall und sein Wirken näher bringen.


    Das Auftauchen von Vavra, Chagalls zweiter Frau, bildet den Abschluss des sehr bildhaften Romans. Ich hatte durchgehend das Gefühl Ida in ihrem Leben begleiten zu dürfen, das zu Erleben was sie erlebt hat und auch ihre Traurigkeit, ihr Pflichtbewusstsein, welches sie als Chagalls Kuratorin hatte, ihre Liebe zu ihren drei Männern, ihr Unverständnis gegenüber der Geliebten gegenüber, ihre Sprachlosigkeit über Vavras Dreistigkeiten, alles habe ich mit empfunden und gegen Ende tat mir Ida auch Leid. Die viele Jahre auf ihr eigenes Glück verzichtet hat, um ihren exzentrischen, sich manchmal wie ein Kleinkind benehmenden Vater zu unterstützen und am Leben zu erhalten. Mit dem Auftauchen von Vavra endet auch der biographische Roman um Ida Chagall, von ihrem späteren Leben wird nichts mehr erwähnt.


    Fazit


    Gloria Goldreich hat es mit ihrer bildhaften, klaren und beobachtenden Beschreibung des Leben der Ida Chagall geschafft mir die Zeit und das damalige Leben in Frankreich deutlich zu machen. Ihr ist es immer wieder gelungen, die einzelnen Stationen von Idas Leben so bildhaft darzustellen, als wäre ich selber in der Zeit dabei gewesen. Ein lesenswerter biographischer Roman über Ida und Marc Chagall.


    Bewertung

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • @buechereule Danke für Deine Rezi über die interessante Lebensgeschichte Chagalls und seiner Tochter. Du hast bestimmt Deine Gründe, aber ich frage mich, warum Du das Buch nicht bei den Biografien eingestellt hast? So wie ich Deine Rezi verstehe, scheint die Handlung sehr authentisch zu sein. :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • @buechereule Danke für Deine Rezi über die interessante Lebensgeschichte Chagalls und seiner Tochter. Du hast bestimmt Deine Gründe, aber ich frage mich, warum Du das Buch nicht bei den Biografien eingestellt hast? So wie ich Deine Rezi verstehe, scheint die Handlung sehr authentisch zu sein. :wink:

    Gute Frage, ich war mir unschlüssig. Du kannst es auch gerne verschieben. Würde sogar noch besser passen.

    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • Alles für Papotschka


    Der Roman "Die Tochter des Malers" von Gloria Goldreich erzählt von Ida, der einzigen Tochter des weltberühmten Ausnahmekünstlers Marc Chagall.
    Auch inhaltlich erinnert er durchaus an ein Gemälde, denn er ist voller Poesie, Träume und Liebe. Als Muse des Malers ist Ida eng mit ihrem
    Vater verbunden. Als sie sich in den Studenten Michel verliebt, steht die innige Beziehung zu ihrem Vater auf dem Spiel. Dann wird Frankreich
    von den Deutschen besetzt, und ihrer Familie droht tödliche Gefahr, was Chagall jedoch in blinder Hingabe an seine Kunst verleugnet. Schon bald
    muss Ida sich entscheiden – zwischen ihrem eigenen Lebensweg und der Rettung ihres Vaters.



    Das Cover ist geschmackvoll gestaltet. Es zeigt die Rückansicht einer attraktiven Frau, die mit beschwingten Schritten über eine breite Treppe schreitet. Sie ist geschmackvoll
    gekleidet und trägt ein lose fallendes blaues Kleid. Mit ihren üppigen glänzenden Haaren könnte sie durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit der anmutigen Ida Chagall aufweisen, die für ihren Charme und ihre Schönheit berühmt war. Der kurze, prägnante Titel ist gut gewählt. Er rekurriert auf die Handlung und macht deutlich, dass es sich um einen
    biographischen Roman handelt.



    Wie bereits erwähnt, steht Ida
    Chagall im Mittelpunkt des Buches. Aber auch ihr persönliches Netzwerk (Eltern, Lebenspartner, Freunde, Bekannte) wird pointiert dargestellt. Die Familie Chagall ist nicht zwingend ein Sympathieträger; die Autorin zeigt deutlich die Risse in der nach außen perfekten glänzenden Fassade auf. Als pflichtbewusste Tochter vernachlässigt Ida eigene Interessen
    und widmet ihr Leben dem Werk ihres narzistischen Vaters, der sich als erfolgreicher Ausnahmekünstler profilieren will. Trotzdem gelingt es ihr, nach und nach aus dem Schatten ihres Vaters herauszutreten und sich zu einer glücklichen, selbstbewussten Frau zu entwickeln. Ihre Eltern Bella und Marc Chagall sind schwierige Persönlichkeiten. Im Laufe des
    Geschehens erweisen sie sich als arrogante und weltfremde Menschen, die blind für die politischen Entwicklungen und nur an ihrem eigenen Wohlergehen interessiert sind.



    Gloria Goldreich schreibt in einem flüssigen, gut lesbaren Stil. Sie hat gründlich recherchiert, verknüpft Kunst- und Zeitgeschichte zu einem beeindruckenden Roman und
    lässt eine wichtige Epoche lebendig werden. Mich hat dieses Buch angeregt, mich näher mit Leben und Werk von Marc Chagall zu befassen. Deshalb gibt es von mir die volle Punktzahl.

  • Wie oft er Ida und Michel nicht als sein Kind und Schwiegersohn betrachtet hat, sondern mehr als seine Lakaien

    Marc Chagall muss wirklich ein sehr schwieriger Charakter gewesen sein, den man sich weder als Vater noch als Partner wünschen konnte. Sicher hat er die Flucht aus seiner geliebten russischen Heimat nie überwunden und hat sich wohl zeitlebens nirgends so ganz zu Hause gefühlt. Das wird ja in seinen Bildern sehr deutlich, in denen das Entwurzelte und Heimatlose beeindruckend dargestellt wird.

    Der Roman beschreibt auf jeden Fall sehr eindringlich, wie sich Ida Chagall von der überbehüteten Tochter zur selbstbewussten Frau entwickelte. Schließlich kehrt sich die Beziehung beinahe um, die Tochter wird zur Betreuerin der Eltern bzw. vor allem des Vaters, die deren Leben organisiert.

    Die Sprache ist sehr schön, und so liest sich das Buch auch recht leicht und flüssig. Dennoch hat dem Roman das gewisse Etwas gefehlt, und ich war insgesamt nur mäßig begeistert.

    Liebe Grüße von Lorraine :)


    "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen." (Karl Kraus) :study:

  • Gloria Goldreich erzählt in ihrem Buch gleichermaßen die Geschichte von Vater und Tochter. Beide haben starke Persönlichkeiten und erwarten, dass sich alles ihren Wünschen und Plänen unterordnet. Während der Vater eine Frau hat, die das ohne zu hinterfragen tut, ist es bei Ida anders. Ihre Beziehungen zerbrechen daran, dass die jeweiligen Partner hinter ihr und dem Vater die dritte Geige spielen.



    Die Autorin hat in ihrem Buch das Bild einer starken Frau, aber auch das einer stellenweise unsympathischen Frau gezeichnet. Ida hat für den Ruhm ihres Vaters viel aufgegeben, aber sie hat auch viel zurückbekommen. Stellenweise war ich überrascht, dass sie sich für Mann und Kinder entschieden hat, weil sie die lange Zeit hintenangestellt hat. Dass das gerade für ihre Kinder hart gewesen ist, kann man zwischen den Zeilen deutlich herauslesen.



    Gloria Goldreich malt in ihrem Buch das Bild einer starken Frau, die mit ihrem Weg immer wieder aneckt. Wie nahe dieses Bild an der Wirklichkeit ist, kann ich nicht beurteilen, dazu müsste ich eine Biografie sowohl von Ida als auch von ihrem Vater lesen. In diesem Roman kommen beide für mich nicht immer gut weg.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: