Simon Strauß - Sieben Nächte

  • Klappentext Amazon:
    Schließt die Augen und zerbrecht das Glas
    Es ist Nacht, ein junger Mann sitzt am Tisch und schreibt. Er hat Angst. Davor, sich entscheiden zu müssen. Für eine Frau, einen Freundeskreis, einen Urlaubsort im Jahr. Er hat Angst, dass ihm das Gefühl abhandenkommt. Dass er erwachsen wird. Doch ein Bekannter hat ihm ein Angebot gemacht: Sieben Mal um sieben Uhr soll er einer der sieben Todsünden begegnen. Er muss gierig, hochmütig und wollüstig sein, sich von einem Hochhaus stürzen, den Glauben und jedes Maß verlieren. Sieben Nächte ist ein Streifzug durch die Stadt, eine Reifeprüfung, die vor zu viel Reife schützen soll, ein letztes Aufbäumen im Windschatten der Jugend.
    Simon Strauß erzählt von einem jungen Mann an der Schwelle, der alles aufbringt, um sich Gewohnheit und Tristesse zu verwehren. Er muss gierig, hochmütig und faul sein, neiden und wüten, Völlerei und Wollust treiben. Sich dem Leben preisgeben, um sich die Empfindung zu erhalten. Im Schutze der Nacht entwickelt er aus der Erfahrung der sieben Todsünden die Konturen einer besseren Welt, eines intensiveren Lebens.


    Über den Autor:
    Simon Strauß, geboren 1988 in Berlin, studierte Altertumswissenschaften und Geschichte in Basel, Poitiers und Cambridge. Hospitanzen und eine Gastdramaturgie am Theater. Mitorganisator des Jungen Salons in Berlin. 2017 promovierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer althistorischen Arbeit über »Konzeptionen römischer Gesellschaft bei Theodor Mommsen und Matthias Gelzer«. Er lebt in Frankfurt, ist Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.



    Diese Geschichte, erzählt von einem jungen Mann in der Ich-Form, berührt. Er hat Angst davor, dass sein Leben in einer vorbestimmten Spur verläuft, dass er sich dabei selbst als Individuum verliert. Das das Leben mit 30 mehr oder weniger vorbei ist. Er denkt unheimlich viel nach. Da kommt ihm der Rat eines Freundes gerade recht, er soll sich an sieben Tagen den sieben Todsünden hingeben: Hochmut, Völlerei, Faulheit, Habgier, Neid, Wollust und Jähzorn. Der Erzähler hält sich daran. Jede Todsünde ist ein Kapitel, in dem die Gedanken und Handlungen des jungen Mannes niedergeschrieben werden. Mit Sätzen, die berühren, in denen so viel mehr Bedeutung steckt. Hier drei Beispiele von Sätzen, die mir sehr gut gefallen haben:


    - Am Ende wird die Zeit doch der Sieger sein. Denn sie läuft immer weiter.
    - Wer zu oft den Fahrstuhl nimmt, findet nicht mehr den Weg zur Hintertreppe.
    - Die Verantwortung, die du tragen wirst, wird dich nicht erlösen, erst Recht nicht von der Sehnsucht danach, zurückzukehren in die grasgrüne Vorzeit, die immer jünger wird, während du verjährst.


    In dieser Geschichte findet sich die Wahrheit, versteckte Ängste, die viele Menschen plagen. Der Schreibstil nimmt einen mit auf die Reise eines jungen Mannes, der seinen Weg sucht. Von mir eine klare Leseempfehlung. :thumleft:

    Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten. (Albert Einstein)

  • Schon immer sind junge Menschen ein Sinnbild für die Lust an Neuem und dem Willen, Althergebrachtes in Frage zu stellen und dagegen zu revoltieren. Dafür stehen auch ganze Epochen wie beispielsweise Sturm und Drang oder die '68er. Doch während es in der Vergangenheit noch vergleichsweise leicht fiel, sich gegen die vorhergehenden Generationen aufzulehnen und voller Inbrunst für eine andere und bessere Zukunft zu kämpfen, tun sich die heutigen Jungen eher schwer. Die Eltern sind die besten Freunde; wo man hinkommt, kann man dem umfassenden Verständnis für alles und jeden kaum entkommen - und das Leben der Alten ist ja auch gar nicht so schlecht. Wogegen also seine Energien einsetzen?
    Doch genau dieses Lebensgefühl verursacht dem Protagonisten dieses schmalen Büchleins ein enormes Unwohlsein. Wo ist die Intensität des Lebens, die überschäumende Energie mit der man für die Umsetzung seiner Ideale kämpft? Als ihm in Aussicht gestellt wird, genau dies kennenzulernen, indem er sich in sieben Nächten den sieben Todsünden stellt und deren Erlebnisse schriftlich festzuhalten, nimmt er dieses Angebot freudig an.
    Wer sich nun auf eine ausdruckvolle, bilderreiche Schilderung intensiv durchlebter Nächte freut, dürfte ziemlich enttäuscht werden. Es sind Gedankenfetzen, die hier notiert sind; die deutlich machen, was zu diesen Nächten führte. Einzelne Bilder, was sich in diesen Nächten abspielte, die jeweils fünf bis sieben Seiten umfassen, aber keine zusammenhängenden Beschreibungen. Doch die Sprache des Autors ist eindringlich und faszinierend. Ihm gelingen beeindruckende Sätze, die die Unzufriedenheit und Angst des Ich-Erzählers den Lesenden nahe bringen: "In dieser Wohnung, die niemand mehr mit besonderen Erwartungen betritt." oder "Kenne nicht einmal meine Nachbarn. Als ich hier eingezogen bin, haben die sich mir nicht vorgestellt. Und ich klingele grundsätzlich nicht an fremden Wohnungstüren." Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man lachen :wink:
    Aber im Ernst: Wenn dieses Büchlein tatsächlich das Lebensgefühl der Unterdreißiger darstellt (wie in einer Kritik behauptet wurde), dann haben sie mein volles Mitgefühl. Vielleicht kann ihnen ja diese Leküre helfen - bei was auch immer.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Hm nun ja :scratch: . Gut zu erfahren, dass schon der 30. Geburtstag Angst machen kann. Man braucht nicht auf Midlife-Krise oder Alter zu warten, es klappt schon früher. :thumleft:


    Die jungen Wilden scheinen mit den alten Wilden der 1960er oder 1980er immerhin den Hang zum intellektuellen Ausdruck der Lebensangst gemeinsam zu haben. Und wie sie ihre Gescheitheit und Belesenheit mit Zitaten und Bücherwissen gern unter Beweis stellen. :roll:
    :scratch: Darf man sie überhaupt noch "wild" nennen? Denn die Wilden zeichnete doch damals aus, dass sie sich ins Leben stürzten, fest gefahrene Gewohnheiten umwarfen und neue Muster kreierten. Aber hier und jetzt steht einer da und starrt seine Zukunft an wie das Kaninchen die Schlange. 8-[


    Was er gegen seine Angst unternimmt? Er beschließt, alle sieben Todsünden zu begehen und anschließend darüber zu schreiben. Hmmm, :-k und dann? Ist er dann gewappnet, um es mit dem Leben aufzunehmen? Die Sünden - Völlerei = ein Riesenstück Fleisch essen, - Wollust = ein One-Night-Stand, - Hochmut = ein Bungee-Sprung mit anschließendem Hochgefühl, ... Aha, jetzt weiß man, warum Riesensteaks, Kurz-Sex oder Bungee-Jumping in Mode sind --- da stürzen sich die ganzen U-30er mit Zukunftsangst drauf. :idea:


    Gut, dass ich schon so alt bin und das Buch samt Protagonist nicht verstehen muss. :)

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)