Sabine Bode - Kriegsenkel

  • Inhalt:
    Dies ist der dritte Band einer Reihe, in der sich die Journalistin Sabine Bode mit den Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges auf verschiedene Generationen beschäftigt.
    Er besteht aus 14 Lebensgeschichten, wobei die erzählenden Personen in den Jahren zwischen 1960 und 1975 geboren sind.


    Hier kann schon das erste Missverständnis lauern. Der Titel "Kriegsenkel" und die angegebene Geburtszahl suggerierte mir, dass ein Teil der Eltern dieser Jahrgänge den Krieg selbst nicht mehr miterlebt hat, sehr wohl aber die ebenfalls prägende Nachkriegszeit (so wie es bei mir der Fall ist mit den 1946 geborenen Eltern). Die im Buch auftauchendene Eltern haben jedoch alle den Krieg miterlebt, sei es als Kind oder als Erwachsener.


    Meine Meinung:
    Leider gefiel mir Sabine Bodes Sprache bis zum Ende nicht. Ihr Beruf ist Journalistin und teilweise dachte ich, ich lese eine Zeitschrift. Beispiel: Seite 61. Es geht um zwei Schwestern, die im Ruhrpott aufgewachsen sind:
    "Sie hat schulterlanges, dunkelblondes Haar und zeigt - im Unterschied zu ihrer meistens bis oben hin zugeknöpften Schwester - gern etwas Brustansatz. So wie sich kleidet und bewegt, entspricht sie dem Typ sinnliche Frau." (...) Natalie (dagegen) trägt ihr Haar kurz und läuft meistens ins langen Haaren herum - sie ist der Typ Page."
    Hätte ich einen Frauenroman lesen wollen, hätte ich mir einen solchen ausgeliehen und kein Sachbuch.
    Leider geht es in diesem Stil weiter und die Frage, was diese Sequenz zur Auseinandersetzung mit dem Thema beiträgt, führt schon zu meinem nächsten Kritikpunkt. Für meinen Geschmack wird zuviel Küchenpsychologie betrieben. Denn natürlich wird die obige Beschreibung des Äußeren der Schwestern genutzt um daraus auf ihren Charakter zu schließen, was wiederum zur Analyse der Ursache im Verhalten der Eltern führt.


    Egal, wie die Eltern sich in den einzelnen Geschichten verhalten haben, sie waren entweder zu streng, zu locker, zu sanft, zu dies, zu das und ihre Charaktereigenschaften bzw. ihre Erziehungsmethoden werden in 99% der Fälle als Ursache für psychische Probleme der Kinder respektive der späteren Erwachsenen gedeutet. Ob auch andere Parameter eine Rolle spielen könnten, wurde nur in einem Kapitel kurz angedeutet.
    Am Ende taten mir die dargestellten Eltern richtig leid, denn augenscheinlich konnten sie nichts richtig machen.


    Sabine Bode selbst deutet sehr vieles psychologisch, obwohl manche der erzählenden Personen noch nie in psychologischer Behandlung waren und Frau Bode selbst keine derartige Ausbildung hat. Familienaufstellung z.B., was ein sehr umstrittenes Modell ist, wird auf S. 48 als Lösung für einen Mann nur positiv beschrieben, ohne auf die Risiken hinzuweisen.
    Auch ist vieles einfach spekulativ. Bsp.: Mutter X wuchs im Ort A auf, in dessen Nähe ein Kriegsverbrechen stattfand. Ob sie dies gesehen oder miterlebt hat, weiß man nicht, es wird unterstellt. Womit wieder eine Ur-Ursache für die Befindlichkeiten des Sohnes gefunden wäre.


    Ihre Treffen mit den Kriegsenkeln führen bei Sabine Bode zu einem engen Verhältnis zu den Interviewpartnern und zu teils starker subjektiver Wahrnehmung. So wünscht sie einem Theaterschauspieler "den Erfolg, den er verdient hat", dass er "aufbricht und sich holt, was ihm zusteht" und fragt sich, wie er "überhaupt auf die Idee kommen kann, Mutter und Geschwister würden sich mit ihm über seine Erfolge freuen. War es nicht gerade die Familie, die ihm (...) jede Rückenstärkung verweigerte und sich in keiner Weise für ihn interessierte?"
    Woher weiß das die Autorin? Nur aus dem Gespräch mit dem Schauspieler. Den Rest der Familie hat sie nie gesprochen. Wie war das noch mal mit den zwei Seiten einer Medaille? Und will ich überhaupt lesen, dass sie sich wie eine Löwin vor ihr Junges bzw. ihren Interviewpartner wirft? Ich fands peinlich.


    Mir bleibt nach der Lektüre der fade Nachgeschmack, teilweise Geschichten von erwachsenen Personen gelesen zu haben, die in ihrem Leben nicht zurecht kommen (oder nur glauben, dass sie nicht zurecht kommen, siehe S. 42 "Neurotischer Umgang mit Geld". Die Neurose hat sich mir nicht erschlossen) und deren Probleme hierbei allein zur Wurzel "Kinder von Kriegskindern" hingebogen werden sollen.


    Das Thema finde ich nach wie vor wichtig und interessant, aber für mich hätte es einer anderen Verpackung bedurft. Es geht nicht in erster Linie darum, alles zu versachlichen, denn gerade lese ich Swetlana Alexijewitsch, deren Reportagen sich auch aus Zeugenberichten zusammen setzen und von ihr bin ich sehr begeistert.


    Ich habe dennoch drei Sterne gegeben. Lasst Euch aber nicht von der Lektüre abhalten. Die überwiegende Mehrheit der Bewertungen bei BT und amazon sind fünf Sterne :wink: und ich habe mir sagen lassen, es sei der schwächste Teil der Reihe.