Lieber Paul,
ich habe jetzt den "Blick ins Buch" bei Amazon gewagt, weil Du explizit auf eine Meinung dessen drängtest, was IM Buch steht. Ich habe also versucht die Bilder auszublenden und in der Textsubstanz zu bleiben. Zunächst einmal muss ich fragen, welche Zielgruppe Du beim Schreiben im Kopf hattest. Hier und da schimmern sehr zarte jugendliche Gedanken durch, später harte Flüche und Fantasien für Erwachsene. Der Erzähler der Geschichte scheint sehr über dem Geschehen zu schweben, die Distanz als Allwissender macht es manchmal nicht einfach die Geschichte als Geschichte und nicht als Bericht zu verfolgen. Ein Beispiel wäre hier die komplette Exposition über den Background mehrerer Figuren, die dann aber nicht mehr durch ihr Handeln und ihre Beschreibung dazu kommen vorsichtig beim Leser zu wachsen. Sprich: Kompletter Block ausgebaut und dann so vorgestellt. Meist ist es hier besser, sich auf das Abenteuer eines längeren Romans einzulassen und durch Interaktion auf die Hintergründe hinzuweisen. Über Stilmittel kann man ja streiten, aber Klammern sind für mich ein wissenschaftlicher Verweis. Das bricht sicherlich den Text auf, lockert ihn hier und da manchmal, tatsächlich aber gewinne ich dadurch den Eindruck, es wäre deine höchst eigene Stimme - ein Kommentar von außen. Das holt einen aus der Geschichte. Man fängt an darüber nachzudenken, ohne noch in der Geschichte zu sein. Smileys ebenso. Dein Text arbeitet sich oft an der geringen Aufmerksamkeitsspanne der Jugend ab, dabei benutzt er ebenso ihre Ikonen. Klar kann man so auch Kritik formulieren, doch ein belletristischer Text transportiert diese leichter durch Gezeigtes, denn Behauptetes. Diese Auflösung von Autor/Text/Leser bewirkt, dass man Sätze wie "Seine medienvisuelle Profession verlangt immerfort das sklavische Hinnehmen immer neuer, zeitgeistiger (geistloser) Ausgeburten des real existierenden Flachsinns" nur noch als biografische Entlastung verortet. Übrigens, der folgende Absatz über Adipöse und lustige Hochzeitsmotive, die ja ach so Dicke lieber lassen sollten, fällt somit auch direkt auf dich zurück. Warum? Weil die Stimme der Figuren nicht vorhanden ist. Es ist auch keine wörtliche Rede. Ohne Referenz ist es also schwer, dem zu folgen. Ein kleiner Tipp noch, wie Du hier den Text noch angehen kannst: Stelle ihn Dir aus zunächst einer Perspektive vor. Was sieht diese Person? Was hört sie? Was sagt sie? Dann wird dir womöglich die Geschichte nicht aus Sicht eines Kommentars, sondern aus Sicht der Figur bewusster. Und ... kürz Deine Vita. Das ist kein Vorstellungsgespräch auf Amazon. Niemand muss wissen, mit welcher Note du Deinen Abschluss gemacht hast. Erzähl lieber mehr von deinem Wunsch zu Schreiben.
Raiko