Mariana Leky - Was man von hier aus sehen kann

  • Selma, eine alte Westerwälderin, kann den Tod voraussehen. Immer, wenn ihr im Traum ein Okapi erscheint, stirbt am nächsten Tag jemand im Dorf. Unklar ist allerdings, wen es treffen wird. Davon, was die Bewohner in den folgenden Stunden fürchten, was sie blindlings wagen, gestehen oder verschwinden lassen, erzählt Mariana Leky in ihrem Roman.
    ›Was man von hier aus sehen kann‹ ist das Porträt eines Dorfes, in dem alles auf wundersame Weise zusammenhängt. Aber es ist vor allem ein Buch über die Liebe unter schwierigen Vorzeichen, Liebe, die scheinbar immer die ungünstigsten Bedingungen wählt. Für Luise zum Beispiel, Selmas Enkelin, gilt es viele tausend Kilometer zu überbrücken. Denn der Mann, den sie liebt, ist zum Buddhismus konvertiert und lebt in einem Kloster in Japan …

    Quelle: Vorablesen https://www.vorablesen.de/buec…n-von-hier-aus-sehen-kann

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    Das Okapi ist das komischte Tier der Welt...

    Eigentlich ein ganz normales Dorf. Wäre da nicht Selma. Selma, die Dame, die Okapis sehen kann. Im Traum. Eigentlich ja nichts Schlimmes. Und dennoch gerät dieses Dorf in Aufruhr - immer, wenn Selma ein Okapi gesehen hat. Der Grund dafür ist - immer, wenn Selma ein Okapi ist, dann stirbt jemand. Wer wird es wohl sein? Diese Frage stellen sich die Dorfbewohner immer wieder. Auch ihre Enkelin Louise hat Angst - nicht ohne Grund.
    Die Sprache der Autorin ist besonders - jeder Charakter hat Persönlichkeit. Der Optiker, die Enkelin und Selma selbst - sie alle sind nicht einfach nur flache Charaktere, die in einem Dorf leben und ein langweiliges Leben führen. Sie führen IHR Leben, sie lieben, sie leben. Und genau das drückt die Sprache aus. Sie lässt uns nachdenken, über uns selbst, über unsere Werte, schlicht und ergreifend, über unser Leben.


    Dies ist kein Buch, das man zuklappt, wenn man es gelesen hat, dies ist ein Buch, das auch später noch in den Gedanken bleibt. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:



  • Diesem Buch fünf Sterne zu geben ist eine himmelschreiende Untertreibung. "Was man von hier aus sehen kann" hat mich völlig umgehauen, beim Lesen war ich in einem andauernden Zustand der Faszination, der Begeisterung und des Mitgefühls. Auf jeder Seite habe ich aufs neue gestaunt über die so ungewöhnliche Sprache der Autorin - wo nimmt sie nur all diese Bilder her, die noch niemand benutzt hat, diese Gedanken, diese Stimmung? Es ist mir ein Rätsel und ich bin voller Bewunderung für dieses literarische Meisterwerk. Wenn es dafür nicht Preise regnet, weiß ich auch nicht, wie die Welt noch zu retten ist.
    Die Handlung des Romans ist schwer in Worte zu fassen. Es geht um Liebe, um Tod, um Familie, um das Leben. Doch Mariana Leky behandelt diese großen Themen auf eine ganz leise, unaufgeregte Art, völlig natürlich. Vieles in diesem Buch ist ungewöhnlich, manchmal verrückt, doch ist es nie kitschig oder übertrieben. Es reißt einen einfach nur mit, man weint, man hat Schmetterlinge im Bauch. Man möchte es nicht aus der Hand legen.
    Für mich ist es die perfekte Mischung aus grandioser Sprache und einfühlsamer Geschichte. In meinen Augen ein Meisterwerk und ich werde nicht ruhen, bevor es nicht jeder in meinem Bekanntenkreis gelesen hat.

  • Dieses Buch ist wie eine Wundertüte, voller geheimnisvoller Dinge und Überraschungen, mit denen niemand rechnet. Denn eigentlich erzählt es die Geschichten der Menschen eines kleinen Dorfes im Westerwald, das von außen betrachtet wohl eher öde und langweilig wirkt. Doch die Menschen und deren Leben sind alles andere als öde und langweilig. Da ist Selma, die Großmutter der Erzählerin Luise, die Rudi Carrell ungeheuer ähnlich sieht und gelegentlich von einem Okapi auf einer Wiese träumt, woraufhin innerhalb der nächsten 24 Stunden jemand stirbt. Der Optiker, der eine ganze Wohngemeinschaft von Stimmen in sich beherbergt und unsterblich in Selma verliebt ist, ihr es aber nie gesteht. Dafür schreibt er ihr Liebesbriefe, die aber immer nach spätestens dem zweiten Satz enden und die er nie abschickt. Elsbeth, die abergläubische Schwägerin von Selma, die gegen Alles ein Heilmittel weiß und hat: Gicht, ausbleibende Liebe und ausbleibenden Kindersegen, unausgebliebene Hämorrhoiden und quer liegende Kälber. Und natürlich Luise, die Ich-Erzählerin, die bereits ihr ganzes Leben zwischen und mit diesen und noch mehr Menschen verbringt und in diesem Buch davon berichtet.
    Nun könnte man meinen, was gibt es da schon groß zu berichten, aus einem kleinen Dorf im Westerwald, was vermutlich auch Luises Vater so sieht (sein Lieblingssatz: "Ihr müsst dringend mal ein bisschen mehr Welt hereinlassen."), denn er verschwindet eines Tages um zu reisen. Doch hier gibt es Alles, was es auch in der großen weiten Welt gibt: es wird gelebt, geliebt und gestorben, Glück und Drama, Freude und Leid. Und Mariana Leky lässt Luise so wunderbar liebevoll, heiter und bildhaft von dieser kleinen Welt in der großen erzählen, dass ich am liebsten sofort aufgebrochen wäre, um all diese Menschen kennenzulernen. Wunderschöne Sätze folgen einer nach dem andern und ich schwelgte so richtig in dieser herrlichen Sprache: "Er sah ihn (den Hund) nur selten, das vereinfachte die Liebe, denn Abwesende können sich nicht danebenbenehmen."; "Es schien, als habe er (der Hund) mehrere Leben, die er alle hintereinander weglebte, ohne zwischendurch zu sterben."; "Marlies' Tante hatte sich umgebracht, im Alter von 92 Jahren hatte sie sich in der Küche erhängt, wofür Marlies kein Verständnis hatte, denn mit 92, fand sie, lohne das Aufhängen ja kaum noch."
    Ein Buch über das Leben, die Liebe und den Tod - wunderschön!

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • "Wenn wir etwas anschauen, kann es aus unserer Sicht verschwinden, aber wenn wir nicht versuchen, es zu sehen, kann dieses etwas nicht verschwinden" (Auszug aus dem Buch)
    Ein kleines Dorf im Westerwald, immer wenn Selma in der Nacht von einem Okapi träumt, dann gab es innerhalb von 24 Stunden jemanden, der Tod war. In dieser Nacht hatte Selma wieder von einem Okapi geträumt und alle die Selma kannte überdachten jetzt ihr Leben und blieben zu Hause, aus Angst es würde was geschehen. Nur Selma nicht, den sie dachte, dass es einfach Zufall war, das jemand nach diesem Traum starb. Der Optiker besah sich seine Liebesbriefe, die er nie Selma gegeben hatte und überlegte sich, ob er Selma nun endlich alles gestehen sollte. Doch als nach Ablauf der Zeit nichts geschah, waren alle froh darüber, den keiner konnte ja ahnen, dass der Tod sich diesmal länger Zeit nahm. Auch konnte keiner ahnen, dass es jemanden treffen würde, bei dem man es nicht erwartet hätte. Dann gibt es noch Luise die Enkelin von Selma um die sie sich kümmert, weil ihre Eltern keine Zeit für sie haben. Luises Mutter lebt mit Antonio dem Eisverkäufer zusammen und ihr Vater tingelt in der Welt herum, weil er im Dorf nicht vergammeln wollte. Luise kümmert sich um Alaska den Hund, der schon sehr alt ist, liebevoll seit ihr Vater auf Reisen ist. So begeben wir uns auf Luises Zeitreise, in dem Leben, Tod, Freundschaft, Träume, Trauer und die Liebe eine große Rolle spielen.


    Meine Meinung:
    Ich musste mich am Anfang mit der etwas eigenwilligen Sprache der Autorin anfreunden, doch dann war es ein Buch, das mich immer mehr angesprochen hat. Der Schreibstil ist sehr gut, aber auch eigenwillig und anders, mit so viel Esprit das es mich manchmal sprachlos machte und mit so viel Witz das ich oft schmunzelnd über dem Buch saß. Die Autorin besitzt meiner Ansicht nach viel an Lebenserfahrung, das man so ein Buch schreiben kann. Die Menschen und der Ort in diesem Buch könnten im Grunde überall sein, den es spiegelt, das Leben, das jeder führen könnten. Luise und Selma sind mir am Ende richtig ans Herz gewachsen, weil man über die beiden am meisten erfährt. Auch hier in dieser Geschichte schlägt das Schicksal wie im wahren Leben erbarmungslos zu und man leidet und hofft mit Luise und ihren Freunden. Es handelt sich bei diesem Buch nicht um ein Kriminalfall, sondern es geht wahrlich um das Leben, Tod, Träume, Trauer, Freundschaft, Liebe und was daraus entsteht oder wie es gelebt wird. Genauso seltsam wie das Okapi, sind diese Menschen die uns in dieser Geschichte begegnen. Der Roman bei dem wir mehr die Welt hineinlassen, bekommt von mir 5 von 5 Sterne. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::applause::thumleft:

  • Lasst den Westerwald herein!


    Um es gleich vorweg zu sagen: Ich habe mein Buch des Jahres gefunden!
    Luise erzählt uns einen Teil ihres Lebens, der zugleich auch ein Teil ihres Dorfes im Westerwald ist - wobei dem Westerwald hier keine besondere Rolle zukommt.
    Die Erzählung beginnt, als Luise 10 Jahre alt ist. Ihre Großmutter Selma hat die Fähigkeit, den Tod vorher zu ahnen. Immer wenn sie von einem Okapi träumt, stirbt innerhalb des nächsten Tages jemand. Sobald der Traum die Runde macht wird das kleine Dorf hektisch, denn jeder (bis auf einen) fürchtet, dass er dieser Jemand sein könnte.
    Alleine diese Idee ist schon mehr als verrückt, doch es ist längst nicht der letzte grandiose Einfall, der einen zum schmunzeln bringt.
    Der Aufbau und die Ausarbeitung der Charaktere macht einfach nur Spaß! Ob es Selma ist, die aussieht wie ein Double von Rudi Carrell und ständig MonCheri nascht, Marlies, die sich immer mehr in ihre Hütte verkriecht, auf jedermann schlecht zu sprechen ist und an allem etwas auszusetzen hat, die "Dorfhexe" Elsbeth, die tagein tagaus die gleichen Pantoffel trägt und sie einfach tauscht, wenn sie einseitig abgelaufen sind, Martin, dem ständig eine übereifrige Haarsträhne zu Berge steht oder der herzensgute Optiker bis hin zu Alaska, dem Irish Wolfhound, den Luises Vater ihrer Mutter schenkt, der aber letztlich mehr bei Selma oder Luise ist als anderswo. Und das sind noch längst nicht alle Mitwirkenden in diesem Buch.
    Wer nun darauf hofft, dass sich in diesem Miteinander eine fortlaufende Handlung entwickelt, der hofft vergebens. Was m. E. nicht weiter schlimm ist, denn ich konnte sehr gut damit leben, mich einfach in dieses Dorf zu begeben und es in mein Herz zu lassen. Luise erzählt - erst aus der Zeit als sie 10 war, dann aus der als sie 22 war und zum Schluss aus der, als sie 32 war. Und in diesem Zeitraum ist festzustellen, dass das Dorfleben und die Menschen im großen und ganzen bleiben wie sie sind. Immer wieder tauchen Rückblicke auf, die die Menschen im Dorf verständlicher machen. Warum mancher ist wie er wurde.
    Der rote Faden ist in diesem Buch das Thema Liebe und Zugehörigkeit, aber auch der selbstbestimmte Lebensweg. In jeder Altersstufe widerfährt Luise Einschneidendes. Mal tritt der Tod in ihr Leben und ein anderes Mal der Buddhist Frederik, der in Japan in einem Kloster lebt. Dennoch ist es kein rührseliges Buch, geschweige denn ein Liebesroman. Es enthält eine ganze Reihe philosophischer Ansätze, jedoch ohne belehrend zu werden. Es gibt einfach Denkanstöße.


    Und es gibt wundervolle Sätze... Mariana Leky verwendet eine herrlich lebendige Sprache und dies so meisterlich, dass alleine das Lesen schon Spaß macht - egal worum es gerade geht.
    Zitat S. 52:
    "Ich beschloss, Martin später zu heiraten, weil ich fand, der Richtige sei der, der einem das Hinsehen erspart, wenn die Welt ihren Lauf nimmt."
    Dazu kommen Wortschöpfungen, die einen schmunzeln lassen, bei denen jedoch jeder sofort weiß, was die Autorin meint (Bsp: kranzschleifenschwarz). Das Ganze wird dazu noch mit einer guten Portion Humor serviert. Es gibt immer wieder Situationen, bei denen ich wirklich lachen musste. Oft sind es ganz banale Situationen wie die beim Einzelhändler, der Kaffee to go anbietet, aber nur kurz, weil niemand sein Angebot annimmt "Wo soll ich mit dem Kaffee denn hingehen?, hatte die Frau des verstorbenen Bürgermeisters gefragt."(S. 255) Keine dumme Frage in einem Dorf...
    Fazit:
    Alles zusammen ergibt einen meisterlichen Roman um das Leben und Lieben schlechthin. Nie oberflächlich sondern immer in einem nachhallend mit einer ausgeprägten Liebe zur Sprache. Mir werden sie fehlen, die Leute aus dem Westerwald!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Das Cover und auch den Titel fand ich zunächst nicht unbedingt ansprechend. Vielleicht auch deshalb, weil ich mir wenig darunter vorstellen konnte. Jetzt kann ich sagen, dass dieses Buch auch schwer zu beschreiben ist, lesen oder hören lohnt sich aber unbedingt!
    Die Hauptfigur ist Luise und die Geschichte beginnt, als sie in der Grundschule ist. Ihr Vater hat gerade eine Psychoanalyse begonnen, ihr bester Freund Martin wird von seinem Vater geschlagen und ihre Oma Selma hält mit dem Optiker die Welt im Lot. Mehr noch, Selma und der Optiker haben für Luise und Martin „die Welt erfunden“, zumindest das Stück Westerwald, das ihre Heimat ist.
    Als Selma eines nachts von einem Okapi träumt, verbreitet sich die Botschaft in Windeseile im Dorf. Denn wenn Selma von einem Okapi träumt, wird jemand sterben. Die Menschen bereiten sich vor, legen Geständnisse ab oder schreiben Briefe. Niemand weiß, wen es treffen wird und natürlich werde ich es an dieser Stelle nicht verraten.
    In diesen Vorbereitungen lernen wir das Dorf kennen: Der Optiker ist heimlich in Selma verliebt, Selma liebt aber ihren Mann Heinrich, der schon lange tot ist. Elsbeth, die ziemlich abergläubisch ist und für jede Situation die passende Bauernregel hat. Marlies, die mürrisch und griesgrämig ist, aber trotzdem nicht vermeiden kann, dass Luise sie besucht. Es gibt natürlich noch viele weitere Charaktere, alle liebevoll beschrieben und ausgearbeitet!
    Im zweiten Teil ist Luise eine junge Frau und hat eine Ausbildung zur Buchhändlerin begonnen. Sie verliebt sich und wir erleben mit, wie sich nicht nur Luise sondern auch die Menschen im Dorf verändert haben.
    Bis zum dritten Teil vergehen wieder einige Jahre, Luise ist nun eine erwachsene Frau und sollte ihr Leben fest im Griff haben. Es ist rührend, ihr beim Erwachsen werden zuzusehen und Freude und Schmerz mit ihr zu teilen!


    Der Schreibstil ist wundervoll das Buch ist voll mit wundervollen Zitaten. Die Autorin Mariana Leky geht einfach phantastisch mit Sprache um und erschafft eine Welt, die ich nicht verlassen wollte. Am Ende des Hörbuchs fühlte ich mich tatsächlich ein wenig so, als müsste ich von guten Freunden Abschied nehmen.

  • Die Autorin Mariana Leky geht einfach phantastisch mit Sprache um

    Das war eins der Dinge, die mich bei "Erste Hilfe" fasziniert haben.


    Das hier vorgestellte Buch habe ich mir vorgestern aus der Bücherei mitgebracht.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Hm... irgendwie kann ich die ganzen positiven Bewertungen nicht ganz nachvollziehen. Gut, dass Geschmäcker auseinander gehen dürfen.


    Der Schreibstil ist außergewöhnlich und sehr gefühlvoll. Aber die Geschichte hat meiner Meinung nach kaum eine Handlung. Es passiert zwar etwas, das schon... aber zum Teil einfach nur ohne jeden Zusammenhang.


    Auch die Protagonisten sind zwar liebevoll, aber dennoch eher oberflächlich gestaltet.


    Ich hatte eher das Gefühl, dass die Autorin in sozusagen jeder Handlung, dem Leser vor Augen halten will, dass man alles im Leben schätzen und respektieren sollte. Dass man jeden Moment genießen und jede Chance etwas zu ändern, auch nutzen sollte, um das Beste aus seinem Leben herauszuholen.
    Auch das man jeden Moment bewusst wahrnehmen sollte. - denn genau dieser Moment könnte der letzte sein. ...


    Betrachtet man den Inhalt aus dieser Sicht, ist es eine wirklich schöne Geschichte für zwischendurch.

  • Zitat von Lee-Lou

    Aber die Geschichte hat meiner Meinung nach kaum eine Handlung. Es passiert zwar etwas, das schon... aber zum Teil einfach nur ohne jeden Zusammenhang.

    Das ist für mich inzwischen meist ein Kriterium, das FÜR ein Buch spricht. Deshalb packe ich es auf meine Wunschliste.

  • Was man von hier aus sehen kann, Familienroman von Mariana Leky, 314 Seiten, erschienen im Dumont Verlag.
    Familienepos aus dem Westerwald.
    Luise ist die Protagonistin in dieser Geschichte. Zusammen mit ihrem Freund Martin besucht sie die Grundschule. Sie beschließt später Martin zu heiraten, weil sie findet er ist der Richtige nämlich der, der ihr „das Hinsehen erspart, wenn die Welt ihren Lauf nimmt“. Ihre Oma Selma ist eine besondere Frau, wenn diese von einem Okapi träumt dann stirbt jemand in ihrem Dorf, innerhalb der nächsten 24 Stunden. Jedoch weiß man nie wen dann das Schicksal ereilt. Eigentlich spricht Selma nicht gerne darüber, denn sobald die Bewohner des kleinen Westerwalddorfes von einem „Okapitraum“ erfahren, dann geht alles drunter und drüber, Geständnisse werden gemacht. Briefe werden geschrieben, aus dem Postsack wieder herausgefischt und alle haben Angst, dass es sie treffen könnte. Die Geschichte beginnt, als Selma mit einem „Hallöchen“ morgens die Küche betritt. Luise merkt sofort, dass etwas im Argen ist. Selma hatte einen ihrer ahnungsvollen Träume. Wen wird es diesmal treffen?
    Die Geschichte geschrieben in der Ich-Perspektive Luises, gliedert sich in 3 Teile, wobei der erste Teil hauptsächlich den aktuellen Traum und seine Konsequenzen schildert. Jedes der Kapitel hat eine Überschrift die auf den Inhalt eingeht. Ein emotionsgeladenes Werk in wunderschöner Sprache ist der Autorin hier gelungen. Folgender Satz hat sich mir besonders eingeprägt: „Keiner ist allein, solange er wir sagen kann“. Ein Roman voller interessanter tiefgründiger Personen, die so gut beschrieben sind, dass der Leser sie geradezu vor sich sieht. Selma z.B. hat Ähnlichkeit mit Rudi Carell. Faszinierend fand ich auch den Kartoffelbrei der die unentschlossene Farbe von Marlies Unterhose hat. Die Personen im vorliegenden Roman haben irgendwie alle „ein Rad ab.“ Meine Lieblingsfigur neben Selma, war natürlich der Optiker, ein wahrer Freund und Helfer in allen Lebens- und Notlagen, der seit vielen Jahren Selma liebt und nie geschafft hat, es ihr zu gestehen. Witzig fand ich die vielfältigen Anfänge seiner Liebesbriefe. Er und Luises Oma sind die richtige, echte Familie für die beiden Kinder. Martin wird von seinem Vater geschlagen und auch Luises Eltern sind ein „Totalausfall“. Dazu die esoterische Elsbeth, Selmas Schwägerin, die immer einen abergläubischen Tipp für alle Lebenslagen parat hält, oder Palm mit seinen „Bibelzitaten“ und der buddhistische Mönch Frederik so ist jeder Charakter für sich spannend und einzigartig, ja etwas Besonderes. Nur eines gefällt mir am vorliegenden Roman nicht – es fehlt eine richtige, spannende Handlung. Es plätschert ein wenig dahin mir fehlte auch am Schluss ein zufriedenstellendes Ende.
    Trotzdem eine Empfehlung für die Leser, die skurrile Familiengeschichten mögen, bei denen es auch gerne etwas übersinnlich zugehen darf. Für alle die gerne „ein bisschen Welt hereinlassen“ wollen. Dazu von mir verdiente 4 Sterne.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study::musik::montag:


    Und wenn mir alle Königskronen für meine Bücher und meine Freude am Lesen angeboten wären: Ich würde sie ausschlagen.
    François Fénelon

  • Aber die Geschichte hat meiner Meinung nach kaum eine Handlung. Es passiert zwar etwas, das schon... aber zum Teil einfach nur ohne jeden Zusammenhang.

    Es gibt einige Bücher, die mir einfallen bei denen mich genau das stört. Aber nicht hier. Ich habe tatsächlich überlegt, warum mich dieses Buch so begeistert, während mich ähnliche Romane einfach nur langweilen. Vermutlich liegt es am Stil, aber auch an dem Blick für Details, denn ich finde die Einblicke in den Alltag wirklich interessant und nicht belanglos...


    Trotzdem gut, dass es verschiedene Geschmäcker gibt ;)

  • Was für ein wunderschönes Buch! :pray:
    Es hat mir großen Spaß gemacht, das muntere, oft skurrile, immer aber liebevolle und warmherzige Miteinander dieser Dorfgemeinschaft um Luise, Selma und den Optiker zu verfolgen. Da stört es nicht im geringsten, dass im landläufigen Sinn nicht viel passiert, im Gegenteil. Das was passiert, hat mich auf eine so zauberhafte Art umgehauen und in die Geschichte hineingezogen, dass es sich nur schwer beschreiben lässt. Und dann die Sprache: bildhaft, pointiert, witzig, melancholisch, tröstlich, nie banal, nie oberflächlich, immer auf den Punkt genau. Einfach zum Dahinschmelzen. Ich habe mein Wohlfühlbuch des Jahres gefunden! :love:

    :montag: Judith Hermann - Daheim


    "Sehnsucht nach Liebe ist die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam."
    (Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen)


  • DER WESTERWALD UND DIE WEITE WELT UND UMGEKEHRT
    Auf dieses Buch habe ich mich sehr gern eingelassen, obwohl es mir anfangs irgendwie abwegig vorkam, dass eine ältere Frau im Westerwald ausgerechnet von einem Okapi träumt. Aber gerade aus dieser Konstellation bezieht die Autorin den Fortgang der Geschichte. So abstrus es mir anfänglich erschien, so selbstverständlich trug mich der Okapi-Traum-Mythos durch den ganzen Roman. Ich lernte die einzigartigen Charaktere des Dorfes kennen, z. B. ihren besonderen Umgang mit der Vorsehung, mit der Möglichkeit nach Selmas Traum nur noch 24 Stunden am Leben zu sein. In kürzester Zeit waren sie mir vertraut, der schrullige Optiker (der erst im dritten Teil einen Namen bekommt), die skurrile, abergläubische Elsbeth, die traurige Marlis, die eigentlich nur ständig schlecht gelaunt ist, und viele andere mehr. Verschrobene Charaktere sind das, wie man sie nur selten in so einer Ansammlung in einem Roman wiederfindet.
    Die Autorin schafft eine greifbare und dichte Atmosphäre mit ihren besonderen Personen. Ich wollte einfach immer nur weiterlesen und wissen, wie es weitergeht.
    Aus der Ich –Perspektive berichtet Luise von ihrer Welt, von ihrem Kosmos, der im wesentlichen aus dem kleinen Dorf im Westerwald besteht. Die Erzählung beginnt aus ihrer Sicht im Alter von 10 Jahren und endet mit Anfang 30. Der Roman ist in drei Teile gegliedert und die Kapitel haben kurze, prägnante Überschriften. Die Großmutter Selma ist für Luise der Dreh- und Angelpunkt das ganze Leben lang. Sie ist eine Erscheinung, die man sich sofort vorstellen kann, da sie Rudi Carrell ähnlich sehen soll. Selma philosophiert, reflektiert, hat scheinbar alles im Griff. Für mich stellt sie den Mittelpunkt im Roman dar.
    Die kleine Gemeinde im Westerwald ist ein Abbild dessen, was uns umgibt. Das Große im Kleinen und umgekehrt!
    Mariana Leky überhöht mit der Darstellung ihrer Charaktere durch deren Skurrilität, durch ihre Eigenarten. Mir brachte sie dadurch die Personen nahe. Es gab einige Sätze, die mich besonders anrührten.
    S. 52 „Ich beschloss, Martin später zu heiraten, weil ich fand der Richtige sei der, der einem das Hinsehen erspart, wenn die Welt ihren Lauf nimmt.“ (Luise als 10 jährige)
    S. 235 „Wer ein Fledermausherz isst, dem tut nichts mehr weh.“ (die abergläubische Elsbeth zur verliebten Luise, um ihr zu helfen)
    S. 272 „Danke, dass du mir am Ende so viele Anfänge bringst, ...und danke, dass du es mir das ganze Leben lang nicht gesagt hast.“ (Selma zum Optiker, der ihr seine unzähligen, angefangenen Liebesbriefe ans Sterbebett bringt)


    Das Ende war für mich zunächst mit vielen Fragezeichen behaftet. Doch nach längerem Überlegen kam es mir dann plausibel vor. Luise wollte in die weite Welt hinaus, weil ihr das Umfeld zu klein und zu eng geworden war. Ihre Großmutter lebte nicht mehr und zwischen ihr und Frederik war durch die Masse an Briefen in all den Jahren alles gesagt. Ein offener Schluß!
    Eine wirklich schön und wortgewandt erzählte Geschichte, die mir im Ergebnis sehr vertraut vorkam. Sie ist voller Metaphern, Gleichnissen und philosophischer Gedanken.


    Für mich ein weiteres Lesehighlight 2017! Meine 100%ige Lese- und Kaufempfehlung! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: