Mariana Leky - Was man von hier aus sehen kann

  • Das Buch hat den Preis "Lieblingsbuch der Unabhängigen Buchhändler" bekommen. Nachzulesen z.B. hier und hier. Dass die Autorin während der Frankfurter Buchmesse auf dem Blauen Sofa interviewt wurde, habe ich auch von meiner Buchhändlerin erfahren, die im Publikum saß.


    Warum das Buch so erfolgreich ist, darüber kann man nur spekulieren: Vielleicht, weil die Zeit einfach reif ist für ein Buch mit einer positiven Grundstimmung, mit liebenswerten Figuren, die einander zugetan sind, mit Problemen, deren Alltäglichkeit keinem Leser fremd ist. Im Interview spricht die Autorin von der Geborgenheit, die Menschen einander geben, ein Thema, das schon in "Erste Hilfe" im Mittelpunkt steht.


    Auch mich hat das Buch bezaubert. Nicht unerwartet, weil ich die Schreibe der Autorin kannte. Lekys Bücher sind gegenwärtig der beste Beweis, dass eine Erzählung weniger von einer Handlung als von Personen getragen wird.


    Dass jemand stirbt, wenn Selma von einem Okapi träumt, ist klar. Ich betrachtete mir alle Figuren, die in Frage kommen könnten

    und war schockiert.


    Das Buch empfehle ich ganz laut. Auch wenn es schon ein Bestseller ist :thumleft::applause::thumleft:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • In unserer Zeitung wurde es auch vorletzte Woche besprochen und die Kritikerin schrieb in etwa "Wenn man es zu Ende gelesen hat möchte man am liebsten gleich wieder von vorne anfangen". So in etwa ging es mir und es ist seit langem das erste Buch, das ich nicht abgeben sondern ins Regal stellen werde. :applause:

  • Ich muss zugeben dass ich von der beschriebenen Handlung auf dem Buchrücken zunächst nicht so wirklich begeistert war. Eigentlich habe ich das Buch auch nur deswegen ausgeliehen weil es hier im BT in letzter Zeit so oft erwähnt wurde dass ich mir dachte ich könnte es ja doch einmal lesen. Und ich wurde nicht enttäuscht, auch wenn ich ein wenig hin und her überlegen musste wieviele Sterne ich nun genau vergebe. Am Ende sinds aber doch 5 geworden. :)
    Die Charaktere sind einfach alle so speziell und liebevoll beschrieben, das gefiel mir besonders. Die Sprache ist ein wenig gewöhnungsbedürftig am Anfang, aber man gewöhnt sich daran und irgendwie passt es ja auch zu diesem Dorf das irgendwie ein wenig verzaubert wirkt.


    Beim Ende allerdings bin ich mir nicht sicher ob es wirklich positiv ist.


    Fazit: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "I'm one with the force, the force is with me..." - Chirrut Imwe (Star Wars: Rogue One)

    俺は、お前を裏切らない - Ich werde dich nicht verraten

  • Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes nicht gekauft hätte. Es hat mich da überhaupt nicht angesprochen. Nun habe ich es geliehen bekommen und der Buchbesitzer übergab es mir mit den Worten: "Ausprobieren und einlassen!"

    Nach den ersten Seiten war ich noch nicht so wirklich angetan. Der Schreibstil wirkte auf mich irgendwie unförmig. Mal abgehackt, mal übertrieben schnell und manchmal kam es bei mir konfus an.

    Und dann kam für mich die entscheidende Stelle schlechthin: Selma, der Optiker, Luise und Martin liegen vor dem Radio und der Optiker übersetzt Lieder aus dem Radio für die Kinder aus dem Englischens ins Deutsche. Das hat mich an eine Situation aus meiner Kindheit erinnert, als ich mit meinem Papa seine umfangreiche Kassettensammlung durchgehört haben. Und spätestens da hatte mich die Autorin dann gepackt. Diese kleine und für viele bestimmt unscheinbare Szene im Buch hat mir ein unheimlich warmes Gefühl gegeben - wie eine Decke oder ein paar warme Wollsocken. (By the way - hat vielleicht noch jemand versucht die übersetzten Titel zu erraten? Ich hab mich gekringelt dabei! :loool:)


    Mir hat gefallen wie alle Figuren miteinander in Beziehung stehen. Wie sie miteinander umgehen, miteinander reden. Ihre Eigenarten und Spleens - es ist für mich schlicht das Leben zwischen zwei Buchdeckel gepackt. Zweifel ob der eigenen Ehe, unerfüllte Liebe, der Tod von nahen Angehörigen, neue Liebe, Krankheit, Tod. Alles, was das Leben ausmacht. Geschrieben in einer ganz charmanten Art, nicht nur mit Liebe sondern auch mit der richtigen Portion Humor.

    Auch von mir gibt es dafür :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:.

  • So, jetzt möchte ich auch noch kurz meinen Senf abgeben zu diesem wundervollen Buch. Über den Inhalt wurde genügend erzählt, aber hier noch ein paar kurze Informationen zur Autorin:

    Zitat von Amazon

    Mariana Leky wurde 1973 in Köln geboren und lebt heute in Berlin. Sie studierte nach einer Buchhandelslehre Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Im DuMont Buchverlag erschienen der Erzählungsband ›Liebesperlen‹ (DuMont Taschenbuch 2010) sowie die Romane ›Erste Hilfe‹ (2004) und ›Die Herrenausstatterin‹ (2010). Zuletzt erschien ›Bis der Arzt kommt. Geschichten aus der Sprechstunde‹ (DuMont Taschenbuch 2013).

    Mit ihren ersten Erzählungen gewann sie den Allegra Preis 2000. Für den 2001 bei DuMont erschienenen Erzählband ›Liebesperlen‹ wurde sie mit dem Niedersächsischen Literaturförderpreis und dem Stipendium des Landes Bayern ausgezeichnet. 2005 wurde sie für ihren Roman ›Erste Hilfe‹ mit dem Förderpreis für junge Künstler in der Sparte Dichtung/Schriftstellerei des Landes NRW ausgezeichnet.


    Eigentlich findet sich alles, was ich sagen könnte, schon in den Rezensionen all meiner Vorgänger, und ich könnte einfach nur schreiben "wundervolles Buch". Das reicht mir aber nicht. Deshalb habe ich mir ein paar Zitate aus deren Rezensionen rausgepickt um so meine Meinung zu sagen. :wink:

    Auf jeder Seite habe ich aufs neue gestaunt über die so ungewöhnliche Sprache der Autorin - wo nimmt sie nur all diese Bilder her, die noch niemand benutzt hat, diese Gedanken, diese Stimmung?

    Das habe ich mich beim Lesen auch immer wieder gefragt. Und gestaunt darüber, dass die Autorin es trotzdem schafft, die Geschichten dadurch nicht zu erschlagen. Ein Zuviel an Irgendetwas kann eine Erzählung ja auch absolut töten, aber hier nicht - hier sind es diese vielen bidlhaften Vergleiche, die einfach total Spaß machen beim Lesen. Auch ich hab oft genug laut gelacht oder still vor mich hin gegrinst :loool:


    Die Handlung des Romans ist schwer in Worte zu fassen. Es geht um Liebe, um Tod, um Familie, um das Leben. Doch Mariana Leky behandelt diese großen Themen auf eine ganz leise, unaufgeregte Art, völlig natürlich.

    Es gibt ja keine stringente Handlung - es sind Augenblicke, kurze Phasen aus drei Lebensabschnitten der Erzählerin. Und irgendwie kann man sowas kaum nacherzählen ohne zu viel zu verraten. Und packen kann man es auch nicht wirklich. Aber ich hab für mich gelernt, dass das für mich und meinen Lesegeschmack häufig ein Pluspunkt darstellt. Ich mag das einfach, auch wenn es eine Rezension oft erschwert. :)

    Dieses Buch ist wie eine Wundertüte, voller geheimnisvoller Dinge und Überraschungen, mit denen niemand rechnet. Denn eigentlich erzählt es die Geschichten der Menschen eines kleinen Dorfes im Westerwald, das von außen betrachtet wohl eher öde und langweilig wirkt. Doch die Menschen und deren Leben sind alles andere als öde und langweilig.

    Auf den Punkt gebracht mit der Wundertüte :applause:


    Nun könnte man meinen, was gibt es da schon groß zu berichten, aus einem kleinen Dorf im Westerwald, was vermutlich auch Luises Vater so sieht (sein Lieblingssatz: "Ihr müsst dringend mal ein bisschen mehr Welt hereinlassen."), denn er verschwindet eines Tages um zu reisen. Doch hier gibt es Alles, was es auch in der großen weiten Welt gibt: es wird gelebt, geliebt und gestorben, Glück und Drama, Freude und Leid.

    Was ja eigentlich völlig normal ist; nur denkt man nie drüber nach, dass ein kleines Dorf dasselbe Paket Leben umfasst wie eine Großstadt. Nur dass es oft sogar dichter ist, da sich in einem Dorf immer alle kennen - ob das nun gut oder nicht so gut ist.


    Das Cover und auch den Titel fand ich zunächst nicht unbedingt ansprechend. Vielleicht auch deshalb, weil ich mir wenig darunter vorstellen konnte. Jetzt kann ich sagen, dass dieses Buch auch schwer zu beschreiben ist, lesen oder hören lohnt sich aber unbedingt!

    Ohne die Begeisterung hier im BT hätte ich das Buch vermutlich auch nicht angerührt. Und wir beide hätten echt was verpasst, nicht wahr? :lol:


    Aber die Geschichte hat meiner Meinung nach kaum eine Handlung. Es passiert zwar etwas, das schon... aber zum Teil einfach nur ohne jeden Zusammenhang.

    Ist ja auch klar bei diesen Zeitsprüngen. Aber wie ich oben schon schrieb: ich mag das. Du leider nicht, weshalb Dir das Buch halt nicht so gut gefiel. Aber so sind wir Gott sei Dank nunmal, jeder mag was anderes. Das ist aber auch gut so, denn sonst wär es echt langweilig. :wink:


    Faszinierend fand ich auch den Kartoffelbrei der die unentschlossene Farbe von Marlies Unterhose hat.

    Da war mir mein Kopfkino doch ein wenig zuviel :-#


    Die Großmutter Selma ist für Luise der Dreh- und Angelpunkt das ganze Leben lang. Sie ist eine Erscheinung, die man sich sofort vorstellen kann, da sie Rudi Carrell ähnlich sehen soll. Selma philosophiert, reflektiert, hat scheinbar alles im Griff. Für mich stellt sie den Mittelpunkt im Roman dar.

    Bin ganz deiner Meinung - auch wenn Luise die Erzählerin ist, so ist Selma der Mittelpunkt aller Geschichten. Um sie dreht sich alles in der kleinen Welt des Dorfes, sie ist auch der Angelpunkt des Dorfes.


    Beim Ende allerdings bin ich mir nicht sicher ob es wirklich positiv ist.

    Diesen Gedankengang wie Du ihn im Spoiler beschreibst, hatte ich nun wieder gar nicht. Er ist nicht unschlüssig und durchaus möglich, aber gefühlt für mich nicht. Für mich geht Luise um wiederzukommen, zurückzukommen zu Frederik. :-k


    Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir das Buch aufgrund des Klappentextes nicht gekauft hätte. Es hat mich da überhaupt nicht angesprochen. Nun habe ich es geliehen bekommen und der Buchbesitzer übergab es mir mit den Worten: "Ausprobieren und einlassen!"

    Der Buchbesitzer hat es gut gemacht - anders kann man dieses Buch nicht weitergeben. Ein Versuch zu beschreiben kann doch nur irgendwie schief gehen.:wink:


    Und dann kam für mich die entscheidende Stelle schlechthin: Selma, der Optiker, Luise und Martin liegen vor dem Radio und der Optiker übersetzt Lieder aus dem Radio für die Kinder aus dem Englischens ins Deutsche. Das hat mich an eine Situation aus meiner Kindheit erinnert, als ich mit meinem Papa seine umfangreiche Kassettensammlung durchgehört haben. Und spätestens da hatte mich die Autorin dann gepackt. Diese kleine und für viele bestimmt unscheinbare Szene im Buch hat mir ein unheimlich warmes Gefühl gegeben - wie eine Decke oder ein paar warme Wollsocken. (By the way - hat vielleicht noch jemand versucht die übersetzten Titel zu erraten? Ich hab mich gekringelt dabei! :loool: )

    Klar hab ich versucht, die Titel zu erraten :loool: Und ja: ich lag als Kind auch da und hab versucht, mir die Titel zu übersetzen. Das Ergebnis? naja, mal mehr, mal weniger korrekt :totlach: Aber eine wunderbare Szene im Buch, die auch schön die Beziehung zwischen den Vieren einfängt.


    Jetzt hab ich versucht, ein wenig meine Eindrücke einzufangen, aber ich kann es auch nur wie der Buchbesitzer weiter oben sagen: Anfangen und darauf einlassen - es ist ein wunderschönes Buch, dass sich irgendwie doch jeder näheren Beschreibung entzieht. Eine Wundertüte eben. :D

  • ...

    In Luises Dorf sind Gegenstände belebt, Kobolde hocken als Aufsitzer den Menschen im Nacken und ein ganzer Chor entmutigender innerer Stimmen hält den Optiker in der Spur. Als Kind konnte Luise noch nicht erkennen, wie glücklich sie Selma und den Optiker nur durch ihr Dasein gemacht hat. Ihr und Martin haben die beiden Senioren eine Kindheit wie aus dem Bilderbuch bereitet, die für die Leser des Romans die Abwesenheit der Eltern umso deutlicher macht. Selma und der Optiker haben besonders das Sprachgefühl der Kinder gefördert. Sprache kann die gewohnte Richtung von Gedanken ändern und so Veränderungen anstoßen. Beim Nachsinnen über Luises exzentrische Sicht auf die Welt muss man seine Einschätzung der Personen mehrfach neu justieren und kann sich beim Denken in eingefahrenen Bahnen ertappen.


    Fazit

    Neben den anrührenden Schicksalen hebt die originelle, bildhafte Sprache Mariana Lekys Roman aus der Masse an Kindheits- und Coming-of-Age-Geschichten heraus. Falls Sie in diesem Jahr nur ein Buch lesen wollen – lesen Sie dieses.


    Zitat

    Ich dachte, dass man Abenteuertauglichkeit womöglich nicht beurteilen kann, wenn man sich zu lange kennt, dass sie verlässlich nur von jemandem eingeschätzt werden kann, der zufällig durchs Unterholz gebrochen kommt. Ich dachte, während ich der Tür beim Geschlossenwerden zusah daran, dass Frederik gesagt hatte, er habe sich für diesen Weg entschieden, und ich dachte, dass ich mich noch nie für etwas entschieden hatte, dass mir alles immer eher widerfuhr, ich dachte, dass ich zu nichts wirklich Ja gesagt hatte, sondern immer nur nicht Nein. Ich dachte, dass man sich von aufgeplusterten Abschieden nicht ins Bockshorn jagen lassen darf, dass man ihnen sehr wohl von der Schippe springen kann, denn solange keiner stirbt, ist jeder Abschied verhandelbar.“ (S. 138)


    (14.7.2017)


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Um Himmels Willen - wer macht sich denn solche Vorsätze! Wohl kaum ein Leser in diesem Forum :wink:

    Minimalismus - Mein Haus - Meine Alexa - mein Buch ... :winken:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Was für ein herrliches, aussergewöhnliches, tolles Buch :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: (:bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:........)


    Hier wurde ja schon soviel geschrieben, deshalb erlaube ich mir ein paar meiner Vorposter zu zitieren, die schon das geschrieben habe, was ich jetzt schreiben wollen würde:


    umbra

    Dies ist kein Buch, das man zuklappt, wenn man es gelesen hat, dies ist ein Buch, das auch später noch in den Gedanken bleibt.


    Joodie

    Diesem Buch fünf Sterne zu geben ist eine himmelschreiende Untertreibung.

    Auf jeder Seite habe ich aufs neue gestaunt über die so ungewöhnliche Sprache der Autorin - wo nimmt sie nur all diese Bilder her, die noch niemand benutzt hat, diese Gedanken, diese Stimmung? Es ist mir ein Rätsel und ich bin voller Bewunderung für dieses literarische Meisterwerk.


    claudi-1963

    Der Schreibstil ist sehr gut, aber auch eigenwillig und anders, mit so viel Esprit das es mich manchmal sprachlos machte und mit so viel Witz das ich oft schmunzelnd über dem Buch saß.

    Diamondgirl

    Um es gleich vorweg zu sagen: Ich habe mein Buch des Jahres gefunden!

    Alles zusammen ergibt einen meisterlichen Roman um das Leben und Lieben schlechthin. Nie oberflächlich sondern immer in einem nachhallend mit einer ausgeprägten Liebe zur Sprache. Mir werden sie fehlen, die Leute aus dem Westerwald!

    "Wenn man es zu Ende gelesen hat möchte man am liebsten gleich wieder von vorne anfangen".


    Thaliomee

    Der Schreibstil ist wundervoll das Buch ist voll mit wundervollen Zitaten. Die Autorin Mariana Leky geht einfach phantastisch mit Sprache um und erschafft eine Welt, die ich nicht verlassen wollte.

    Vermutlich liegt es am Stil, aber auch an dem Blick für Details, denn ich finde die Einblicke in den Alltag wirklich interessant und nicht belanglos...


    hennie

    „Danke, dass du mir am Ende so viele Anfänge bringst, ...und danke, dass du es mir das ganze Leben lang nicht gesagt hast.“

    Eine wirklich schön und wortgewandt erzählte Geschichte, die mir im Ergebnis sehr vertraut vorkam. Sie ist voller Metaphern, Gleichnissen und philosophischer Gedanken.


    Amalaswintha

    Mir hat gefallen wie alle Figuren miteinander in Beziehung stehen. Wie sie miteinander umgehen, miteinander reden. Ihre Eigenarten und Spleens - es ist für mich schlicht das Leben zwischen zwei Buchdeckel gepackt.



    Ich habe mich vor Lachen gekugelt, Formulierungen auf der Zunge zergehen lassen, bin Satzperlen nachgeschwommen, habe rollende Tränen geweint.

    Ich bin unglaublich traurig, dass ich jetzt keinen Einblick mehr in das Leben von Selma, Heinrich, Luise, den Optiker, Elsbeth, Alaska, Vater und Mutter, Frederik, Martin, Palm, dem Einzelhändler und Marlies haben kann und fühle mich jetzt irgendwie alleine zurückgelassen... Ich will weiterlesen... ich möchte, dass die Figuren in meinem inneren Kopfkino weiterhandeln... was für ein faszinierendes, grossartiges Buch!


    Grüsse

    mosaique

    "Baumhaus ist, wenn man die Leiter hochzieht, Bauchschmerzen kriegt vom Kirschenessen, Vogeldreck im Haar trägt und trotzdem nie wieder runterkommen will." (Juli Zeh in Corpus Delicti)

  • Ja so ging es mir auch sehr oft bei dem Buch.

  • ### Inhalt ###
    Louise lebt in einem kleinen Dorf zwischen Feldern und Wäldern. Sie ist die Ich-Erzählerin der Geschichte. Sie ist die Enkelin von Selma. Selma hat eine besondere Fähigkeit. Jedesmal, wenn sie von einem Okapi träumt, stirbt jemand innerhalb der nächsten 24 Stunden im Dorf. Als Leser verfolgen wir das Alltägliche Leben der Dorfgemeinschaft. Die Erzählung umspannt das Leben Louises zwischen ihrem 8. und 30. Lebensjahr. Einige Menschen sterben in dieser Zeit, ein neuer kommt sogar hinzu. Alles in allem ist das Leben im Dorf sehr beschaulich. Louise erzählt vom Alltag der Menschen, der von Zusammenhalt und Liebe geprägt ist, aber auch von Geheimniskrämerei und Verstocktheit. Sie erzählt von Selma, ihrer Großmutter, von ihrem Vater und ihrer Mutter, die sich getrennt haben, es aber nicht aussprechen. Sie erzählt vom Optiker, der heimlich in Selma verliebt ist, von Marlies, die am Ende des Dorfes lebt und mit ihrer Grimmigkeit Einbrecher vom Hineinziehen in das Dorf hindert. Letzteres denkt zumindest Martin, ihr Jugendfreund, von dem sie natürlich auch erzählt. Und schließlich ist da noch Frederik, ein Zen-Buddhist, der eines Tages wie aus dem Nichts mit einer Gruppe Mönche auftaucht und ihr bei der Suche nach dem ausgebüchsten Alaska, dem Hund von Louises Vater, hilft und in den sich Louise auf Anhieb verliebt.


    ### Meinung ###
    Man denkt jetzt vielleicht, hm, eine Dorfgeschichte, die ziellos vor sich hinplätschert. Im Endeffekt ist es das auch. Leky ist jedoch sehr gut darin, das Alltägliche mit aberwitziger Situationskomik und den Irrungen und Wirrungen ihrer Protagonisten zu bereichern. Dass ausgerechnet ein buddhistischer Zen-Mönch irgendwann die Szene betritt entspricht dem immer wiederkehrenden Motiv Widersprüchliches zusammenzubringen, für das das Okapi selbst das beste Beispiel ist, ein Tier, das scheinbar aus verschiedenen Tieren zusammengesetzt ist und dass es von daher gar nicht geben dürfte. Der Optiker spielt mit Louise und Martin immer wieder ein Spiel, bei dem man eine gemeinsame Eigenschaft zweier völlig unterschiedlicher Dinge finden muss und am Ende sagt der Optiker über den verwirrten Zen-Buddhist Frederik, der einerseits seinen eingeschlagenen Lebensweg Mönch zu sein, ernst nimmt, andererseits aber auch in Louise verliebt ist, sinngemäß: "Lass ihn die die Wohnung sauber machen. Vielleicht kann er ja hinterher Dinge zusammen denken die nicht zusammengehören." Und so ist das Leben der Protagonisten ein andauernder Versuch, Sinn in das scheinbar Sinnlose zu bringen, den Tod geliebter Menschen, die Trennung zweier Menschen, die Liebe völlig entgegengesetzter Menschen. Teilweise ist die Geschichte etwas kitschig, da lässt sich Louise drei Tage auf dem Rücken von Selma wie ein kleines Klammeräffchen durch die Gegend tragen, weil Louise trauert. Da fallen immer Gegenstände von der Wand, wenn Louise andere belügt, indem sie behauptet, sie würde Frederik nicht mehr lieben. Aber das sind Sachen, die man verzeihen kann, denn insgesamt ist die Geschichte trotz der Alltäglichkeit eine schöne Mischung aus Situationskomik und Lebensweisheit.


    ### Fazit ###
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:


    Eine Familie auf dem Dorf, die Widersprüche und das Ungewisse des Lebens, und wie man trotzdem damit fertig werden kann: Mit Liebe, Galgenhumor und dem Versuch auch Widersprüchliches zusammenzubringen.

    Der ideale Tag wird nie kommen. Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen. -- Horaz


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  • Hm... irgendwie kann ich die ganzen positiven Bewertungen nicht ganz nachvollziehen. Gut, dass Geschmäcker auseinander gehen dürfen.

    Ich bin jetzt bei der Hälftr und höre auf, es ist das langweiligste Buch dieses Jahres, was ihr alle daran so toll findet kann ich nicht nachvollziehen

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Ich muss gestehen, es hat ein wenig gedauert bis ich hineingefunden habe in die Geschichte. Aber ich habe mir Zeit gelassen und es hat etwas länger gedauert als z.B. bei "Der Wal und das Ende der Welt" von John Ironmonger oder "Marianengraben" von Jasmin Schreiber. Auch hier musste ich mich erst einfühlen. Und als ich mich dann den Schreibstil und die sehr skurrile Erzählweise gewöhnt hatte, wollte ich aber gar nicht mehr weg aus dem Dörfchen und der "Uhlheck" und den liebenswerten Charakteren. Ein Buch zum Lachen und zum Weinen. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Wie kann man sich sowas ausdenken? Ein buddistischer, hessischer Mönch? Ein Okapi als Todebote? Die ganze Marlies? Einfach toll.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Matthias Bogner / Kevin Zindler - Die besten Horrorfilme des 21. Jahrhunderts

    :study: SUB: 330

  • Anfangs fiel es mir sehr schwer in die Geschichte hineinzufinden. Ich war voller Ungeduld, dachte und dieses Buch ist so hochgelobt? Was finden alle nur daran ? Jetzt wurde es sogar verfilmt?

    Nach und nach hat mich die Geschichte dann aber doch in seinen Bann gezogen. Fast so als müsse ich erst mal runterkommen einen Gang zurückschalten, entschleunigen um den Zauber der Geschichte zu spüren. Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet und wachsen einem nach und nach ans Herz. Es ist kein spannendes Buch sondern ein Buch das humorvoll und ernst zugleich vom Leben mit all seinen Höhen und Tiefen erzählt. Ein ungewöhnliches und berührendes Buch.

    4 Sterne

  • Anfangs fiel es mir sehr schwer in die Geschichte hineinzufinden. Ich war voller Ungeduld, dachte und dieses Buch ist so hochgelobt? Was finden alle nur daran ? Jetzt wurde es sogar verfilmt?

    Nach und nach hat mich die Geschichte dann aber doch in seinen Bann gezogen. Fast so als müsse ich erst mal runterkommen einen Gang zurückschalten, entschleunigen um den Zauber der Geschichte zu spüren. Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet und wachsen einem nach und nach ans Herz. Es ist kein spannendes Buch sondern ein Buch das humorvoll und ernst zugleich vom Leben mit all seinen Höhen und Tiefen erzählt. Ein ungewöhnliches und berührendes Buch.

    4 Sterne

    Dem kann ich mich in vielerlei Hinsicht wirklich nur anschließen. Auch ich hatte zu Beginn so meine Schwierigkeiten und hatte mich schon fast damit abgefunden, dass dies wieder eins der Bücher ist, die alle so toll finden, mit denen nur ich irgendwie nicht richtig warm werde. Ich habe mir zwischenzeitlich wirklich mal die Frage gestellt, ob es sich die Autorin einfach nur zur Aufgabe gemacht hat, ein Buch zu schreiben, in dem ein Okapi vorkommt, oder ob es um eine Wette ging. Zu meinem Glück hat sich das dann aber geändert. Die Charaktere haben so ihren ganz eigenen, teils doch recht spröden Charme, dem man sich kaum entziehen kann.

    Allerdings muss ich auch sagen, dass es eben doch den ein oder anderen Punkt gibt, der mich stört. Diese Liebe wie vom Blitz getroffen ist mir dann doch zu roman- und wenig glaubhaft. Das hat mir das Buch ein wenig verleidet. Aber es gibt trotzdem :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: , weil die auftretenden Personen einfach so liebenswert sind, dass ich gar nicht anders kann...

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde