Andrzej Sapkowski - Zeit des Sturms / Sezon burz

  • Inhalt
    Das Königreich Kerack wird von Kämpfen um den Thron erschüttert. Auf der Suche nach Arbeit reist der Hexer Geralt von Riva dorthin und wird kurz nach seiner Ankunft verhaftet. Die Zauberin Koralle will ihn so zwingen, den Auftrag einer Gruppe von Zauberern anzunehmen. Er soll einen Dämon finden, der in Menschengestalt blutige Massaker verübt. Mit Unterstützung des Barden Rittersporn wieder frei, beginnt Geralt eine erotische Affaire mit Koralle und nimmt den Auftrag an. Es stellt sich heraus, dass einer der Zauberer die Dämonengeschichte erfunden und selbst die Morde begangen hat, um sich Geralts zu bemächtigen, an dessen außergewöhnlichen Augen er ein obskures Interesse hat.


    Zeit des Sturms ist der zuletzt veröffentlichte Band von Sapkowskis Hexer-Geschichten. In der Chronologie ist die Geschichte allerdings vor den Ereignissen in Der Hexer aus Der letzte Wunsch einzuordnen. Ganz ohne Vorkenntnis der Figuren liest sich dieses Buch aber etwas schlecht, der deutsche Verlag fügt es daher zwischen Der letzte Wunsch und Das Schwert der Vorsehung ein. In dieser Reihenfolge habe ich die Bücher auch gelesen. Aber was ist schon Chronologie, im Polnischen sind die Geschichten eh in ganz anderer Reihenfolge erschienen als in Übersetzung.


    Der Klappentext gibt den Inhalt des Buches etwas verfälscht wieder. Tatsächlich geht es ungefähr so: Geralt kommen seine Schwerter abhanden. Geralt möchte seine Schwerter wieder haben. Um das zu erreichen, muss er ins Gefängnis gehen, aus dem Gefängnis rauskommen, Zauberinnen beschlafen, Aufträge anderer Art für andere Zauberer erledigen, Dämonen bekämpfen, Bötchen fahren, Füchse jagen, Hochzeiten besuchen (in Fantasy-Romanen nie eine gute Idee), viel durch die Gegend reiten, durch die Gegend laufen und viel reden. (Für einen schweigsamen Helden redet Geralt wirklich viel. Und wenn er nicht redet, reden die anderen.) Das alles findet schön episodisch hintereinander statt, wenn auch nicht zwangsläufig in dieser Reihenfolge. Wenn alle Hexer-Bücher so aufgebaut sind, kann ich gut verstehen, warum sie Vorlage für ein Computerspiel gedient haben.


    Das Genre der Sword & Scocery zeichnet sich nicht gerade durch Feinsinnigkeit aus, und auch Sapkowski schreibt recht derb. Furzwitze und weiterer Fäkalhumor treffen auf ethische Überlegungen von der Subtilität eines Holzhammers, die Frauen sind zwar nicht mehr halbnackt, aber dennoch ausgesprochen willig. Selbstverständlich wollen alle Geralt – ein besseres Beispiel für Fantasy als männliches Wish Fulfillment könnte es kaum geben. (Was freu ich mich auf die Serie! Wer sich bei Games of Thrones schon über zu viel nackte Haut und Sex beschwert, bekommt hier wahrscheinlich einen Herzinfarkt.) In dieser Geschichte geht leider auch der Bezug zu alten Märchen und Sagen etwas verloren. Es kommen zwar noch allerlei mythische Gestalten vor, sie huschen aber recht schnell durchs Bild und können kaum Wirkung entfalten.


    Bei aller Kritik, ich hatte Spaß mit dem Buch. Der häufige Mangel an Subtilität ist eher dem Genre geschuldet als Sapkowskis Talent; der Mann kann durchaus subtil sein, wenn er will und wenn es der Geschichte zuträglich ist. Vor allem aber mag ich Geralt. Er ist ein wenig pathetisch in seiner strotzenden Manneskraft, sein Schwanken zwischen Heldenhaftigkeit und Selbstablehnung wirkt aber zugleich sehr menschlich.


    Fazit: Kann man machen, die Kurzgeschichten aus Der letzte Wunsch haben mir aber besser gefallen. Immerhin kann ich mich jetzt, sobald (wenn/falls) die Netflix-Serie anläuft, vor den Fernseher setzen und meckern: „Das war in den Büchern aber alles ganz anders!“ :loool:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

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