Gay Talese - Der Voyeur / The Voyeur's Motel

  • "Der Voyeur" ist ein Sachbuch, ein Tatsachenbericht, über den Voyeur Gerald Foos. Dieser wendet sich an den Journalisten Gay Talese und erzählt ihm, dass er seit Jahrzehnten die Gäste seines eigens für voyeuristische Zwecke gekauften Motels, beobachtet. Beim Lesen des Klappentextes lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Unzählige Opfer wurden bei Gesprächen belauscht, beim Sex und beim Toilettengang beobachtet. Entdeckt wurde der Voyeur nie.


    Die New York Times beschreibt das Buch mit den Worten »"Ein außergewöhnliches, melancholisches, moralisch komplexes, oft beängstigendes und manchmal sehr komisches Buch, das einen vollkommen in seinen Bann zieht." Leider weiß ich beim besten Willen nicht, wie ich "moralisch komplex" deuten soll. Die Taten des Voyeurs sind eindeutig illegal und moralisch nicht vertretbar. Doch auch in anderen Punkten kann ich der Times leider nicht zustimmen. Das Buch ist in seiner Geschichte zwar außergewöhnlich, doch Melancholie konnte ich in der Sachlichkeit der Erzählweise (sowohl des Autors als auch des Voyeurs) nicht entdecken. Auch in den Bann ziehen konnte mich dieses Buch leider weniger, denn umso mehr ich las, desto stärker ließ das Interesse nach. Zu Beginn erfährt der Leser viel über das Leben des Voyeurs. Später wiederholt sich vieles. Klar, der Sex wird anders, ebenso die Gespräche der Gäste. Aber im Grunde genommen wird eben immer wieder geschildert, wie ein Mann seine Motelgäste bespannt. Welche Stellen die Times mit "manchmal sehr komisch" beschreibt, weiß ich genau. Doch ich konnte diese Stellen nicht als komisch empfinden. Einiges ekelte mich an (dabei nicht nur der Voyeur, sondern auch dessen Gäste), bei anderen Stellen fühlte ich mich aufgrund der Verletzung der Privatsphäre unwohl. Denn nichts anderes ist dieses Buch: Das Beobachten von echten Menschen, die sich dessen nicht bewusst sind. Das Buch macht den Leser zum Voyeur und ich fühlte mich nicht wohl damit.


    Der Schreibstil des Journalisten Gay Talese ist sehr sachlich und angenehm leicht zu lesen. Der Aufbau des Buches gefiel mir gut. Die Geschichte beginnt mit dem Brief, den Gerald Foos an Gay Talese schrieb. Später springt der Autor zwischen Gesprächen mit Foos, Aufzeichnungen des Voyeurs und eigenen Gedanken hin und her. Dies sorgt für Abwechslung.
    Auch die Bilder des Voyeurs, seines Motels, den Zimmern des Motels, seinen Ehefrauen, etc. empfand ich sehr interessant. Gesammelt sind die Bilder in der Mitte des Buches.


    Fazit: Leider konnte mich das Buch nicht überzeugen, was sicherlich damit zu tun hat, dass ich mich mit der Thematik nicht wohlfühlte. Ich hatte das Gefühl, als würde ich beim Lesen selbst in das Privatleben der beobachteten Menschen eindringen, was ich in gewisser Art und Weise auch tat. Die Beobachtungen des Voyeurs wiederholen sich häufig und die Veränderung des Sexlebens über die Jahrzehnte, überraschte mich nicht wirklich. Leider verlor das Buch für mich immer weiter an Spannung.