Markus Cremer - Archibald Leach und die Monstrositäten des Marquis de Mortemarte

  • Klappentext:
    Jeder exzentrische Held braucht eine starke Frau an seiner Seite ... mit geladenem Schusseisen und ohne Skrupel!
    Der eigensinnige Archibald Leach und die waffenvernarrte Tüftlerin Sarah Goldberg werden in die Machenschaften des skrupellosen Marquis de
    Mortemarte hineingezogen. Der Schurke verwendet Okkultismus, Voodookult und Ätherkraft, um die Welt mit seinen Monstrositäten ins Chaos zu
    stürzen. Mit Hilfe skurriler Verbündeter, dubioser Artefakte und Erfindungsgeist versuchen die Abenteurer den drohenden Krieg zu
    verhindern. Dabei führt ihr Weg sie über vier Kontinente und die eigenen Grenzen hinaus.


    Eigene Meinung:
    Markus Cremer hat in diesem Roman auf rund 580 Seiten einen sehr komplexen Plot geschaffen mit viel Liebe zum Detail, was sich nicht nur in zahlreichen steampunkigen Erfindungen zeigt, sondern auch dem historischen Hintergrund bis hin zu interessanten Begegnungen mit realen historischen Persönlichkeiten, die hier natürlich fiktionalisiert sind. Außerdem gibt es hier mehrere Geheimorganisationen, die jeweils ganz eigene Interessen verfolgen. Archibald Leach und Sarah Goldberg begegnen darüber hinaus auch einigen Luftschiff-Piraten.


    Der Roman besticht auch durch eine Vielzahl an detailliert ausgearbeiteten Nebenfiguren, die aus ganz unterschiedlichen Ländern und Kulturen stammen. Und auch andere Minderheiten sind vertreten, außerdem hat die Protagonistin ein Handicap – was ihr teilweise Probleme beschert, sie aber nicht daran hindert, sich als wahre Heldin zu erweisen.
    Eine Jahreszahl taucht übrigens nirgends auf, doch der amerikanische Bürgerkrieg wird erwähnt, welcher offensichtlich bereits einige Jahre zurück liegt.


    Der Stil des Autors ist trotz der Komplexität und der Detail-Fülle flüssig zu lesen, außerdem sind die einzelnen Kapitel angenehm kurz. Jedes Kapitel wird eingeleitet von einem kurzen „Vorwort“ von Sarah Goldberg, aus deren Sicht die Handlung größtenteils erzählt wird. Diese Vorworte dienen dazu, die Handlung zu kommentieren, einiges daraus zusammenzufassen und man erhält hier zusätzlich zum eigentlichen Text einen weiteren Einblick in Sarahs Gedanken- und Gefühlswelt. Darüber hinaus werden einige Kapitel aus der Sicht des Antagonisten geschildert.


    Der Roman erinnert an klassische Abenteuergeschichten, die um ein okkult-übernatürliches Element bereichert werden. Wer da an Indiana Jones denkt, liegt nicht falsch – auch das Buchcover-Motiv von Illustrator Martin Schlierkamp scheint von einem der entsprechenden Filmplakate ein wenig inspiriert zu sein. Allerdings ist der Held Archibald Leach ein ganz eigener Charakter, der zum einen exzentrische Ansichten pflegt, zum anderen häufig etwas „verplant“ wirkt. Da macht das Motto des Romans Sinn: „Jeder exzentrische Held braucht eine starke Frau an seiner Seite … mit geladenem Schusseisen und ohne Skrupel“. Denn Sarah Goldberg ist tatsächlich eine pragmatische, starke Ergänzung für Leach, die sehr praktisch denkt.
    Die Freundschaft der beiden wird vom Autor mit einem feinen Humor gezeichnet, und man darf sich fragen, ob sie eigentlich noch mehr verbindet als der gemeinsame Kampf gegen die Monstrositäten des Marquis…


    Den Roman kann man als in sich abgeschlossen lesen, allerdings wird auch deutlich, dass hier eine Fortsetzung geplant ist, an der Markus Cremer bereits arbeitet.


    Bisherige Abenteuer von Archibald Leach und Sarah Goldberg sind als Kurzgeschichten in mehreren Steampunk-Anthologien zu finden (eine genaue Auflistung findet man im Buch). Es ist aber zum Verständnis des Romans nicht notwendig, alle diese Kurzgeschichten zu kennen.


    Das Vorwort zum Roman befasst sich mit einem anderen Charakter: Katharina Fiona Bode hat hier etwas über ihren Helden Erasmus Emmerich geschrieben, natürlich mit direktem Bezug zum Roman, so wie Markus Cremer wiederum für ihren Roman „Erasmus Emmerich und die Maskerade der Madame Mallarmé“ ein Vorwort mit Szenen um Archibald Leach verfasst hat. Also kann man hier von einem „Shared universe“ sprechen. Am Rande sei noch erwähnt: Wem der Name Archibald Leach bekannt vorkommt – so heißt auch einer der Hauptcharaktere in der britischen Komödie „Ein Fisch namens Wanda“ aus dem Jahr 1988.


    Mein Fazit: Ein detailverliebter, komplexer Steampunk-Roman mit vielfältigen, sympathischen, teilweise auch etwas skurrilen Charakteren, die allerhand turbulente und bisweilen unheimliche Abenteuer erleben. Bitte mehr davon!

  • Hallo,


    schöne Rezension. Das hört sich richtig spannend an und macht mich sehr neugierig.
    Kommt auf jedenfall mal auf meine Wunschliste. :)

    Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen. Erwachsenen, damit sie aufwachen. - Jorge Bucay

  • Vor dieser Rezi habe ich mich jetzt ein paar Monate gedrückt. Die Handlung an sich hat mir gefallen, ich fand die Figuren originell und mir gefiel, wie reale Personen und fiktive Charaktere (Karl May und Hadschi Halef Omar zum Beispiel) in die Ereignisse eingebunden wurden. Sogar die Beweggründe des Antagonisten waren mir sympathisch. Es gab einige kleinere Schwächen in der Handlung und auch den einen oder anderen Logikfehler, aber das alles war verzeichlich.


    Was mich jedoch maßlos ärgerte, war die schlampige Ausarbeitung des Textes. Ich spreche hier nicht von Rechtschreibfehlern, Wortdoppelungen oder ausgelassenen Wörtern. Ich spreche von massiven Fehlern, die passieren, wenn man Textpassagen überarbeitet, ohne diese an den vorherigen Text anzupassen. Da konnte es passieren, dass sie zwei Personen über eine Sache unterhielten und übergangslos über etwas gänzlich anderes sprachen. Dass die Figuren auf einmal etwas anderes taten als noch im Satz davor. Das Ereignisse nicht zueinanderpassten. Diese Mängel traten vor allem im vorderen Drittel auf, hier jedoch so geballt, dass ich stellenweise Mühe hatte, der Handlung zu folgen, weil ich nicht mehr wusste, worum es überhaupt ging. Man merkte an einigen Stellen, dass hier Absätze neu geschrieben, eingefügt oder überarbeitet worden waren. Es hätte dem Buch gut getan, wenn es jemand noch einmal aufmerksam von vorne bis hinten durchgelesen hätte, denn der Plot ist durchaus lesenswert und konnte mich trotz der ärgerlichen Fehler bis zum Schluss gut unterhalten. Die optische Gestaltung durch den art skript Verlag war zudem einmal mehr rundum gelungen.


    Die Geschichte hat nämlich alles, was ich mag: Steampunk, exzentrische Personen, starke Frauen, Menschen mit körperlichen Einschränkungen, für die es geniale technische Hilfsmittel gibt, Okkultismus und Magie. Zudem werden gesellschaftspolitische Themen angesprochen und wilde Abenteuer erlebt, so dass es auf den über 500 Seiten nicht langweilig wurde.

    Verführung Volljähriger zum Bücherkauf sollte nicht unter 5 Jahren Stadtbibliotheksmitgliedschaft bestraft werden!