Reiner Engelmann - Anschlag von rechts

  • Klappentext:

    Irgendwo in einer Kleinstadt mitten in Deutschland treffen sich drei Freunde auf ein Feierabendbier. In den sozialen Netzwerken haben sie sich schon an ausländerfeindlichen Pöbeleien beteiligt. Nun werden sie zu Verbrechern, denn wenige Stunden später werfen sie einen Molotowcocktail in eine Flüchtlingsunterkunft. Die Bewohner, darunter auch Kinder, entkommen nur knapp.


    Reiner Engelmann recherchiert die Hintergründe dieser schrecklichen Tat. Er analysiert die Beweggründe und er befragt die Opfer, die sich in Deutschland endlich sicher gefühlt hatten. Dabei wird deutlich: Rechtes Gedankengut und Fremdenfeindlichkeit sind in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen und viel zu lange unbeachtet geblieben.


    Meinung:

    Nach einem Vorwort, indem die wichtigen Infos gegeben werden (unter anderem auch, dass die Erzählungen auf wahrer Begebenheiten beruhen), folgen kurze Erzählungen von verschiedenen Personen, die aus verschiedenen Ländern fliehen wollen, da sie bedroht werden.


    Diesen Menschen ist es nicht mehr möglich, auf die Straße zu gehen ohne Angst haben zu müssen, denn ständig müssen diese befürchten, dass man sie tötet oder dass man als Frau vergewaltigt wird, und das aus reiner Willkür.


    Es werden Situationen geschildert, in denen sich diese Menschen befinden und wie sie versucht haben zu fliehen. Einige davon haben es geschafft, andere nicht.


    Jedenfalls wird deutlich, dass diese Menschen nicht ohne Grund fliehen und Schutz suchen. Sie wollen kein Geld, Reichtum oder sonstige Dinge. Sie wollen nur Sicherheit, die sie hoffen in einem anderen Land zu finden. Viele dieser Geflüchteten wollen irgendwann wieder in ihre Heimat zurück, in der sie evtl. sogar noch Familie haben, um die sie sich ständig sorgen.


    Alle Flüchtlinge, die es nach Deutschland geschafft haben, möchten sich anpassen, die Sprache und die Kultur (kennen-)lernen.


    Die Eltern, die mit ihren Kindern geflüchtet sind, freuen sich, dass ihre Kinder einen guten Anschluss im Kindergarten gefunden, die Sprache so schnell erlernt haben und vor allem, dass sie unbeschwert außerhalb des Hauses spielen und Spaß haben können. Sie sind oft zu Tränen gerührt, wenn sie ihre Kinder lachen sehen können und sich dadurch die Unbeschwertheit dieser manifestiert.


    Nach diesen Erzählungen, der als "erster Teil" zusammengefasst wird, wird der Tathergang beschrieben, der durch drei Freunde, die sich rechts einordnen lassen, ausgeführt wird.


    Die drei treffen sich, wie oft am Abend, trinken gemeinsam Alkohol und unterhalten sich. An diesem Abend des Anschlags diskutieren sie über die "Flüchtlingswelle" und sind ganz aufgebracht.


    Sie ärgern sich darüber, dass die Flüchtlinge durch die Steuergelder finanziert werden, obwohl diese ja nichts leisten. Sie kämen nur hierher, damit sie ein unbeschwertes Leben führen können.


    Die Tatsache, dass die große Mehrheit der Flüchtlinge geflohen ist, weil sie in ihrem eigenen Land nicht mehr in Ruhe leben können und ständig in "Hab-Acht-Stellung" sein müssen, blenden die drei Freunde komplett aus. Sie steigern sich enorm in die Diskussion rein, bis sie auf die Idee kommen, einen Molotowcocktail in eine Flüchtlingsunterkunft zu werfen, was sie kurze Zeit später auch machen.


    Nach diesem Akt, fliehen sie, können aber aufgrund von Zeugenaussagen ausgemacht werden und werden daraufhin sofort festgenommen.


    Als nächstes folgen die Verhöre mit der Polizei, den Anwälten und Gespräche mit den Familien, vor allem den Müttern, die nun die Schuld bei sich suchen und sich die Frage stellen, was sie denn nur falsch gemacht hätten.


    Außerdem erfahren wir, wie sich die Flüchtlinge, die sich einst sicher in ihrer Unterkunft gefühlt haben, fühlen. Einige verlassen diese Unterkunft und suchen eine neue auf. Andere können nicht mehr alleine in einem Zimmer schlafen, da sie Angst haben, dass nochmal etwas durch die Scheibe geworfen wird und sie das nächste Mal kein Glück mehr haben könnten.


    Es wird nun der Prozess beschrieben und am Ende wird das Urteil gesprochen.


    Daraufhin folgt noch ein Nachwort, in dem rechtsextreme Symbole, Codes sowie zu der Szene beliebte Musik und Kleidung aufgeführt werden.


    Ich fand dieses Buch sehr informativ und finde, dass es eindeutig mehr gelesen haben sollten, denn es wird einiges deutlich, was man vielleicht zunächst einmal gar nicht wahrhaben möchte, weil man mit Vorurteilen gefüttert wurde, die man nun, wenn auch nur unbewusst, vertritt.


    Es ist schockierend, welche Reise die Flüchtlinge hinter sich haben und wie sehr sie gelitten haben. Und deshalb finde ich es unmöglich, dass man sie hinterher dafür "bestraft", dass sie diesen langen, schweren und gefährlichen Weg überlebt haben und so viele Opfer bringen mussten.


    Fazit:

    Ich werde das Buch definitiv in meinem Bekanntenkreis lautstark vertreten und weiterempfehlen! Reiner Engelmann hat hier ganze Arbeit geleistet. Spannend, einfach erzählt und sehr informativ, vor allem das Glossar am Ende des Buches hat mir einige neue Dinge gezeigt.

  • Ein wichtiges Werk!


    Lauter Rechtsrock dröhnt, es wird mitgegröhlt und reichlich Alkohol fließt. Immer später wird es, während eine Flasche nach der anderen geleert wird und sich die Freunde in Rage reden. Über die inkompetenten Politiker, die der Flüchtlingsschwemme nicht Herr werden. Darüber, dass dies unter einem starken Führer nicht passiert wäre. Darüber, dass jetzt auch in dieser Kleinstadt P. eine Flüchtlingsunterkunft entstanden ist. Dass die Flüchtlinge quasi gratis in einer eigenen Wohnung leben dürfen, während man selbst bei der eigenen schwierigen (finanziellen) Situation nicht unterstützt wird. Und das, obwohl man doch hier gebürtig ist.
    Weitere Lieder von Landser und Störkraft laufen und heitzen Stimmung weiter an. Man müsste doch etwas unternehmen; ein Zeichen setzen. Damit die wissen, dass sie hier nicht willkommen sind. Bald schon werkeln zwei vollkommen Betrunkene an einem Molotov-Cocktail. Danach, nun, da er schon so schön fertig ist, soll er auch zum Einsatz kommen.
    Robert erklärt Beate, sie solle Matze und ihn zu der Flüchtlingsunterkunft bringen. Diese folgt - Robert widerspricht man einfach nicht. Unter Alkoholeinfluss schon gar nicht. Und außerdem ist ja auch sie besorgte Mutter und blickt der Flüchtlingswelle mit Schrecken und Entsetzen entgegen.
    Kurze Zeit später brennt das Haus in P. und nur durch großes Glück kommt dabei niemand zu Schaden; zumindest körperlich nicht...


    Das Buch gliedert sich nachdem die Vorboten geschildert wurden in drei Teile: "Flucht aus...", "Die Tat" sowie "Im Namen des Volkes". So begleitet der Leser zunächst die Flüchtlinge aus Afghanistan, Somalia, Syrien, Pakistan und Simbabwe auf ihrem schweren Weg nach Deutschland, den sie sich zuvor auch so nicht ausgemalt hatten. Bei ihnen handelt es sich um die Opfer des im Vordergrund stehenden Anschlags.
    Danach wird die Tat an sich geschildert, wobei bereits das Treffen auf ein Feierabendbier der drei Freunde sehr unter die Haut geht. Nicht zuletzt aufgrund der Zitate aus dem dort gespielten Rechtsrock. Mir persönlich fiel es unbeschreibbar schwer, zu glauben, dass tatsächlich solche Lieder gehört und derartige Texte mitgesungen werden. Es ist mir unbegreiflich, dass sich Bands mit Stücken wie "Hura, das Asylheim brennt" eines gar nicht mal so kleinen Hörerkreises erfreuen. Songtextpassagen, in denen der Rassenkampf und rechte Gewalt verherrlicht werden und zu Anschlägen aufgerufen wird, waren für mich wie Hiebe in die Magengegend. Da mir etwas solches derart fern ist und es sich hierbei auch um Gebiete handelt, über die man sich sonst gut informieren könnte und möchte, hätte ich davon sogar gerne noch mehr Auszüge in dem Buch gelesen. Für mich war das eine ganz neue Welt...
    Der letzte Teil befasst sich dann mit den Gerichtsverhandlungen - bedenkt man, dass im Jahr 2015 von 222 begangenen Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte 169 ohne Ermittlungserfolg blieben, in 41 Fällen Tatverdächtige ermittelt, in acht Fällen Anklage erhoben und in lediglich vier Fällen Urteile gesprochen worden sind, ist dies mehr als alamierend.
    Im Anhang findet sich ein ausführliches Glossar zu Symbolen, Grüßen, Kleidungsmarken, Musik und Abkürzungen, die der rechten Szene zugeordnet und teilweise sogar verboten sind. Dabei muss ich gestehen, dass ich bei einigen Symbolen und Zahlencodes doch überrascht war, dass dieses Symbol auch in dieser Art interpretiert werden kann. Die Triskele beispielsweise würde ich als harmloses Symbol der keltischen Mythologie deuten. Bei ihr fallen mir eher Dreifaltigkeit, und Kombinationen wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft oder Körper, Seele, Geist ein anstatt dass ich mich an ein "dreiarmiges Hakenkreuz" (S.173) denken würde. Als Irland-Freund war dieses Symbol für mich immer positiv konnotiert - sowohl optisch als auch von der mir geläufigen Bedeutung. Daher stellt sich mir die Frage, ob für das Buch nicht so ziemlich jedes mögliche Symbol gesucht und aufgelistet worden ist, auch wenn es nicht gänzlich in die rechte Szene gehört.
    Bei den Zahlencodes geht es mir ähnlich: Einige, wie 18 oder 88, kennt man zwangsläufig und kann sie auch selber in die rechte Szene einordnen. Dass auch 28, 74, 124, 444, 1919 (meine erste Assoziation war nicht SS, sondern ging vielmehr in Richtung der Ermordung Luxemburgs und Liebknechts oder die der demokratisch-parlamentarischen Verfassung...), 146 und weitere auf diese Art behaftet sind, war mir meist neu. Nachvollziehbar, aber dennoch teilweise etwas weit hergeholt... Vielleicht bin ich bloß sehr naiv, wenn ich bei diesen Zahlen noch nicht rechtes Gedankengut unterstelle.
    Bei den Kleidermarken war dies dann schon eindeutiger, zumal ich einige von ihnen auch vom Namen her bereits kannte. Bei Doc Martens blieb ich allerdings bereits zwiegespalten zurück, denn, auch wenn Skinheads zu den "Stammkunden" zählen, verbinde ich die Marke auch mit der Punkerszene oder generell arbeiterverbundenen Menschen. In meinem Umfeld kenne ich genügend linksorientierte, die sich für die Produkte dieser Firma begeistern können...
    Der Schreibstil des Buches ist sehr einfach und verständlich gehalten, weswegen ich vom bloßen Sprachgebrauch bereits sagen würde, dass dieses Werk auch für jüngere Leser als die empfohlenen 13jährigen geeignet wäre. Vom Inhalt her ist das natürlich eine ganz andere und sehr individuelle Frage, denn wenn Protagonisten Aussagen wie "Wenn der Neger brennt, dann werde ich richtig feiern." (S.62) tätigen oder Lieder mit kinderleicht zu merkenden Reimen zitiert werden, ist das schon nicht ohne.
    Was ich allerdings sehr schade finde ist, dass ich beim Lesen immer wieder auf Rechtschreib-, Wort-, oder ähnliche Fehler gestoßen bin; das hat ein so wichtiges Buch nicht verdient...
    Sehr ansprechend ist meines Erachtens das Hinterfragen des Begriffes der "Flüchtlingswelle" und das Aufzeigen rechter Tendenzen bei Aussagen von Politikern am Beispiel von den durch die Presse gegangenen Worten des CSU Generalsekretärs.


    Alles in allem bin ich der Meinung, dass es nicht geschadet hätte, wenn dieses Werk noch etwas ausführlicher und "erwachsener" gewesen wäre, denn mir als 13jährige wäre es schätzungsweise noch etwas zu kindlich gewesen. Zwar ermöglicht dies ein schnelles und lockeres Lesen, allerdings frage ich mich, ob das bei dieser Thematik so nötig ist oder ob dass doch nicht so ganz zum Inhalt passt. Immerhin könnte ein Mittelweg zwischen verständlich und anspruchsvoll gefunden werden, da der Schreibstil meines Erachtens die Recherchearbeiten des Autors runterspielt und weniger als Tatsachen greifbar macht. Gerade in Verbindung mit den von mir bereits erwähnten Fehlern wirkt es so, als wäre dem Buch beim Entstehen nicht so viel Zeit, Mühe und Achtung geschenkt worden als es tatsächlich der Fall gewesen sein dürfte. Denn, dass Engelmann für dieses Buch nicht wenig Recherchen angestellt hat, dürfte außer Frage stehen.


    So vergebe ich 4 von 5 Sternen, da mich das Buch trotz des Schreibstils zu erschüttern vermochte, den Leser nah an Rechtsextreme führt und sensibel für Symbole und Ähnliches macht.