Daniel Kehlmann - Du hättest gehen sollen

  • Kurzmeinung

    Hypocritia
    Eine klassische Spukgeschichte m. metaphysischen Elementen aus d. theoretischen Physik von einem sehr vielseitigen Autor
  • Ein kleiner Kurzurlaub soll es für das junge Ehepaar mit ihrem Kind sein, ein paar Tage in den Bergen in einem einsam gelegenen Haus. Der Vater schreibt an einem neuen Drehbuch und wie selbstverständlich hält er auch Alles fest, was sich während ihres Aufenthaltes ereignet. Die Streitereien zwischen ihm und seiner Frau, die Versöhnungen, die Beschäftigung mit dem Kind, seine Träume undundund. Eigentlich ganz alltäglich, doch es liegt ein seltsamer Missklang über den Dreien, der sich mit jedem Tag, jeder Stunde verstärkt.
    Das Seltsame, das Mysteriöse schleicht sich ganz allmählich ein, es ist nicht greifbar, es sind kleine Geschehnisse, die bei wiederholtem Nachdenken sich wohl auch rational erklären lassen. Aber vielleicht auch nicht ... Doch sobald das Ungewisse zu stark wird, treten reale Ereignisse in den Vordergrund, die die Aufmerksamkeit beanspruchen und alles Andere verblassen lassen; doch nicht für lange.
    Es sind nur 86 Seiten, doch wenn man sich voll und ganz auf die Geschichte einlässt, sie liest, als wäre man selbst der Schreibende, beginnt einen das Unheimliche nach und nach selbst zu ergreifen. Ein tolles Stück Gruselliteratur, das die volle Sternezahl verdient hätte, wenn, ja wenn der Preis nicht wäre. So viel Geld für so ein kleines Büchlein finde ich schlicht unverschämt - dafür gibt es Abzug.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Zunächst verwendet Kehlmann einige konventionelle und erprobte Motive, um einen Hauch von Grusel in seine Familiengeschichte zu transportieren: Ein Kind (ist immer gut, um Leser mit Sorge zu versorgen), ein abgelegener Ort (der nur durch eine Serpentinen-Straße erreichbar ist, dazu noch im Winter) und Warnungen von Leuten, die sich auskennen und den Protagonisten zur Abreise drängen. Bis dahin ist der Leser ahnungslos, liest er doch nur eine Familiengeschichte.


    Was Kehlmann allerdings im Laufe seiner kurzen Erzählung bietet, ist mehr als der normale Schauer über den Rücken, den man als Erscheinung, Psychokinese oder Bedrohung durch Unbekannt schon oft gelesen hat.

    Unglaublich, dass

    zu einem Gefühl von Grausen werden kann. So einfach und so wirkungsvoll.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)