Autor: Friedrich Christian Delius
Titel: Warum Luther die Reformation versemmelt hat, erschien erstmals im Lutherjahr 2017
Seiten: 64 Seiten
Verlag: Rowohlt Taschenbuchverlag
ISBN: 9783499610547
Der Autor: (von der Autoren-Homepage)
Friedrich Christian Delius, geboren im Februar 1943 in Rom, aufgewachsen in Wehrda, Kreis Hünfeld, und Korbach in Hessen. Seit 1963 in Berlin, Studium an der Freien und Technischen Universität (Dr. phil. 1970). 1970 bis 1978 Lektor für Literatur in den Verlagen Klaus Wagenbach und Rotbuch. Prozesse, welche die Siemens AG (1972-76) und Helmut Horten (1979-82) gegen ihn führten, erfolgreich überstanden. Seit 1978 freier Schriftsteller, von 1978-80 in Beek bei Nijmegen/NL, von 1980-84 in Bielefeld. Seitdem lebt er wieder in Berlin (von 2001 bis 2013 in Rom und Berlin). Georg-Büchner-Preis 2011. Übersetzungen seiner Bücher in 18 Sprachen. Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Künste Berlin.
Inhalt: (Klappentext)
500 Jahre nach dem Thesenanschlag fordert Delius den Reformator zum Zwiegespräch und trinkt ein paar Biere mit ihm. Er stellt ihm eine unerhörte Frage: Warum nur hat Luther die Erbsünde, diesen morschen Grundpfeiler des Christentums, unangetastet gelassen? Wohin hätte die Reformation geführt, wäre Luther nicht blind seinem Lehrmeister Augustinus gefolgt, der die Heilige Schrift falsch übersetzte und die frohe Botschaft in eine drohende verwandelte?
Meinung:
Anlässlich des 500. Jahrestages des Thesenanschlags häufen sich die immer umfangreicher werdenden Sach- und Fachbücher über den bekannten Reformator. Wie schön, dass mit Friedrich Christian Delius einer meiner Lieblingsautoren mit 64 Seiten eine angenehm kurze Streitschrift veröffentlicht und zur Diskussion anregt. Ähnlich wie in seinem Roman „Die Frau, für die ich den Computer erfand“, in dem der Journalist den Erfinder des Computers Konrad Zuse, interviewte und nur ihn zu Wort kommen liess, bittet der Schriftsteller nun also den grossen Luther um ein klärendes Gespräch. Allerdings bleibt der Reformator wortkarg, es bleibt bei Fragestellungen, Erläuterungen und Überlegungen durch den Autor. Delius meint anhand der (vermutlich minimalen) Mimik seines Gegenübers Zustimmung ablesen zu können.
Was ist das nun für ein drängendes Problem, das Delius im Lutherjahr unbedingt geklärt haben möchte? Es geht um die Erbsünde, ein Stolperstein, der dazu führte, dass die Reformation streng genommen nicht zu Ende geführt wurde. Augustinus von Hippo formulierte seine Lehre so, dass der Mensch bereits bei Geburt als Sünder auf die Welt kommt und es bedarf der Gnade Gottes, um ihn von der Bestrafung in der Hölle zu befreien.
Delius bietet einen knappen Umriss und Spekulationen über das Thema, dem Streit zwischen Augustinus und Pelagius, über damals bereits bekannte fehlerhafte Übersetzungen, über politische Machtspielchen, usw. Das Ganze ist sehr unterhaltsam und zudem scheinbar auch gut fundiert recherchiert. Der Stil ist etwas flapsig provokant, in Richtung gepflegter Stammtischatmosphäre. Mir hat es jedenfalls hervorragend gefallen und ist für Alle empfehlenswert, die sich kritisch mit einem Aspekt der Reformation auseinandersetzen möchten.