Eduard von Keyserling - Fürstinnen

  • Irgendjemand hier im Forum hat mich auf Eduard von Keyserling gebracht. Der Name sagte mir bislang gar nichts, ebensowenig die Titel seiner Veröffentlichungen. Nur aus Neugierde und weil ich mal was ganz anderes lesen wollte, habe ich mir "Fürstinnen" gekauft. Ein schmales Bändchen von nur 138 Seiten, äußerst lieblos aufgemacht, mit dem schrecklichen Bildnis Keyserlings, das Lovis Corinth von ihm gemalt hat, auf dem Cover, mehr eine Broschüre vom äußeren Eindruck her als ein Buch. Rein ästhetisch betrachtet würde ich für so ein Ding - denn es ist weder Buch noch Broschüre, sondern nur ein furchtbares Papierding - keinen Cent ausgeben, und habe es nur gekauft, weil ich mir gänzlich unsicher war, ob ich mit Keyserling etwas anfangen kann, und nicht wirklich Geld investieren wollte. Trotzdem habe ich den Kauf dieses häßlichen Dings nicht bereut. Denn bislang, ich bin nun auf Seite 39, hat mich bereits die schöne, präzise, einfühlsame Sprache voll in den Bann gezogen.


    Der Inhalt des Buches ist banal und ohne jede Spannung. Im Grunde passiert kaum etwas. Die Erzählung zieht wie ein ruhiger Fluß ihres Weges, plätschert bisweilen nur dahin, man liest und verweilt, lauscht dem Gelesenen nach, merkt, wie man plötzlich ganz in den Bildern und Farben drin ist, die Keyerling meisterhaft aufs Papier bringt.


    "Sie sind engelsgleiche Wesen, anmutig, graziös, sanft – Fürstinnen wissen, was sich schickt, und reifen in trägem Pathos ihrer exklusiven Bestimmung entgegen: der standesgemäßen Heirat. Wehe, ein adeliges Fräulein meint, dagegen aufbegehren zu müssen. Marie von Neustatt-Birkenstein ist so ein betrüblicher Fall. Sie ist nicht willens, wie ihre Schwestern Roxane und Eleonore den Prinz auf dem weißen Pferd erwarten. Ihre fixe Idee ist es vielmehr, «sich zu entwickeln». " (Quelle: amazon)


    Aber Keyserling kann nicht nur hinreißend genau erzählen, alle möglichen Nuancen erfassen, sondern beschreibt auch manches mit einem wunderbar verhaltenen, bissigen Spott auf den Punkt genau, mit kleinen, scheinbar nebensächlichen Sätzen, bei denen man stutzt und verblüfft denkt, wie kann jemand aus dieser Zeit so klar erfassen, dass eine Welt am Untergehen war, nicht nur wegen äußerer Umstände, sondern auch weil sie aus innen, aus sich selbst heraus nicht mehr lebensfähig war. Klarsichtigkeit und Melancholie, Empathie, Humor und genaue Beobachtung, und eine staunenswerte sprachliche Ausdrucksfähigkeit, all das macht einem die Lektüre zu einem wirklichen Genuss. Und das sagt jemand wie ich, die ich mich normalerweise bei ruhigen, sprachlich schönen Büchern schnell langweile und selten gewillt und in der Lage bin, einer Geschichte ohne wirkliche Handlung länger als ein paar Seiten zu folgen. :wink:


    Ich freue mich schon aufs Weiterlesen, immerhin habe ich noch ca. hundert Seiten vor mir. Und wenn mein Eindruck so bleibt, werde ich mir auf jeden Fall die Manesse-Ausgabe zulegen und die häßliche Billigbroschur ohne das geringste Zögern in den Papiercontainer werfen.

  • Nun habe ich den schmalen Band fertig gelesen und bin immer noch begeistert. Von diesem Autor möchte ich unbedingt noch mehr lesen. "Wellen" und eine schönere Ausgabe der "Fürstinnen" sind schon unterwegs, ebenso 3 CDs mit Erzählungen. Alles dank rebuy zu vertretbaren Preisen und ohne schlechtes Gewissen. :)