Thomas de Padova - Das Weltgeheimnis

  • Worum es geht
    Zu Beginn des 17. Jahrhunderts heben zwei Genies die bisher bekannte Welt aus den Angeln, und werden mit ihren faszinierenden Entdeckungen die moderne Naturwissenschaft begründen. Während Galileo Galilei in Venedig mit Hilfe eines innerhalb weniger Monate perfektionierten Fernrohrs seinen Blick zum Sternenhimmel richtet, hat Johannes Kepler in Prag die Planetengesetze veröffentlicht.
    Der am kaiserlichen Hof Rudolf II. isolierte deutsche Mathematiker tritt mit seinem italienischen Kollegen in einen Briefwechsel, an Hand dessen der Autor ein faszinierendes Doppelportrait der beiden so unterschiedlichen Persönlichkeiten erstellt.


    Meine Gedanken und Eindrücke
    Mit großer Begeisterung habe ich das im Jahr 2010 als „Bestes Wissenschaftsbuch des Jahres“ ausgezeichnete Werk gelesen, und kann auch sieben Jahre später nur Gutes darüber berichten. Allein der Idee des Autors, seine Arbeit am wenig beachteten Dialog der beiden großen Forscher auszurichten, gebührt Anerkennung, ganz zu schweigen von der exzellent gelungenen Umsetzung. Während sich Johannes Kepler als sehr mitteilsam erweist und auch hinsichtlich seiner Forschungsergebnisse keine Geheimniskrämerei kennt, lernt der Leser Galilei als äußerst vorsichtig und zurückhaltend kennen. Über seine Arbeit gibt er nur ungern Details preis, und äußerst sich auch zu Keplers Arbeiten so gut wie gar nicht. An dieser gegensätzlichen Verhaltensweise werden die sehr unterschiedlichen Charaktere der beiden Geistesgrößen ersichtlich. In ihrem Denken und Handeln spiegelt sich aber auch der Geist einer Zeit, der sich einerseits bereits in die Moderne richtet, andererseits aber sehr stark in den alten Traditionen verwurzelt bleibt.
    Ohne den interessierten Laien mit unverständlichen Ausflügen in die Physik oder Mathematik zu ermüden, führt Thomas de Padova seinen Lesern die Leistung dieser Pioniere eines neuen Weltbildes beeindruckend vor Augen. In abwechselnder Reihenfolge widmet er sich in seinem Buch aber nicht nur der Arbeit Galileis und Keplers, sondern stellt sie in ihren jeweiligen Biografien auch vor dem sozialen und politischen Hintergrund ihrer Zeit dar.
    Eine Fülle von Details informiert den Leser darüber hinaus auch über bedeutende Vordenker beider Protagonisten, wobei mich besonders Keplers Vorgänger am Kaiserhof in Prag faszinierte.
    Tyche Brahe kannte ich nur dem Namen nach, hatte keine Ahnung von seiner wegweisenden astronomischen Datensammlung oder dem interessanten Weltbild, das er entwickelte. Brahe misstraute einerseits dem heliozentrischen Modell, konnte aber auch das geozentrische nicht vorbehaltlos befürworten. Aus diesem Dilemma heraus schuf er eine eigene Theorie mit der Erde im Zentrum, während sich die anderen Planeten sehr wohl um die Sonne drehen. Somit kam dieses Modell ohne Erddrehung aus, eine Vorstellung, mit der die meisten Gelehrten nur schwer zurecht kamen. Wie könnte unser Heimatplanet im Höllentempo um die Sonne wirbeln und sich dabei auch noch um sich selber drehen, ohne dass der Mensch das Geringste davon bemerkte? Davon abgesehen, gefährdete dieses Denken auch die bisherige Interpretation der Bibel, womit die Geistlichkeit ganz und gar nicht einverstanden war. Gerade im Zeitalter der Gegenreformation konnte man keine ketzerischen Gedanken aus den Reihen der Wissenschaft gebrauchen.
    Doch nicht nur dieses Problem einer fernen Vergangenheit beleuchtet Thomas de Padova, er macht seinem Publikum auch sehr eindringlich bewusst, dass weder Keplers berühmte Planetengesetze noch Galileis akribische Himmelserforschung die damalige wissenschaftliche Welt von heute auf morgen auf den Kopf stellten. Oft blieb die Resonanz völlig aus, oftmals erfuhren revolutionäre Erkenntnisse, die sich später als richtig herausstellen sollten, vorerst völlige Ablehnung.
    Hervorragend versteht sich Thomas de Padova auf das Herausarbeiten solch komplexer Zusammenhänge, die auch Kepler und Galilei in einem ganz neuen Kontext zeigen. Wie kaum ein anderer Publizist versteht der Autor mit dieser Herangehensweise eine uns fremde Welt lebendig werden zu lassen, und ein Gefühl für die Schwierigkeiten zu vermitteln, denen neue Ideen ausgesetzt waren, ehe sie eine breitere Akzeptanz fanden. Letzten Endes musste sogar ein hochgeschätzter Forscher wie Galilei die Erfahrung machen, dass die „Befreiung aus der aristotelischen Enge“ des Denkens unter dem strengen Auge der Kirche auch lebensbedrohlich werden konnte.
    Profitierend von der fachlichen Kompetenz, dem Weitblick, einem fächerübergreifenden Denken und dem erzählerischen Talent des Autors habe ich viele neue Einsichten gewonnen, und mich dabei auch noch gut unterhalten. Komplizierte Wissensinhalte fand ich hervorragend aufbereitet und große Persönlichkeiten in ihrem sozialen Umfeld so lebendig dargestellt, dass den Autor und sein Werk meinerseits nur höchstes Lob erwarten.

  • Meine Meinung:


    Dieses schöne Sachbuch, habe ich in einer MLR gelesen und es hat mich begeistert. Mich hat nicht nur die Leserunde begeistert, sondern auch das Sachbuch, welches sehr flüssig und Informationen vermittelnd geschrieben ist. Mir wurden die Personen Galileo Galilei und Johannes Kepler näher gebracht und auch andere Zeitgenossen wie Tycho Brahe. Ich habe kennengelernt unter welchem Voraussetzungen und Zeiten sie arbeiten mussten und auch wie unterschiedlich Sichtweisen und Herangehensweisen sein können. Das Buch hat definitiv dazu beigetragen, das meine seit kurzem entfachte Neugier und Wissensdurst auf Sachbücher weiter lebt und bestehen bleibt. Persönlich ist es für mich ein Vorteil, wenn ich Sachbücher in einer Leserunde lese, einfach schon deshalb, weil mehrere lesende Augen mehr sehen und auch andere Sichtweisen / Meinungen haben und man sich im Zuge dessen dann auch austauschen kann um sein Wissen noch mehr zu optimieren bzw. das gelesene Wissen sich dann besser verfestigt.


    Fazit:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: 13 Gebote (Mortimer Müller) 274 / 426 Seiten

    :study: Einfach Mensch sein (Sy Montgomery) 32 / 208 Seiten


    SUB: 857

  • Kurzbeschreibung:
    Ein facettenreiches Doppelporträt von Johannes Kepler und Galileo Galilei.
    Im Jahre 1609 baut Galileo Galilei in Padua ein Teleskop, und Johannes Kepler veröffentlicht in Prag seine Planetengesetze. Thomas de Padova zeigt ihr Leben und die große Epochenwende in ganz neuem Licht. Glänzend geschrieben und gestützt auf den kaum beachteten spannungsvollen Briefwechsel der beiden so unterschiedlichen Forscher, erzählt er, wie sie gleichzeitig, doch jeder auf seine Art, nach den Sternen greifen. (Quelle: Verlagswebsite)


    Autor:
    Thomas de Padova wurde 1965 geboren, hat in Bonn und Bologna Physik und Astronomie studiert. Er lebt als freier Publizist in Berlin. Bei Piper veröffentlichte er bisher »Die Kinderzimmerakademie«, »Wissenschaft im Strandkorb«, »Schlau nach acht« und das »Das Weltgeheimnis«, das vielbeachtete Werk über Johannes Kepler und Galileo Galilei. Weiteres zum Autor: thomasdepadova.com (Quelle: Verlagswebsite)


    Allgemeines:
    Erschienen 2010 bei Piper
    352 Seiten in 16 Kapiteln, Zeittafeln im Anhang, ca. 20 Abbildungen im Text
    Die Kapitel behandeln abwechselnd wichtige Abschnitte im Leben der beiden Wissenschaftler (die Tätigkeiten des anderen werden jeweils gestreift)
    „Das Weltgeheimnis“ wurde 2010 zum „Wissenschaftsbuch des Jahres“ in Österreich gewählt.


    Meine Meinung:
    Man merkt diesem Buch nicht an, dass es von einem Naturwissenschaftler geschrieben wurde. Und das ist durchaus als Kompliment zu verstehen. Im Plauderton führt Thomas de Padova den Leser durch das Leben der beiden großen Wissenschaftler, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Da der mathematisch orientierte Kepler, der monatelang Berechnungen anstellt, bis seine Hypothese bestätigt ist, und dort der sich auf die Physik stützende Galilei, der seine Ideen durch Experimente untermauert. Auf der einen Seite der auf den Dialog mit Fachkollegen brennende Kepler, auf der anderen Seite der verschlossene Galilei, der jede Erkenntnis selbst und als erster publizieren will.
    Wie diese so verschiedenen Geister auf unterschiedlichen Wegen zum gleichen Ziel kommen, ist ebenso spannend wie unterhaltsam. De Padova lässt nie den Wissenschaftler raushängen, viel mehr schildert er mit einfachen Worten, worum es in den Entdeckungen, aber auch den Irrungen und Wirrungen der beiden Genies geht. Auch ruft er dem Leser immer wieder ins Gedächtnis, wie anders zum damaligen Zeitpunkt die Wissenschaften entwickelt und eingeordnet waren. Mathematik ein Teil des Kunststudiums, Musik als Wissenschaft, Physik und Mathematik voneinander losgelöst… das alles ist für uns heute nur schwer vorstellbar und lässt den Leser hin und wieder stutzen.
    Hinzu kommt noch die schwierige politische Lage vor und während des Dreißigjährigen Krieges mit Reformation und Gegenreformation, zunehmendem Einfluss der Inquisition und Hungersnöten und Seuchen.
    All das wird dem Leser vor Augen geführt und er wird mit auf eine Entdeckungsreise genommen, die Lust auf noch viel mehr Wissenschaftsgeschichte macht. Einzig die deutliche Parteinahme für Kepler bzw. das immer Herausstellen der nicht so feinen Charakterzüge Galileis hat mir irgendwann ein bisschen den Spaß genommen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau und ist wohl auch darin begründet, dass hier eins meiner Kindheits- / Jugenidole ziemlich demontiert wurde. Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne und eine ganz klare Leseempfehlung sowohl an Biografie-Fans als auch an alle, die sich für (Wissenschafts-)Geschichte interessieren.


    Fazit:
    Naturwissenschaft und Geschichte auf unterhaltsamste Art. Großartig!

    Gelesen in 2024: 7 - Gehört in 2024: 5 - SUB: 598


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Was soll ich noch sagen? Besonders die hervorragende Rezension von Sylli drückt alles aus, was es zu sagen gibt. Ich habe mit Thomas de Padova erneut mit Genuss eine Reise in die Vergangenheit unternommen und mir bereits bekannte, aber auch unbekannte Geistesgrößen aus dem Bereich der Physik und Mathematik näher und v.a. auch von ihrer menschlichen Seite her kennen gelernt. Dass dabei so einige Illusionen über die heroischen Kämpfer für die Wahrheit auf der Strecke blieben, das kannte ich bereits von seinem Werk über Newton und Leipzig, die auch beide nicht immer so gut wegkamen. Aber ich konnte erneut absolut fasziniert abtauchen und mich in die Zeit und ihre Probleme hineinversetzen. Geholfen hat mir dabei auch wieder unsere extrem gute und intensive Minileserunde - wann immer eine Frage bei einem von uns auftauchte, konnten wir sie gemeinsam beantworten und für Klarheit der Gedanken sorgen. Und wann immer man einen kleinen Hänger hatte (in der Regel dem Alltag, nicht dem Buch geschuldet), so halfen wir uns gegenseitig weiter und hatten alle viel Spaß. Jetzt freue ich mich auf die nächste Leserunde mit Padovas Buch über Einstein, die irgendwann im Sommer vielleicht starten wird. :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn