Original : Französisch, 2016
INHALT :
Sie wollen das perfekte Paar sein, Kinder und Beruf unter einen Hut bringen, alles irgendwie richtig machen. Und sie finden die ideale Nanny, die ihnen das alles erst möglich macht. Doch wie gut kann man einen fremden Menschen kennen? Und wie sehr kann man ihm vertrauen?
Sie haben Glück gehabt, denken sich Myriam und Paul, als sie Louise einstellen - eine Nanny wie aus dem Bilderbuch, die auf ihre beiden kleinen Kinder in der schönen Pariser Altbauwohnung im 10. Arrondissement aufpasst. Wie mit unsichtbaren Fäden hält Louise die Familie zusammen, ebenso unbemerkt wie mächtig. In wenigen Wochen schon ist sie unentbehrlich geworden. Myriam und Paul ahnen nichts von den Abgründen und von der Verletzlichkeit der Frau, denen sie das Kostbarste anvertrauen, das sie besitzen. Von der tiefen Einsamkeit, in der sich die fünfzigjährige Frau zu verlieren droht. Bis eines Tages die Tragödie über die kleine Familie hereinbricht. Ebenso unaufhaltsam wie schrecklich. (Klappentext)
BEMERKUNGEN :
Was in dieser Kurzbeschreibung chronologisch erzählt wird präsentiert sich im Roman anders: Auf den ersten Seiten, ja, im ersten Satz steht der tragische Ausgang schon fest, ist also nicht Endpunkt allein, sondern schon Feststellung : die Kinder sind tot! Auch werden die Umstände kurz erwähnt, die Täterin. Nun wird es darum gehen, in den folgenden Seiten den Werdegang zur Katastrophe zu beschreiben: Wie konnte es dazu kommen ? Dabei geht es wohl nicht um Schuldzuweisungen wie eine « Abschiebung der Kinder hin zu einer Nanni », um eben sich beruflich entfalten zu können. Oder eine in sich von je grundperverse Kinderfrau. Aber was spielt alles rein ? Was bewegt die Protagonisten ?
Rein chronologisch, von der Beschreibung der Ausgangssituation bei den Jungverheirateten bis hin zur Rekonstruktion des Verbrechens geht es auch jetzt nicht zu : Manchmal werden Kapitel eingefügt, gewissen anderen Schlüsselfiguren gewidmet, die eine Seite, einen Aspekt erhellen, aber zeitlich woanders angesiedelt sein können.
Das junge Ehepaar Pierre und Myriam leben in der bescheidensten Wohnung ihres Hauses im Norden von Paris, nicht weit weg von Montmartre und dem Sacre-Coeur. Zu mehr reicht ein Einkommen nicht aus, wenn nun die ersten Kinder da sind und Myriam nicht arbeiten gehen kann. Dabei hat Pierre einen guten Job. Doch Myriam hat zunächst wie selbstverständlich mal ihren Rechtsanwaltsberuf an den Nagel gehangen, und freut sich, ihre Kinder begleiten zu dürfen. Doch langsam wechselt die innere Stimmung : das Gesichtsfeld schränkt sich immer mehr ein, manchmal empfindet sie ein inneres Gefängnis. Und Pierre macht es nicht leichter, wenn er müde von der Arbeit kommt und sie mit seinen Geschichten überlastet. Also sehnt sie sich auch nach beruflicher Tätigkeit, selbst wenn die Kinderfrau einzuplanen wäre und es letztlich finanziell nicht auf mehr rauskäme.
Louise scheint ideal, krempelt das Leben der kleinen Familie um, wird unabdingbar. Doch verbirgt sich hinter ihrer Bereitwilligkeit, ihrem unglaublichen Einsatz etwas anderes, Dunkleres ? Eine Einsamkeit ? Die Suche nach Familienersatz ? Wie kommt es zur Explosion? Gibt es ein anderes Leben als das der stets bereiten, alles zulassenden Kinderfrau ? Welche geheimen Demütigungen hat sie erfahren, erfährt sie noch, auch von den ach so offenen und scheinbar dankbaren Hausherren ? Was steckt hinter gewissen Manien und Einsamkeit ? Wo sind Antribe, innere und äußere Wirklichkeiten, oft ignoriert von den anderen ?
Ein beeindruckendes Buch, dass die selbst Mutter gewordene Autorin eventuell mit eigenen Fragestellungen angeht. Manchmal scheinbar distanziert, trocken, doch einfach packend und psychologisch ganz fein beobachtet: man kommt nicht los ! Nicht umsonst erhielt dieses Buch letztes Jahr im ersten Wahlgang den Goncourt-Literaturpreis, die höchste Auszeichnung!
Ich liebe diese Erzählweise, die ohne deftige Schuldzuweisungen auskommt, aber auch die Abgründe darstellt. Nicht nur bei der Täterin, sondern auch in scheinbar wohlgemeinten Hinweisen oder lustig sich gebenden, aber doch dummen, Äußerungen.
Hut ab ! Dieser Roman könnte viele hier ansprechen !
AUTORIN :
Die französisch-marokkanische Autorin Leïla Slimani wurde im Oktober 1981 in Rabat geboren und wuchs in Marokko auf. Ihr Vater war Banker, verstarb aber Mitte de 00er Jahre. Ihre Mutter war eine der ersten Ärztinnen des Landes, halb Elsäßerin, halb Algerierin. Slimani besuchte die Schule in Rabat. 1999 ging sie nach Paris und studierte Medien und Politik am Institut d’études politiques de Paris und an der ESCP Europe. Nach ihrem Studium besuchte sie das Cours Florent und versuchte sich kurzzeitig als Schauspielerin. Sie arbeitete seit 2008 als Journalistin für das Magazin Jeune Afrique, für das sie über nord-afrikanische Themen berichtete. »Dann schlaf auch du« wurde mit dem höchsten Literaturpreis des Landes, dem Prix Goncourt, ausgezeichnet (siehe auch : http://www.luzernerzeitung.ch/…a-Slimani;art46444,881770 – und- siehe Bild : was für eine schöne Frau, oder ?) und in 30 Länder weltweit verkauft. Ihr ebenfalls preisgekröntes literarisches Debüt »Dans le jardin de l’ogre« wird derzeit verfilmt.
Slimani ist verheiratet und Mutter eines sechsjährigen Sohnes und erwartet gerade ihr zweites Kind. Sie lebt in Paris, hat aber die doppelte Staatsangehörigkeit: die französische und die marokkanische.
(Quellen : wikipedia.en +.de + fr ; Autorenbio bei amaz.de)
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag (21. August 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3630875548
ISBN-13: 978-3630875545