Susann Pásztor - Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster

  • Kurzmeinung

    Lavendel
    Wunderschöne Geschichte über das Leben, das Sterben & Freundschaft. Einfühlsam gezeichnete Charaktere, tolle Sprache.
  • Kurzmeinung

    towonder
    Sehr schönes Buch über das Sterben und das Leben, die Musik und das Anderssein!
  • Autorin: Susann Pasztor
    Titel: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster
    Seiten: 286
    ISBN: 978-3-462-04870-4
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch


    Autorin:
    Susann Pasztor wurde 1957 in Soltau geboren und lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Berlin. Ihr Debütroman erschien 2010 bei Kiepenheuer & Witsch und wurde in mehreren Sprachen übersetzt. Für den Verlag ist sie inzwischen eine der "Hausautorinnen" und veröffentlichte 2013 einen weiteren Roman. Sie hat die Ausbildung zur Sterbebegleiterin abgeschlossen und ist seit mehreren Jahren ehrenamtlich tätig.


    Inhalt:
    Fred, alleinerziehender Vater, Angestellter, seit Neuestem Sterbebegleiter, möchte bei seinem ersten Einsatz alles richtig machen. Karla, reserviert und eigensinnig, hat nur noch wenige Monate zu leben. Phil ist Freds 13-jähriger Sohn und bekommt eine besondere Aufgabe von Karla. Eine spannungsreiche und spannende Beziehungsdynamik entsteht, als sich diese drei ganz unterschiedlichen Menschen auf einen gemeinsamen Weg machen. Eine berührende Geschichte über die Schönheit des Lebens und die erstaunliche Entwicklung einer Vater-Sohn-Beziehung. (Klappentext)


    Rezension:
    Erzählungen können Fußabdrücke hinterlassen und manche dieser Eindrücke bleiben dann auch. Für den Rest des Lebens. Susann Pasztors Geschichte "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" gehört in jedem Fall dazu. Die Autorin erzählt die Geschichte von Fred, der den Sinn des Lebens im Begleiten sterbender Menschen sucht, von Karla, die nur noch wenige Monate zu leben hat und ihr bevorstehendes Ende stoisch akzeptiert hat und von Phil, der an der Schwelle zur Pubertät sein ganzes Leben noch vor sich hat. An sich eine explosive Mischung, doch der Erzählstil der Autorin ist ruhig. Der Tod kommt auf leisen Sohlen, Karla wird immer weniger, wobei sie ein Geheimnis mit sich trägt, während Fred und sein Sohn immer mehr werden, daran wachsen.


    Allein, es ist ein Roman, in dem eigentlich nicht viel passiert. Nur die Figuren machen große Sprünge in ihrer Entwicklung, merken dies selbst nicht und wachsen einem als Leser so ans Herz, dass man sie gar nicht loslassen möchte. Natürlich, die unheilbar an Krebs erkrankte Karla soll nicht leiden und sanft einschlafen, doch ihr Doppel-Gegenpart geht einem nahe. Ihre Gedanken und Gefühle, sanft und ehrlich, wie Karlas, unberechenbar und ebenso ehrlich. Dabei, bis auf eine Szene, niemals laut.


    Der Fokus auf die Hauptpersonen verändert sich im Laufe der Geschichte. Stehen zunächst die Erwachsenen im Vordergrund ist es später die Dynamik zwischen Karla und Phil, dem 13-jährigen, die Tempo hineinbringt. Das tut der Geschichte gut und gibt neue Perspektiven, die sich lohnen. Kurze klare Kapitel wechseln sich ab, sind flüssig zu lesen und tragen ebenso zum Gelingen der Geschichte bei, von der man weiß, von Anfang an, wie sie ausgeht, und doch überrascht wird. Das Ende lässt einem friedlich gestimmt zurück.


    Gewöhnungsbedürftig war gegen Ende nur ein Kapitel, welches ich aber als künstlerische und gedankliche Freiheit akzeptiere und sich dennoch in die Gesamtheit des Romans passend eingefügt hat. Sei's drum. Pasztor hat gut geschrieben. Eine schöne Sprache, die hier auch mal, in gegensatz zu vielen anderen schönsprachlichen Geschichten, zu einer gut lesbaren Erzählung geführt hat. Der Respekt vor der oft ehrenamtlich geführten Hospizarbeit und Sterbebegleitung ist nach dem Lesen von "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" auf jeden Fall gewachsen, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Autorin ihre eigenen Erfahrungen in diesem Bereich eingebracht hat. Susann Pasztor mit einem großartigen Roman, den man nicht aus den Augen verlieren sollte.

  • @findo, ich gehe mal davon aus, dass Du das Buch gelesen hast.
    Da würde ich an Deiner Stelle einen Rezensionsthread im Buchbereich aufmachen.
    Das hätte dann auch den Vorteil, dass man das Buch im nächsten Jahr bei den Leserlieblingen nominieren könnte (rezensierte Hörbücher kann man leider nicht nominieren).

    Die Erfindung des Buchdruckes ist das größte Ereignis der Weltgeschichte (Victor Hugo).

  • Schönes, aber teils langatmiges Buch


    Den Titel des Buches fand ich interessant und die Inhaltsangabe hatte meine Neugier geweckt. Das Thema des Buches ist mir nicht ganz fremd. (Ich selbst arbeite in einer Rehaklinik mit Krebspatienten.) Das Cover + der Plastik Umschlag haben mich nicht angezogen. Und Umschlag finde ich es viel ansprechender. Schön finde ich das integrierte Lesezeichen.


    Jetzt aber zum Inhalt:
    Im Buch begleitet man mehrere Personen. Es ist aus der Sicht von Fred (dem Sterbebegleiter), Phil (seinem 14-jährigen Sohn) und einer 3. Person (die ich wegen Spoiler nicht verraten will) geschrieben. Die Erzählperspektive ändert sich mit den Kapiteln, so dass man eine gute Übersicht hat. In der Geschichte geht es zuerst um Fred, der das erste Mal als ehrenamtlicher Sterbebegleiter arbeitet. Dies ist nicht einfach, vor allem da er auf eine ziemlich ungewöhnliche Dame trifft, die er begleiten wird. Karla ist verschlossen, eigensinnig und einfach ganz speziell. Sie will eigentlich keinen Sterbebegleiter und tut sich schwer mit sozialen Interaktionen jeglicher Art.
    Später ist Phil viel in die Geschichte integriert. Auch er lernt Karla kennen und über diese Bekanntschaft lernt er auch einiges über seinen alleinerziehenden Vater. In dieser ungewöhnlichen Geschichte kommen noch einige weitere Charaktere dazu, wovon mehrere auch recht ungeöhnlich bzw. speziell sind.


    Meine Meinung:
    Das Buch ist eigentlich schön geschrieben. Ich bin am Anfang gut in die Geschichte hineingekommen, zwischendrin zog es sich gewaltig. Da war für mich der Eindruck, als ob die Geschichte unbedingt noch gefüllt werden musste. Dafür war das Ende sehr schnell abgehandelt. Das fand ich schade, habe mir an dieser Stelle mehr gewünscht. Karlas Gedanken und Gefühle waren leider nur wenig aus ihrer Perspektive geschildert. Ich hätte mir gewünscht, dass dies mehr Beachtung gefunden hätte. Dann hätte ich auch mehr nachvollziehen können warum sie so handelt wie sie es tut. Und ich finde, dass wenn man eine Geschichte über Sterbebegleitung schreibt, das man dann auch aus der Sicht mit schreiben sollte, die begleitet werden.
    Am Anfang fand ich den Schreibstil der Autorin sehr sachlich, im Verlauf eintönig, aber im letzten viertel des Buches wurde für mich der Schreibstil eingängiger und gefühlsbetonter. Da hat mich dann die Geschichte auch "abgeholt" und mitgenommen.
    Gut fand ich, die Entwicklung der Protagonisten zu erleben. Auch das die Bedeutung des Titels mehrfach erklärt wurde und dann auch eine wichtige Rolle in der Geschichte spielte, fand ich gut.


    Das Preis-Leistungsverhätnis stimmt hier nicht. So sehr gepackt hat es mich dann nicht, das ich das Buch auf jeden Fall weiter empfehlen könnte.

  • WÜRDEVOLLES STERBEN


    Susann Pásztor behandelt hier ein ganz schwieriges Thema mit dem die meisten überfordert sind. Es wird oft verdrängt. Die Autorin baut ihre Geschichte mit Fred Wiener und dessen 13jährigem Sohn Phil auf. Beide sind etwas eigenbrötlerisch, sehr zurückhaltend, fast introvertiert. Sie haben ihre Rituale miteinander, die sie davon abhalten, sich gegenseitig zu nerven. Fred ist um die vierzig, von seiner Frau Sabine geschieden und etwas dicklich. Phil dagegen für sein Alter zu klein, ist ein begabter Junge, ein kleiner Wortakrobat, schreibt Gedichte und sammelt Wörter, die er in sein System ordnet.
    Fred Wiener also ließ sich als ehrenamtlicher Sterbebegleiter ausbilden. Karla Jenner García, 60 Jahre alt, erkrankt an Bauchspeicheldrüsenkrebs, ist die Erste, die er begleiten möchte. Sie ist eine überaus taffe Frau und macht es ihm nicht gerade leicht. Karla hat sehr genaue Vorstellungen, was sie will und was nicht. Fred jedoch weiß nicht wirklich, wie er sich der Todkranken nähern soll. Er ist total verunsichert. Wiederholt stellt er an sich selbst die Fragen, auf die die sterbenskranke Frau Antworten möchte. Warum wurde er Sterbebegleiter? Wieso möchte er sich so eng mit dem Tabuthema Tod befassen? Er versucht immer wieder das Gelernte zu rekapitulieren und anzuwenden. Doch Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Dinge. In seinem Bestreben der sterbenden Karla noch etwas Gutes zu tun, schießt Fred weit über seine Kompetenzen hinaus. Es geht gründlich schief. Durch einen Zufall und über seinen Sohn Phil, der Karlas Fotoarchiv digitalisiert und dadurch der Nachwelt erhält, findet er wieder Zugang zu ihr.


    Die Sterbebegleitung, das Befassen mit dem Tod, mit seinen Vorboten, mit der Endlichkeit unseres Seins. Das sind die Themen, die unangenehm sind. Ich selbst habe solche Literatur bisher gemieden. Susann Pásztor erzählt eine Geschichte, die mir sehr ans Herz ging. Genau diese heimtückische Krankheit, an der Karla starb, nahm mir auch meinen Vater vor der Zeit. Ich war sehr erstaunt mit welcher Leichtigkeit das schwere Thema bewältigt wurde. Das eine oder andere Mal musste ich schmunzeln. Zum Beispiel das Gespräch über die Bestattungsmodalitäten, das Karla sehr souverän und nachdrücklich mit dem geschäftstüchtigen Bestatter führt.
    „Ich kann mich mit dem Tod so intensiv auseinandersetzen, wie ich es möchte und aushalte“. Er mit seinen Vorschlägen: Karla als „Diamant“ oder „Korallenriff“ oder ... Das wirkt ungewollt komisch, makaber, befremdlich auf diejenigen für die das Sterben noch kein Thema ist. Der Tod gehört zum Leben, zu unserem Alltag. Diese banale Weisheit führt die Autorin mit einer Selbstverständlichkeit zu einem normalen Abschluß. Ohne auf die Tränendrüsen zu drücken, ohne Wehleidigkeit, ohne Bitterkeit, unaufdringlich, niemals aufgesetzt. Die handelnden Personen passen hervorragend zusammen, wie bei einem Puzzle. Das Buch wurde behutsam und mit viel Fein- und Taktgefühl geschrieben bis zum Ende.
    „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ so der Titel des Buches und so ist es dann auch. Mit einem optimistischen Ausklang schließt die Geschichte ab. Die Protagonisten sind gereift. Phil ist auch körperlich gewachsen, größer geworden und kann mit seiner Mutter Sabine und derem neuen Freund befreit umgehen. Fred wurde selbstsicherer.


    Ein schönes, ein wichtiges Buch. Von mir eine unbedingte Leseempfehlung. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: