Jan Kilman - Heldenflucht

  • Inhalt:
    1918 – Deutschland nach dem großen Krieg … Das Land wird von Hungersnöten geplagt, die Daheimgebliebenen warten sehnsüchtig auf die Kriegsrückkehrer. In dieser düsteren Zeit begibt sich die Kriegsberichterstatterin Agnes Papen in die Eifel, in ihr Heimatdorf, das von den Wunden des Krieges heimgesucht wird, wie sich bald zeigt. Als die Bewohner einen stummen französischen Soldaten stellen, kommt eine Spirale der Gewalt in Gang. Menschen verschwinden spurlos, und in den Wäldern wird eine Leiche gefunden. Agnes beschließt, sich auf die Suche nach der Wahrheit zu machen …


    Der Autor:
    Jan Kilman ist das Pseudonym eines bekannten deutschen Spannungsautors. Für seinen historischen Krimi »Heldenflucht« recherchierte Kilman intensiv über die Themen Kriegstraumata und Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg, begab sich an Kriegsschauplätze und las unzählige Feldpostbriefe dieser Zeit.


    Meinung:

    Zitat

    "Die Männer, die zu ihnen zurückkehren würden, waren nicht die, die vor Jahren losgezogen waren. Sie hatten unvorstellbare Schrecken erlebt." // Seite 31

    "Heldenflucht" wird als historischer Krimi vermarktet, aber meiner Meinung nach ist diese Einordnung nicht ganz zutreffend. Es gibt ein paar Krimi-Elemente, beispielsweise eine Leiche, und gerade gegen Ende spitzt die Handlung sich dramatisch zu, doch es gibt nicht wirklich Ermittlungen oder die Suche nach einem Täter. Stattdessen stehen die Schrecken des Ersten Weltkrieges und die Auswirkungen, die die Ereignisse auf die (Psyche der) beteiligten Menschen hatten, im Vordergrund. Dabei lernt der Leser die Bewohner des Dorfes Kirchbach kennen und obwohl viele Personen vorkommen, hatte ich zu keiner Zeit Probleme, sie auseinander zu halten und zuzuordnen, da der Autor sie alle gut charakterisiert hat. Von allen erfährt man etwas über ihre positiven und negativen Eigenschaften sowie darüber, wie der Krieg sie zerbrochen hat. Der Autor hat dabei genau und schonungslos dargestellt, wie die verschiedenen Personen beeinflusst wurden. Manche flüchten sich in Alkohol, andere haben sich in sich zurückgezogen, wieder andere haben Alpträume und dann gibt es noch jene, die vor Hass auf die Gegner ganz verbittert sind. Nicht jeder Charakter ist sympathisch, aber alle sind lebensecht und realistisch ausgearbeitet und man erfährt beim Lesen auch, dass der erste Eindruck täuschen kann und die Schäden viel tiefer gehen können, als man vermutet hätte.


    Das Buch ist gut geschrieben und informativ; gefallen haben mir die Feldpostbriefe, die der Autor zwischen die einzelnen Kapiteln gesetzt hat und auch die Fakten über bedeutsame Ereignisse, die an einem bestimmten Tag stattgefunden haben. Dadurch wurde die Geschichte viel mehr in einen realen historischen Kontext eingebettet und es machte den Horror des Krieges noch greifbarer. Einige Szenen waren wirklich beklemmend und tragisch. Doch obwohl die körperlichen und seelischen Leiden der Charaktere im Vordergrund stehen, gibt es eine gewisse Spannung, nicht zuletzt durch die geheimnisvollen Vorgänge, die im Hintergrund stattfinden und die erst am Ende aufgeklärt werden.
    Der Abschluss der Geschichte hat mir gefallen. Er ist realistisch, ergibt in Bezug auf die vorherige Handlung Sinn und man kann auf jeden Fall damit leben.
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    Herzlichen Dank an die Verlagsgruppe Random House für das Leseexemplar.

    Carpe Diem.
    :study: Yrsa Sigurðardóttir - Gespenstisches Island

    2024 gelesen: 13 Bücher | gehört: 4 Bücher

  • Der erste Weltkrieg – die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts – kostete fast 17 Millionen Menschenleben. Unfassbar! Und tragisch auch die Einzelschicksale, der Soldaten als auch der Zivilbevölkerung und der Daheimgebliebenen. In Heldenflucht bekommen diese Schicksale Namen und Gesichter.
    Eigentlich sollte der Roman ein Krimi sein. Auch beginnt er wie ein Krimi, spannend und beängstigend. Doch die Handlung ist viel komplexer. Sie umfasst zahlreiche Charaktere, die alle gut dargestellt sind und die man auch gut auseinanderhalten kann. Die Psyche und die physische Auswirkung des Krieges auf alle Beteiligte ist sehr glaubhaft dargestellt und gut nachzuvollziehen. Jede einzelne Person wirkt sehr realistisch. Jeder Charakter ist in irgendeiner Form Opfer durch die Auswirkungen des Krieges. Da sind die Männer, die in den Krieg zogen freiwillig und aus Überzeugung und als Häufchen Elend, mit den unterschiedlichsten psychischen Problemen zurück kamen oder den Tod fanden. Da sind die Frauen, die ihre gefallen Männer und Söhne betrauern. So manche entwickelt in ihrer Trauer und Not einen Hass der sich nicht an den Feind richtet. Da ist der Hunger und die Verzweiflung, die so manchen in den Wahnsinn oder zu verzweifelten Taten antreibt. Die Situationen sind düster und bedrückend. Nur wenige Momente gaukeln ein normales Leben vor.
    Ein weiterer bedrückender Aspekt der Geschichte sind die Feldpostbriefe der Soldaten an ihre Lieben zu Hause. Alle so voller Hoffnung und dem Glauben, dass sie sich bald wieder sehen werden. Am Ende jedes Briefes eine Fußnote mit der bitteren Wahrheit. Die Brief sind alle echten Feldpostbriefen nachempfunden und für die Geschichte entsprechend umgearbeitet, richten sie sich doch alle an Bewohner des kleinen Eifelortes.
    Welche Auswirkungen der Krieg, insbesondere die Erlebnisse der Soldaten, hatte, erschließt sich nach und nach. Man hat als Leser zwar irgendwann eine Ahnung, die Erkenntnis ist aber erschütternd.
    Mein Fazit:


    Ein sehr bedrückender Roman mit sehr lebensechten Personen. Die Stimmung ist düster, der Jahreszeit und der Schreckenszeit angepasst. Eine Erzählung, die einen nicht so einfach loslässt.

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