Hermann Hesse - Narziß und Goldmund

  • In einem anderen Thread haben wir gerade darüber gesprochen, wie verschieden die Geschmäcker sind. Hier kommt mein aktuelles Beispiel: "Narziß und Goldmund". Bei dem Amazon - Bewertungen haben 118 von 145 Lesern fünf Sterne vergeben und auch im BT sind überwiegend gute bis sehr gute Beurteilungen abgegeben worden.


    Normalerweise breche ich ein Buch inzwischen ab, wenn ich nicht hinein finde, aber hier möchte ich wissen, woran es liegt, dass ich auch nach dem 5. Kapitel noch keinen Zugang gefunden habe.


    Ein Versuch: Ich mag Geschichte, lese aber nicht so gerne historische Romane (es gibt Ausnahmen). Esoterik oder Spiritualität gehören nicht zu meinen Interessensgebieten. Die Sprache ist mir, auch wenn es im Mittelalter spielt, über weite Strecken zu gestelzt, Zitat Seite 55: "O Mutter, Mutter! Berge von Schutt, Meere von Vergessenheit waren weg, waren verschwunden; aus königlichen, hellblauen Augen blickte die Verlorene ihn wieder an, die unsäglich Geliebte."


    Ich mag Hesses Gedichte und "Unterm Rad" ist eines meiner Lieblingsbücher.
    Aber hier bin ich jetzt doch ein wenig :-k ratlos, ob es sich lohnt, dran zu bleiben.

  • @SiriNYC,
    seit über 30 Jahren warte ich auf jemanden, dem es mit Hesses Buch ebenso geht wie mir. Bei mir ist es allerdings nicht nur dieses Buch, sondern alle seine Werke, von denen ich keins beendet habe, weil ich einfach mit seiner Sprache nicht zurecht komme. Sie ist mir zu gestelzt, künstlich und abgehoben, eher lyrisch als prosaisch, grenzt in meinen Augen manchmal an Kitsch. Ich kann mit seinen Gedichten mehr anfangen als mit seinen Romanen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Da bin ich ja erleichtert, @Marie. Ich hatte mich gar nicht getraut, das Wort "Kitsch" zu benutzen.
    Ich habe vorhin noch einmal das bisher Gelesene durchgeblättert. Es wird geschluchzt und geliebt: Der Abt den Jüngling, dieser einen anderen Jüngling, der wiederum die Architektur. Es blüht, glüht und erblüht an allen Ecken, die "Rößchen" und "Söhnlein" sind "zart und fein", voll "blumiger Fülle" und "naturnaher Lebenskraft".
    Für mich ist das zu viel des Guten.


    Übrigens habe ich auch den Steppenwolf nie zu Ende gelesen.

  • Übrigens habe ich auch den Steppenwolf nie zu Ende gelesen.

    O Gott, der "Steppenwolf". Durch den habe ich mich zwar durchgekämpft, verstanden habe ich ihn aber nicht. Von "Unterm Rad", "Demian" und "Siddharta" war ich jedoch begeistert. Hesse wurde - zumindest damals - vor allem von Teenagern gelesen, die auf esoterischer und spiritueller Suche waren und in seinen Texten Antworten zu finden hofften. Ich hatte wie viele meiner Freunde eine "Hesse-Phase", die schnell vorüberging. Keiner von uns hat später noch mal Hesse gelesen. Ich gebe Marie Recht: Seine Texte haben einen Zug ins Pathetische und Pseudo-Tiefsinnige, auch die Gedichte schrappen oft hart am Kitsch vorbei. Die berühmten "Stufen", klar, "allem Anfang wohnt ein Zauber inne" klingt erstmal gut, aber wenn einer vom "Weltgeist" faselt, werde ich schon verrückt. Ich habe vor ein paar Jahren seine "Märchen" gelesen und fand sie biedermännisch und reizlos. Allerdings habe ich mir von gestandenen Hesse-Verächtern sagen lassen, dass das "Glasperlenspiel" kein schlechter Roman sei. Wenn er mir mal über den Weg läuft...

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

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  • Ich geselle mich mal zu Euch. Ich weiß, dass ich in meiner Oberstufenzeit "Narziß und Goldmund" gelesen und damals für gut befunden hatte. Aber wenn ich jetzt die Zitate hier lese, muss ich das wohl pubertären Hormonstörungen zuschreiben. Den "Steppenwolf" hab ich nie beendet, das gehört zu den wenigen abgebrochenen Büchern meines Lebens, genauso wie das "Glasperlenspiel". Und nachdem ich vor einigen Jahren eine Biografie über Hesse gelesen habe, ist der werte Herr eh völlig bei mir unten durch [-(

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Übrigens habe ich auch den Steppenwolf nie zu Ende gelesen.

    Durch den habe ich mich zwar durchgekämpft, verstanden habe ich ihn aber nicht.

    Den "Steppenwolf" hab ich nie beendet

    Mensch, da verkriecht Ihr Euch jahrelang hinterm warmen Ofen und lasst mich im Regen stehen. [-(


    Ihr gehört doch auch zu der Generation, die den "Teddybär gegen den Steppenwolf eingetauscht hat", wie mein damaliger Deutschlehrer es gegen den lauten Protest meiner Schulklasse formulierte. Jahrzehntelang fühlte ich mich als Ausgestoßene. Und jetzt gehöre ich anscheinend einer immer größer werdenden Gemeinschaft an. :shock: Wärt Ihr damals in meiner Klasse gewesen, hätte ich mich wohl getraut, der Hesse-Manie etwas entgegen zu setzen. So aber fühlte ich mich als jemand, der zu blöd ist, die wahren Werte deutscher Literatur zu erkennen. :cry:

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  • . Allerdings habe ich mir von gestandenen Hesse-Verächtern sagen lassen, dass das "Glasperlenspiel" kein schlechter Roman sei. Wenn er mir mal über den Weg läuft...

    Meine Beziehung zu Hesse war in frühen Jahren recht intensiv, aber heute gehe ich da lieber auf Distanz. Allerdings hat der gestandene Hesse-Verächter durchaus recht.
    Das Glasperlenspiel ist ein wunderbarer Roman, den ich irgendwann (vielleicht aus nostalgishen Gründen) noch einmal lesen werde.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

  • Interessant wie man hier entdeckt wie ein fast vergessener Autor, beim Lesen seiner Bücher, mehr oder weniger zweispältige Gefühle zu Tage fördert. Erinnerte mich in einer Leserunde Hesse und sein "Siddhartha" besprochen zu haben, das war 2008 mit Mitgliedern von denen die meisten leider nicht mehr aktiv im BT sind, und beim durchlesen der Beiträge gefiel uns diese Dichtung. Ein Jahr früher 2007 "Unterm Rad".
    Das waren fast meine einzigen Erfahrungen mit Hermann Hesse hat mich anscheinend nicht weiter interessiert, nur noch diese Rezi welche ich beim stöbern entdeckt habe, welche seine Zeit im Tessin beschreibt wobei mir sofort ausfiel.
    Gar nicht entzückt ist er, wie er schreibt, wie die Menschen aus Berlin, Zürich oder Frankfurt über Ostern in Lugano einfallen. Er beklagt den ungehemmten Tourismus, das war 1927, und schreibt " Die Überbevölkerung der Erde hat mir seit langem nicht mehr so übelgeschrien wie hier..."
    Zudem ist Hermann Hesse nicht der einzige Autor welcher in unserer sehr modernen Zeit, in welcher sich die Lesegewohnheiten verändert haben, die Leser welche diese Bücher gelesen haben erwachsen geworden sind, deren Werke mit andern Augen betrachten und sich nicht mehr zurecht finden in deren Sprache.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Ich lese nachdenklich diese Beiträge. Nun kommt der liebe Hermann aber gar nicht gut weg. Hm. Es ist wohl was her (?), dass ich das letzte Buch von ihm gelesen habe, aber ich muss mit einigen von Euch doch zumindest zugeben, dass es eine "Hesse-Phase" in meinem Leben gab, wo man sich in ihm wiederfand. Da gehörten dann mit 16/17 seine Bücher mit zu den ersten, die ich erwarb aus eigenem Geld! Und warum das verschweigen? Drückte der Mann für derlei Suchende nicht etwas aus, worin sie sich wiederfanden? War Hesse selbst nicht ein Suchender, eventuell auch Irrender?


    Was anderes ist, wenn man ihn dann als reiferer Mensch liest, zumindest diese eher spirituell bis gar esoterisch angehauchten Bücher. Heute kommt mir das ähnlich vor wie manch anderem hier. Aber ich versuche, diese beiden Erfahrungen als wesentliche von gewissen Lebensphasen stehenzulassen als von heute her definitive Urteile über Hesse zu fällen.


    (Er gehört auch heute noch zu den mit am meisten übersetztesten deutschen Schriftstellern... In Japan der Knüller.)

  • Und warum das verschweigen?

    Es gibt manches, was ich lieber verschweige, aber dass ich als Teenager gern Hesse gelesen habe, bekenne ich ohne Scham und Scheu. :wink: Ich hatte wie viele Leser meiner Generation eine Hesse-Phase ebenso wie ich eine Hemingway-Phase hatte, danach habe ich mein Interesse an den beiden Autoren komplett verloren.

    Drückte der Mann für derlei Suchende nicht etwas aus, worin sie sich wiederfanden? War Hesse selbst nicht ein Suchender, eventuell auch Irrender?

    Hesse wurde nach dem zweiten Weltkrieg von der Flower-Power-Bewegung entdeckt und hatte vor allem in Amerika einen Riesenerfolg. Seine Bücher, ganz besonders der "Siddharta", kamen deren Bedürfnis nach spirituellen Erlebnissen und esoterischer Entgrenzung (gern auch zu Füßen eines indischen Gurus) entgegen. Nun sind nicht nur Hesse und seine Leser Suchende, sondern alle Schriftsteller und alle Leser sind und bleiben im gewissen Sinne ihr ganzes Leben lang Suchende. Hesses Romane haben eben auf die diffuse, etwas pathetisch-idealistische, schwammige Suche der Blumenkinder und junger Leute im Teenageralter diffuse, pathetisch-idealistische, schwammige Antworten gegeben.

    Aber ich versuche, diese beiden Erfahrungen als wesentliche von gewissen Lebensphasen stehenzulassen als von heute her definitive Urteile über Hesse zu fällen.

    Viele Bücher, die ich früher begeistert gelesen habe, würden mir heute literarisch nicht mehr reichen, ich würde etliche von ihnen sogar als kitschig und trivial empfinden. Mit den fortschreitenen Leseerfahrungen wird natürlich das kritische Sensorium immer stärker ausgebildet. Deswegen kann ich Hesse heute für keinen guten Autor halten, obwohl ich ihn damals gern gelesen habe. Ein definites Urteil ist das sowieso nicht, sondern nur meine eigene subjektive Meinung. :wink:
    @taliesin, überredet.: Das "Glasperlenspiel" werde ich ich noch lesen.

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  • Das "Glasperlenspiel" werde ich ich noch lesen.

    Das habe ich gestern auf meinem SuB auch entdeckt. Aber nach den Erfahrungen mit Ecos Pendel verspreche ich lieber gar nichts mehr. [-(

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  • Das habe ich gestern auf meinem SuB auch entdeckt. Aber nach den Erfahrungen mit Ecos Pendel verspreche ich lieber gar nichts mehr. [-(

    Beiteilige dich "ungeniert" an weiteren Leserunden, ich verspreche dir dass ich mich für sehr lange Zeit fernhalten werde. :wink:

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Danke für Euren zahlreichen Beiträge!


    Wie Marie es sehr treffend beschrieben hat, hat jede Lebensphase ihre Autoren, die genau zu dem Zeitpunkt ausdrückten, was uns bewegte.
    Ich stelle mittlerweise fest, dass z.B. Bücher, die ich vor ca. zehn Jahren hier im BT unter meinen Favoriten listete, mir nichts mehr sagen. Beispiel: Lilly Brett, "Einfach so". Voriges Jahr scheiterte ein Versuch, es nochmal zu lesen bereits nach einigen Seiten. Das Positive daran: Ein Zeichen, das man nicht still steht, sondern sich - wie auch immer - weiter entwickelt.


    Zurück zu Hesse: Ich als Laie habe tatsächlich einen gewissen Respekt vor dem Kanon. Deswegen meine zaghaften Überlegungen, "darf" ich das nicht gut finden? Ich würde z.B. zögern, einem Buch nur ein, zwei Sterne zu geben, von dem ich vermute, dass es gut oder besonders geschrieben ist, mir aber die Kompetenz fehlt, mich damit auseinander zu setzen. Man kennt diese Ein - Punkte -Bewertungen von Klassikern bei amazon: "Voll öde, total altmodisch, der hats nicht drauf." :wink:


    Das "Glasperlenspiel" notiere ich mir aber doch.

  • Ich hab Narziz und Goldmund vor einem halben Jahr gelesen und fand es grandios. Die Entwicklung zweier so verschiedener Menschen hat mich schon bewegt. Allerdings habe ich kein Problem mit seiner Sprache und ein Mittelalterlicher Rebell, klar warum nicht?


    Das Glasperlenspiel war dann aber doch, dass erste Buch von Hesse, welches ich nicht zu Ende gelesen habe. Hier ging mir die Sprache auch zu sehr auf die Nerven. Das war vor zwei Tagen.
    Aber schon ärgerlich, wenn man 400 Seiten gelesen hat und dann nicht weiß wie es ausgeht. Also irgendwann werde ich es nochmal probieren. In 10 Jahren vielleicht. Jedes Buch hat seine Zeit.

  • Der ganze Beitrag ist natürlich interessant, SiriNY, aber ich nehme doch etwas besonders heraus:


    Zurück zu Hesse: Ich als Laie habe tatsächlich einen gewissen Respekt vor dem Kanon. Deswegen meine zaghaften Überlegungen, "darf" ich das nicht gut finden? Ich würde z.B. zögern, einem Buch nur ein, zwei Sterne zu geben, von dem ich vermute, dass es gut oder besonders geschrieben ist, mir aber die Kompetenz fehlt, mich damit auseinander zu setzen. Man kennt diese Ein - Punkte -Bewertungen von Klassikern bei amazon: "Voll öde, total altmodisch, der hats nicht drauf." :wink:

    DAS empfinde ich doch ebenso, zumindestens bei den "Klassikern". Dann sage ich mir vielleicht, dass ICH eben ein Problem damit habe, und dieses persönliche Empfinden nicht verallgemeinern sollte. Das ist nicht einfach eine Frage der Kompetenz, sondern des Geschmacks oder manchmal auch der eigenen Überzeugungen. Ist es dann nicht besser, nicht nach dem Motto der und die "IST" so ein(e) Autor(In), sondern "was mich anbetrifft kann ich nicht so viel damit anfangen"? Oder nicht mehr? Oder noch nicht?

  • Ich würde z.B. zögern, einem Buch nur ein, zwei Sterne zu geben, von dem ich vermute, dass es gut oder besonders geschrieben ist, mir aber die Kompetenz fehlt, mich damit auseinander zu setzen.

    In so einem Fall würde ich das Buch nicht bewerten, also keine Sterne geben und im Kommentar dazu schreiben, dass ich zu dem Buch keinen Zugang fände bzw. damit überfordert wäre. Ob man ein Buch mag oder nicht, ist persönlicher Geschmack und nicht zu hinterfragen. Aber wenn man sagt, man fände ein Buch gut oder schlecht, muss man auch Argumente dafür anführen können. Auch wenn die ebenfalls subjektiv sind, sind sie doch begreifbar und diskutierbar.

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

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  • Also Hermann Hesse... :-s Ich hab wirklich sehr, sehr viel von ihm gelesen. Und zwar, als ich zwischen 14 und 16 war Damals habe ich seine Bücher geliebt und ihn als gottgleich empfunden, über jede Kritik erhaben und durch nichts zu übertreffen. Heute, 30 Jahre später, reizt er mich überhaupt nicht mehr und ich würde durchaus zögern, überhaupt in eines seiner Bücher hineinzulesen. Viele wehren sich dagegen, Hesse als Pubertätsautoren zu sehen, und wahrscheinlich hat er das auch nicht verdient, aber für mich war er es eindeutig.


    Was nicht heißt, dass er nicht unglaublich schöne und kluge Dinge geschrieben hat. Sehr tiefsinnig und weise. Aber grade deshalb...


    Mir geht es z. B. mit Malern auch oft so. Ich weiß, dass Picasso keine schlechten Bilder gemalt hat, und trotzdem gefallen sie mir nicht. Sorry, ich kann gar nix damit anfangen, auch wenn sie technisch noch so perfekt sind.

  • Zudem ist Hermann Hesse nicht der einzige Autor welcher in unserer sehr modernen Zeit, in welcher sich die Lesegewohnheiten verändert haben, die Leser welche diese Bücher gelesen haben erwachsen geworden sind, deren Werke mit andern Augen betrachten und sich nicht mehr zurecht finden in deren Sprache.

    Das ist wohl wahr. Von Hesse habe ich (noch) nichts gelesen, aber ich kann mich in vielen eurer Beiträge wiederfinden. Es gab ebenfalls eine Phase in meinen Teenagerjahren, als ich es absolut cool fand, Hemingway, Fitzgerald und andere Klassiker zu lesen. Heute kann ich das gar nicht mehr nachvollziehen, obwohl mich z. B. "Wem die Stunde schlägt" laut meinem neulich wiedergefundenen Tagebucheintrag sehr beeindruckt hat (konnte mich gar nicht erinnern, es je gelesen zu haben! 8-[ ).


    Ich denke wie @serjena, die Lesegewohnheiten haben sich extrem geändert - vor allem die der jüngeren Leser, für die Lesen mehr Konsum ist als Bildung und das Verständnis für etwas, das zunächst neu und ungewohnt ist. Obwohl ich ebenfalls meine Meinung über viele Bücher geändert habe, die mich beim ersten Lesen so begeistert haben, finde ich das irgendwie auch ein bisschen traurig. Wobei ich verstehe, dass Bücher, die vor fünfzig oder hundert Jahren geschrieben wurden, kein so breites Publikum mehr erreichen als früher. Hätte Hesse über Einhörner, Erdbeerkuchenküsse, Glitzerstaub und Bondage philosophiert, würde er heuer bestimmt mehr Fans haben als zu "Steppenwolf"-Zeiten. :wink:

  • Die Diskussion hat mich angeregt, genauer hinzuschauen, was ich an Hermann Hesses Literatur schätze, Worte dafür zu finden.

    Meine Hesse-Lesezeit war im jungen Erwachsenenalter. Durchkämpfen musste ich mich nie, ich habe es eher aufgesaugt wie ein Schwamm.

    Mit der Lektüre verbinde ich - im Gegensatz zu vielen anderen Büchern, sehr besondere Momente.


    "Siddharta" habe ich "irgendwo im Nirgendwo", nach stundenlanger Wanderung alleine an einem Wasserfall in Schottland gelesen.

    "Demian" - da ist mir bis heute ein Zitat im Kopf („Der Vogel kämpft sich aus dem Ei. Das Ei ist die Welt. Wer geboren werden will, muss eine Welt zerstören." Hermann Hesse).

    "Narziss und Goldmund" - Goldmund ist eine der literarischen Figuren, mit der ich mich am meisten identifiziert habe.

    Die Gedichte "Stufen" und "Im Nebel" haben im Austausch mit Menschen eine eigene Geschichte für mich entwickelt.


    Hesse berührt in mir eine archetypische Ebene.

    Seine spirituelle Herkunft ist meiner ähnlich.


    Kitsch - Pseudo - wäre jetzt nicht mein Empfinden. Allerdings müsste ich dafür vielleicht auch heute nochmal mehr hinein lesen.

    Ansonsten meine ich zu erinnern, dass Hesse bedauert hat, von verschiedenen Zeit-Strömungen, Bewegungen, selektiv gelesen worden zu sein, missverstanden worden zu sein -

    Bin auch nicht der Ansicht, dass Hesse nur etwas für junge, idealistische, bisschen schwärmerische Menschen ist.


    Zu der Frage: muss ich Hesse mögen von mir ein klares "Nein" - wieso?

    Mögen ist ja erstmal da und unterliegt auch unbewussten Prozessen.

    Etwas mögen oder nicht mögen, sagt nichts über eine Person, ein Werk "an sich" aus.

    Es ist subjektiv. Kann sich verändern, kann Abwehr sein. (Den "Steppenwolf" mochte ich erst nicht und Jahre später fand ich Zugang und habe gespürt, dass mir im ersten Anlauf, die Schilderungen von Einsamkeit und Depression unerträglich waren zu dem Zeitpunkt, weil sie so treffend, so "gut" waren.)


    Man kann hergehen und schauen - warum mag ich das nicht, wenn man mag.

    Bzw. trennen: das eigene nicht-mögen und literarische Qualität unabhängig davon.


    Ein "ich mag Hesse nicht" ist was anderes als ein: ich denke Hermann Hesse ist nach rein objektiven Kriterien, kein guter Schriftsteller / zu Unrecht im Kanon.

    Ersteres muss als persönliche Äußerung / persönliches Empfinden nicht begründet werden, finde ich. Letzteres braucht Argumente.

  • Hermann Hesse. Ein Unwort bei meiner Holden. Deutschunterrichtgeschädigt.

    Solch eine Reaktion schmerzt mich. Und damit muss ich bekennen, es gibt Hermann Hesse Werke, die ich nicht missen und auch nicht leugnen möchte. Bei mir steht die komplette Taschenbuchausgabe im Regal. Manche davon vom Lesen doch etwas angegriffen. Nicht alles von ihm hat mir gefallen, war mir sprachlich zu süsslich bunt. Aber ein Leben ohne "Narziß und Goldmund" oder "Sidharta"? Das kann ich mir nicht vorstellen. Das wären die beiden Werke, die ich auch heute noch lese. Daneben kämen für mich dann noch "Piktors Verwandlung", "Der Steppenwolf" und das "Glasperlenspiel" in Frage.

    Warum? Ich denke, dass ich mich immer mit der Frage nach dem Sinn des Lebens des Lebens, nach der Wahl des "richtigen" Lebensweges konfrontiert sehe. Und die Bilder, die er mir bietet, gefallen mir. Auch vierzig Jahre nachdem ich sie zum ersten Mal gelesen habe. Immer noch.

    Vielleicht bin ich nie "erwachsen" geworden.

    Und die Person Hermann Hesse? Ich denke, er war "Narziß" und "Goldmund", "Sidharta und Gowinda". Innerlich hin und hergerissen, eingezwängt in die Konventionen seiner Zeit. Ich hätte ihn gerne mal getroffen, mit ihm gesprochen. Einfach auf seiner Veranda sitzen, ein Gläschen Wein trinken und über das Leben philosophieren. Dabei bin ich nicht unbedingt ein Mensch, der seinen Stars hinterher reist, für ein Autogramm, ein Händeschütteln.