Stewart O'Nan - Ganz alltägliche Leute / Everyday People

  • Klappentext:
    Pittsburgh 1998: Der junge Chris “Crest” Tolbert ist beim Graffitisprühen gefallen und sitzt seitdem im Rollstuhl. Sein Freund Bean ist tot. Die Mutter seines Kindes ist ihm fremd geworden. Sein Bruder hat nach einer Knast-Karriere Gott gefunden. Sein Vater hat sich verliebt. Seine Mutter ahnt etwas.
    Eindringlich erzählt Stewart O’Nan die Geschichte einer Woche im Leben der Bewohner des armen, schwarzen Viertels East Liberty. Einer schicksalhaften, hoffnungsvollen Woche, die das Leben der Menschen dort verändern wird.
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    Zum Autor:
    Stewart O’Nan wurde 1961 in Pittsburgh geboren und wuchs in Boston auf. Er arbeitete als Flugzeugingenieur und studierte in Cornell Literaturwissenschaft. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Avon, Connecticut. Für sein Debüt «Engel im Schnee» erhielt er 1993 den William-Faulkner-Preis. (Amazon)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Everyday People
    Erstmals erschienen 2001 bei Grove Press, New York
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Thomas Gunkel
    Kapitelweise aus der personalen Perspektive mehrerer Personen erzählt
    320 Seiten


    Persönliche Meinung:
    Stewart O’Nan ist einer der besten zeitgenössischen Autoren Amerikas (für mich). Das wäre er allerdings nicht, wenn er noch mehr Bücher wie dieses geschrieben hätte.
    Eine alltägliche Zeit mit Problemen, Beziehungen und Gedanken alltäglicher Leute zu füllen, kann funktionieren. Kann sogar reizvoll sein, wenn unterschiedliche Figuren die Handlung tragen und weiterführen.
    Warum funktioniert dies in diesem Buch nicht?
    Vielleicht, weil es keine nennenswerte Handlung gibt? Vielleicht, weil keine der Figuren so gezeichnet ist, dass sie dem Leser nahe kommt? Vielleicht, weil der gesamte Plot durch die wechselnden Protagonisten der einzelnen Kapitel zerstückelt wird?


    Anscheinend hatte der Autor die gute Absicht, die Probleme eines von Farbigen bewohnten Stadtviertels zu zeigen. Würde er nicht von Zeit zu Zeit auf die Hautfarbe der Bewohner hinweisen, könnte es sich bei East Liberty um jedes x-beliebige Vorstadt-Ghetto handeln, in dem Armut, Drogen und Gewalt an der Tagesordnung sind.


    Über die Personen und ihre Reaktionen kann man sich meistens nur wundern: Von Crest erwartet man Auflehnung, zumindest würde ein Jugendlicher, der nach einem Unfall für den Rest seines Lebens im Rollstuhl sitzt, mit seinem Schicksal hadern. Doch Crest findet schnell (zu schnell) eine Beschäftigung, die ihn ausfüllt, und das Einzige, was ihn belastet, scheint das Sexuelle zu betreffen.
    Seine Mutter Jackie, als zupackende, gefühlvolle Frau beschrieben, interessiert sich nicht für das Kind, das Crest mit Vanessa hat, ihren Enkel also. Das passt nicht.
    Fast jede Figur legt in irgendeiner Weise ein Verhalten an den Tag, das gegenüber anderen Reaktionen nicht stimmig ist.


    Besonders misslungen ist der Anfang des Buches: Ein Ich, das im Verlauf der Handlung kein zweites Mal auftaucht, erzählt etwas von einer Busspur, die das Viertel vom Rest der Stadt abschneidet. Wen interessiert eine nicht vorstellbare Busspur in irgendeiner Stadt auf der Welt? Und wer ist dieses Ich, das mir etwas zu erzählen versucht, das mich nicht interessiert und das ich nicht verstehe?


    Im Allgemeinen empfehle ich die Bücher von Stewart O’Nan. Wer es sich aber nicht mit ihm verderben will, sollte dieses Buch meiden. Er hat viel bessere geschrieben.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Du bist wirklich konsequent, wenn Du es (trotz Deiner Bewertung) bis zum Ende durchgelesen hast.
    Hattest Du Hoffnung, es wird besser? Ich werfe inzwischen ziemlich schnell die Flinte ins Korn, wenn mir ein Buch nicht gefällt.

  • Stewart O’Nan ist einer der besten zeitgenössischen Autoren Amerikas (für mich).

    Für mich auch :wink:

    Wer es sich aber nicht mit ihm verderben will, sollte dieses Buch meiden. Er hat viel bessere geschrieben.

    schade, dass er wohl bei diesem Buch so "versagt" hat. Da lass ich dann mal die Finger davon.
    Was mir noch wundert: wenn doch das gesamte Buch von Farbigen handelt, warum hat dann der Verlag ein Cover mit einem Weißen gewählt? Muss man wohl nicht verstehen ?(

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Ich werfe inzwischen ziemlich schnell die Flinte ins Korn, wenn mir ein Buch nicht gefällt.

    Ich auch. Aber ich habe im Auto gesessen (hinten), und wir gerieten in einen Stau nach dem anderen. Dieses Buch hatte ich in der Handtasche bei mir, die anderen waren hinten im Koffer. Dann doch lieber einen schlechten O'Nan als gar nichts zu beißen. :wink:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Stewart O’Nan ist einer der besten zeitgenössischen Autoren Amerikas (für mich).

    Soweit ich mich erinnern kann habe ich sogar durch dich diesen Autor kennen gelernt, er schreibt ansonst eindrucksvolle Bücher, welche ich gerne lese.

    Im Allgemeinen empfehle ich die Bücher von Stewart O’Nan. Wer es sich aber nicht mit ihm verderben will, sollte dieses Buch meiden. Er hat viel bessere geschrieben.

    Das mag ich sehr, auch wenn es ein Buch des Autors ist welcher besonders geschätzt wird, der Rezensent ehrlich schreibt wenn dieser eine sehr schwache Geschichte erzählt, es gibt genug Leser welche immer, da es ihr Lieblingsautor ist, nur positive Worte für seine Romane finden auch wenn diese wirklich "mies" sind

    Du bist wirklich konsequent, wenn Du es (trotz Deiner Bewertung) bis zum Ende durchgelesen hast.
    Hattest Du Hoffnung, es wird besser? Ich werfe inzwischen ziemlich schnell die Flinte ins Korn, wenn mir ein Buch nicht gefällt.

    Manchmal siegt einfach die Neugierde (das passiert mir, jedoch nicht sehr oft) und das Buch wird zu Ende gelesen auch wenn der Deckel nach 50 Seiten schon zugeklappt werden könnte- dafür gibt es dann die Möglichkeit des "Verisses" :wink:

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter